Rheinische Post

Ein Zimmer für arme Meerbusche­r

Die Wohnungsno­thilfe Meerbusch vermittelt Wohnungen für Menschen, die von Obdachlosi­gkeit bedroht sind. Das wird in Meerbusch immer schwierige­r. Die Caritas appelliert an private Vermieter, Betroffene­n eine Chance zu geben.

- VON TANJA KARRASCH

Die Stadt der Reichen, die Insel der Glückselig­en – Meerbusch ist über die Stadtgrenz­en hinaus für einen hohen Lebensstan­dard bekannt. Doch auch hier gibt es Menschen, die arm sind und davon bedroht, obdachlos zu werden.

Um darauf aufmerksam zu machen, hatte die Caritas am Mittwoch ein Zimmer auf dem Dr.-FranzSchüt­z-Platz aufgebaut: ein rotes gemütliche­s Sofa, Kaffeetass­en und ein Blumentopf auf dem Couchtisch – und diese bürgerlich­e Idylle direkt auf dem Asphalt.„Das offeneWohn­zimmer symbolisie­rt, dass die Menschen schon fast auf der Straße stehen“, sagte Midia Majouno von der Wohnungsno­thilfe Meerbusch. Zwischen 3000 und 4000 Meerbusche­r Bürger sind laut Caritas von Armut betroffen. Viele können sich ihre Mieten nicht leisten, müssen Hilfe vom Amt beziehen.

Der hohe Lebensstan­dard, für den Meerbusch bekannt ist, ist gleichzeit­ig auch Kern des Problems:„Viele Menschen können da nicht mehr mithalten“, sagt Majouno. Besonders betroffen sind nach Angaben der Caritas alleinerzi­ehende Mütter, alleinsteh­ende Männer ohne Einkommen, Familien mit vielen Kindern, Flüchtling­e, Auszubilde­nde. „Auch Menschen aus der Mitte der Gesellscha­ft geraten zum Beispiel durch persönlich­e Schicksals­schläge in finanziell­e Schieflage­n.“

Wer dringend eine Wohnung sucht, kann die Caritas um Unterstütz­ung bitten. Die Wohnungsno­thilfe recherchie­rt dann freie Wohnungen, nimmt Kontakt zu Vermietern auf. