Rheinische Post

Der Bodenständ­ige im Luxushotel

Timo Bosch ist Chefkoch im Interconti. Er serviert Klassiker gern mit modernem Twist – wie Sauerbrate­n aus Ente.

- VON HELENE PAWLITZKI

Timo Bosch ist Chefkoch im Interconti. Er serviert Klassiker gern mit modernem Twist – wie Sauerbrate­n aus Ente.

Timo Bosch sieht irritiert aus. Mit dieser Frage kann er nichts anfangen. „Abgefahren?“, fragt er. „Hm. Schwierig.“

Die Frage lautete: Was war die abgefahren­ste Kombinatio­n, die Sie je auf den Teller gebracht haben? Eine gemeine Frage an einen Hotel-Chefkoch. Denn er ist gefangen in einem Dilemma. Einerseits soll er mit kreativen Innovation­en Gäste ins Hotelresta­urant locken. Anderersei­ts will der Hotelgast an sich nichts „Abgefahren­es“vorfinden, wenn er morgens aufs Frühstücks­büffet oder abends auf den Dinner-Teller schaut. Hotelgäste sollen sich wie zu Hause fühlen – nur besser. Schmecken muss es also wie bei Muttern, nur sollen die Gerichte außerdem noch das gewisse Etwas haben.

Timo Bosch meistert diese Herausford­erung. Seit März 2017 steuert der 36-Jährige als Head Chef die gastronomi­schen Aktivitäte­n des Interconti­nental an der Königsalle­e. Auf der aktuellen Dinner-Karte finden sich viele Klassiker wie Kalbskotel­ett, Austern, Chateaubri­and oder Maultasche­n. Boschs Team kombiniert sie aber mit Zutaten, die den Gaumen kitzeln: Der gebeizte Lammrücken kommt mit Feige, Sellerie, schwarzem Tee und Granatapfe­l auf den Teller, der Sauerbrate­n ist nicht vom Rind, sondern von der Ente. Die Maultasche­n sind mit Kaffir-Limette gewürzt.

Timo Bosch selbst isst gern Rouladen. Er liebt es aber auch, kleine asiatische Restaurant­s zu besuchen – je obskurer, desto besser. Wenn ihn das Essen besonders interessie­rt, fragt er, ob er mal in die Küche schauen darf. Was er sieht, findet immer wieder Eingang in seine Karten. Das Flat Meat vom Angus-Rind – ein Steak, das am besten blutig schmeckt – lässt er mit Sesam, gebratenem Frühlauch, marinierte­m Sellerie und einer Miso-Reduktion servieren.

Sein Tag beginnt um sieben Uhr mit einem Kaffee, dann geht es ans umfangreic­he E-Mail-Postfach. Er sei ein methodisch­er Mensch, bestätigt er. „Man schafft viel mehr, wenn man strukturie­rt arbeitet.“Freude macht ihm sein Job besonders dann, wenn all die kleinen Rädchen der riesigen Maschine perfekt ineinander greifen. Wenn er Bestellung­en für Veranstalt­ungen, das À-la-carte-Geschäft und die Bar so kombiniere­n kann, dass er am Ende einen guten Preis beim Lieferante­n

bekommt und möglichst wenig wegschmeiß­en muss. Zu Hause sei er genau so, sagt er: „Wenn ich frei habe, gehe ich morgens zum Metzger und hole mir fürs Frühstück exakt so viel Aufschnitt, wie ich für meine drei Brötchen brauche.“

Viel in der Küche steht Bosch nicht mehr – sein Job ist es, das derzeit 28-köpfige Team zu leiten und für den reibungslo­sen Ablauf der Gastronomi­e zu sorgen. Zehn bis elf Stunden ist der Sauerlände­r, der als Teenager mit seiner Familie nach Düsseldorf zog, dafür täglich im Ein- satz. Das mache ihm nichts aus, sagt er, weil die Einsätze im Hotelgesch­äft relativ planbar seien. „Wenn man mal einen freien Tag braucht, ist das meistens auch möglich.“So bleibt Zeit für seinen Sohn (7) und seine Tochter (4). Bosch ist ein Familienme­nsch, ein Heimatmens­ch. „Mich zieht es nicht weit weg.“

Dass er Koch werden wollte, wusste er schon früh – er konnte sich nur nicht so recht entscheide­n. In der 9. Klasse schreckte ihn die Vorstellun­g, am Wochenende arbeiten zu müssen. So machte er sein Abitur am Max-Planck-Gymnasium und schrieb sich anschließe­nd in Mönchengla­dbach für Personalma­nagement und Wirtschaft­singenieur­wesen ein. „Ich habe die Uni genau einen Tag lang von innen gesehen.“Er jobbte im „Schaukelst­ühlchen“in der Altstadt, lernte dort die Koch-Azubis vom Breidenbac­her Hof kennen. Einer – inzwischen ein Freund – überzeugte ihn, selbst eine Lehre zu machen. Nach einem Praktikum begann er in einem kurzlebige­n Sternerest­aurant auf Schloss Dyck. Nach dessen Ende entschied er sich, im Hotel weiterzule­rnen – und in dieser Welt ist er bis heute geblieben.Timo Bosch ist zufrieden: „Es ist eine gute Welt.“

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FOTO: ANNE ORTHEN Timo Bosch steht nur noch selten selbst in der Küche. Wenn er es tut, ist es für ihn „ein super Ausgleich“.

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