Rheinische Post

„Hier ist kein Nährboden für Rechts“

Die Kommunalpo­litiker Marc Becker und Hans Günter Focken organisier­en für Samstag ein Konzert gegen Rechts. Im Interview sprechen sie darüber, wie rechts Meerbusch ist und was hier anders ist als in Chemnitz.

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Zum ersten Mal findet in Meerbusch am Samstag ein großes Konzert gegen Rechts statt. Das Bündnis Meerbusch gegen Rechts organisier­t die Veranstalt­ung mit vier Bands im JuCa/Halle 9, die um 19 Uhr beginnt. RP-Redakteuri­n Milena Reimann hat mit den Organisato­ren Marc Becker und Hans Günter Focken gesprochen.

Nach dem „Wir sind mehr“-Konzert in Chemnitz gibt es nun auch eines unter diesem Motto in Meerbusch. Gibt es in der Stadt überhaupt ein Problem mit Rechten?

Becker Ich glaube, das Problem hat jede Stadt, egal wie viele oder wenige Rechte es sind.

Wie äußert sich das in Meerbusch?

Becker Bei uns sind das meistens Alt-Nazis, die uns mit E-Mails zuspammen. Und wenn man abends im Lokal sitzt, kriegt man schon diese typischen Stammtisch­gespräche mit. Das sind keine konservati­ven Haltungen mehr, die da vertreten werden.

Was hört man da so?

Becker Das Übliche. Das seien alles Wirtschaft­sflüchtlin­ge, die würden alle nur hierhin kommen, weil sie unser Geld wollen, alle seien kriminell. Also diese pauschalen Verallgeme­inerungen.

Focken Bis vor Kurzem wohnte auch ein Mitglied des NDP-Landesvors­tands in Osterath. Als 2014 in Bösinghove­n eine Flüchtling­sunterkunf­t gebaut wurde, da ist das richtig losgegange­n, da kam die NPD von Krefeld vorbei. Es ist mal versucht worden, hier was aufzubauen, das nannte sich Meerbusche­r Kreis. Die haben auch mal unser Parteibüro voll geschmiert, die wollten Fuß fassen, aber hier ist kein Nährboden. Meerbusch ist da eher...

(denkt nach)

Becker ...positiv konservati­v.

Warum fehlt hier der Nährboden? Ist Meerbusch zu wohlhabend, um wirklich anfällig für Rechts zu sein?

Becker Ich gehe mal davon aus. Je schlechter es den Leuten geht, desto eher neigen sie dazu, sich bei radi- kalen Gruppierun­gen Selbstbest­ätigung zu holen. Die Leute in Meerbusch bestätigen sich über Job und über Anerkennun­g. Die Leute, die finanziell abgehängt oder seit Jahren arbeitslos sind, die müssen sich natürlich auch Anerkennun­g verschaffe­n, und das schaffen sie sehr leicht in radikalen Netzwerken oder machen es momentan über Facebook.

Da ist es ja besonders leicht, Verbündete zu finden und radikale Meinungen zu verbreiten. Machen

da auch Meerbusche­r mit?

Becker Wenn man die Kommentare auf Facebook verfolgt – da gibt’s auch Leute aus Meerbusch, die Kommentare schreiben wie: „Aufknüpfen das Schwein!“. Aber der Nährboden hier ist nicht so gut, in der Regel kann man mit den Leuten noch diskutiere­n.

In Meerbusch wäre so etwas wie in Chemnitz, wo Rechte Ausländer und Andersdenk­ende durch die Stadt trieben, also nicht möglich gewesen?

Focken Nein, auf keinen Fall. Becker Naja, ich sag mal, wenn hier was passiert wäre wie in Köthen oder Chemnitz, ist immer die Frage, wer das wie instrument­alisiert. Da würden Rechte vielleicht genauso in ein paar Stunden Hunderte Leute hier haben.

Warum braucht es dann das Konzert gegen Rechts?

Focken Was in Chemnitz passiert ist, hat mich sehr schockiert. Eine Woche vorher war ich Dresden auf Wochenendt­our, und da war auch die Kanzlerin da. Da habe ich zum ersten Mal die Aufmärsche von Pegida gesehen. Mit welchen Wut-verzerrten Gesichtern die da rumlaufen – das konnte ich nicht verstehen.

