Rheinische Post

Ein Mann, ein Sturz und die Rheinbahn

- VON SEMIHA ÜNLÜ

Leonid Turetskiy stürzte in einem Bus der Linie 737, als der Fahrer scharf abbremste. Der 71-Jährige erwartet eine Entschuldi­gung von der Rheinbahn, aber auch eine finanziell­e Entschädig­ung. Doch beides lehnt das Verkehrsun­ternehmen ab. Keine Seltenheit in Fällen wie diesen.

Leonid Turetskiy ist an den Ort zurückgeke­hrt, der ihn nicht mehr los lässt. Am 22. August stürzte der 71-Jährige in einem Bus der Linie 737 kurz vor seiner Haltestell­e Wehrhahn-Center. „Der Fahrer bremste so scharf ab, dass ich mich nicht halten konnte“, sagt der Rentner. Auch andere Fahrgäste seien zu Boden gestürzt. Da er dringend etwas im Wehrhahn-Center besorgen musste, sei er überstürzt aus dem Bus ausgestieg­en: „Wahrschein­lich stand ich unter Schock!“Erst kurze Zeit darauf habe er Rippenschm­erzen bemerkt. Als sie nicht nachließen, sei er zwei Tage später zu einem Arzt gegangen. „Er machte eine Röntgenauf­nahme, es war aber zum Glück nichts gebrochen“, so Turetskiy. Dennoch habe er seitdem Schmerzen.

Deswegen hat sich Leonid Turetskiy dann auch bei der Rheinbahn gemeldet. Mehrmals. „Ich erwarte in erster Linie eine Entschuldi­gung von der Rheinbahn“, sagt der 71-Jährige. Und während er das sagt, überschlag­en sich seine Worte: „Ich bin eben immer noch so verärgert.“Doch dasVerkehr­sunternehm­en hat das abgelehnt. Und das passiert in Fällen wie diesen nicht mal selten.

Denn die Rheinbahn hat bei Vorkommnis­sen wie diesen immer das gleiche Problem: Der Fahrgast kann keine Beweise vorbringen, keine Au- genzeugen benennen, die das bekräftige­n, was ihm widerfahre­n sein soll. Vor allem aber wenden sich die Fahrgäste nicht direkt vor Ort an den Fahrer. „Der könnte dann zum Beispiel über die Leitstelle einen Notarzt anfordern und der Fall würde auch dokumentie­rt“, sagt Rheinbahn-Sprecher Eckhard Lander. Der Fahrer müsste dann nach seiner Schicht aufschreib­en, was genau passiert war, ob etwa ein Fehlverhal­ten des Fahrers oder ein Fremdversc­hulden vorlag.

Fahrgäste würden sich in der Regel über den Busfahrer und dessen scharfes Abbremsen ärgern. Oft bliebe den Fahrern aber keine andere Wahl, weil Autofahrer ihnen dieVorfahr­t nehmen würden, so die Rheinbahn. Einige Busfahrer hätten des- wegen sogar gerne eine Dashcam an ihren Fahrzeugen, die die Fahrt frontal aufnimmt. So könnten dann die Kfz-Kennzeiche­n festgestel­lt, die Autofahrer identifizi­ert und der Vorfall geahndet werden. Bei Fahrradfah­rern oder Spaziergän­gern, die die Verkehrsre­geln brechen, sei es wiederum fast unmöglich, den Kontakt herzustell­en.

Warum der Busfahrer am Morgen des 22. August kurz vor der Haltestell­e Wehrhahn-Center (eventuell) scharf abbremste, weiß Leonid Turetskiy nicht. Er sei rechtzeiti­g aufgestand­en, um an seiner Haltestell­e Wehrhahn-Center aussteigen zu können, habe sich dabei auch sehr gut festgehalt­en. Plötzlich habe der Fahrer gebremst, und er sei wie einige andere Fahrgäste zu Boden ge- stürzt. Die Pflicht eines Fahrgastes sei es jedoch, sich sofort und auch für die Dauer der Fahrt einen festen Halt im Fahrzeug zu verschaffe­n, sagt Eckhard Lander. Fahrgäste sollten sich auch nicht vor Halt des Fahrzeuges auf denWeg zur Tür machen. Dass die Zeit gerade zu Stoßzeiten dann allerdings in der Regel nicht mehr ausreicht, um am gewünschte­n Stopp auszusteig­en, weiß man auch beim Verkehrsun­ternehmen. „Wir müssen aber dazu raten, sich immer sofort einen festen Halt zu verschaffe­n und möglichst zu warten, bis das Fahrzeug hält“, so Lander. Sollte es doch zu einem Sturz kommen, sollte sich der Fahrgast unmittelba­r danach an den Fahrer wenden, aber auch von sich aus Augenzeuge­n nach deren Telefonnum­mern befragen. Ansprechpa­rtner für die weitere Bearbeitun­g des Falles sei dann in der Regel die Rechtsabte­ilung (Tel. 0211 582-1929/-1933).

Leonid Turetskiy hat in den vergangene­nWochen Augenzeuge­n gesucht, die das bestätigen können, was ihm am Morgen des 22. August widerfahre­n ist. An der Haltestell­e Wehrhahn-Center der Linie 737 hingen bis vor kurzem noch Zettel mit seiner Handynumme­r. SeineVersu­che blieben erfolglos: „Ich bin bestimmt nicht der Einzige, dem das so passiert ist. Das ist traurig, wie mit mir umgegangen wird.“

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RP-FOTO: ANDREAS ENDERMANN Der 71-jährige Leonid Turetskiy ist sehr verärgert und auch traurig, wie die Rheinbahn mit seinem Fall umgegangen ist.

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