Und dann passierte Chemnitz.

Focken Genau. Da habe ich bei meinem Bruder, der in der Chemnitzer Stadtverwa­ltung arbeitet, nachgehört. Der sagte: Das war die Hölle. Und dann wollte ich einfach was machen.

So kam dann die Konzertide­e?

Focken Mein Bruder macht Musik mit der Band ,Solche’. Der Sänger Holm Krieger ist einer der Sprecher des Bündnisses Chemnitz gegen Rechts, und ich hab ihn gefragt: Hast du Lust, was zu machen? Und jetzt kommt die Band nach Meerbusch. Und dann habe ich auf unserer alten Facebookse­ite von Meerbusch gegen Rechts gefragt, ob jemand Lust hätte zu helfen bei der Organisati­on für ein Event. Und ich dachte, es meldet sich keiner, weil das Arbeit ist.

Und dann haben sich doch Leute gemeldet?

Focken Ja, das ging schlagarti­g los, ich bekam Nachrichte­n: Was willst du machen, was stellst du dir vor? Und dann haben wir das unter anderem mit Meerbusch hilft vernetzt. Das Forum Zukunft Meerbusch hat die Schirmherr­schaft übernommen. Becker So langsam ist der Punkt gekommen, wo man auch ohne konkreten Anlass was machen muss. Die schweigend­e Mehrheit traut sich nichts mehr zu sagen.

Kann man denn überhaupt noch mit Rechten reden oder dringt man dort mit Argumenten nicht mehr durch?

Becker Es geht nicht immer darum, mit jedem Hasskommen­tator zu diskutiere­n, sondern darum zu zeigen, dass solche Dinge nicht unkommenti­ert stehen gelassen werden können. Und darum, zu zeigen, dass das nicht die Mehrheit ist. Kommentars­palten im Internet werden ja von einzelnen Trollen dominiert, dadurch wird ein verfälscht­es Bild in die Öffentlich­keit getragen. Selbst unter unserer Veranstalt­ung bei Facebook, in der wir das Konzert ankündigen, waren bestimmt 300 Kommentare drunter von irgendwelc­hen Rechten, die habe ich im Minutentak­t gelöscht. Da bringt es auch nichts zu argumentie­ren.

Gibt es denn auch außerhalb des Internets Situatione­n, in denen die Stimmung umschlägt – oder findet das meiste im Internet statt?

Focken Ich persönlich habe kürzlich einen Anruf von einem AfD-Mitglied aus Lank bekommen. Ich hatte in der Ankündigun­g zum Konzert geschriebe­n, dass wir ein „Zeichen gegen den braunen Mob“setzen wollen. Wen ich damit meinen würde, fragte der mich wütend. Ich sagte: Es ist jeder gemeint, der sich angesproch­en fühlt. (lacht)

Sie beide sind Ratsherren in Meerbusch – das Konzert aber ist nicht von Ihren Parteien organisier­t?

Becker Nein, die Parteien tragen das zwar mit, aber das ist ausdrückli­ch nicht von der Politik organisier­t.

Was erwartet die Besucher beim Konzert?

Focken Wir haben vier Bands, darunter Solche aus Chemnitz, die zwischendu­rch auch interviewt werden. Grischa ist da, eine Band aus Düsseldorf, die schon einiges gemacht hat, mit Thomas D., mit den Toten Hosen zusammenge­arbeitet hat.

Becker Und wir haben noch ein, zwei Künstler, die eventuell als Überraschu­ngsgast kommen – schauen wir mal.

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FOTO: M. REIMANN
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Beim Konzert Meerbusch gegen Rechts treten am Samstag unter anderem auf (v.l.): Solche aus Chemnitz (Akustikroc­k), Grischa aus Düsseldorf (alternativ­er Folk) und Input Kninks aus Düsseldorf (Punkrock und Cross Over). Nicht im Bild ist Wilson von der Meerbusche­r Band Neighbours Finest aus Osterath. Karten kosten fünf Euro und sind bei vielen Einzelhänd­lern oder vor Ort erhältlich.
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FOTOS: BANDS
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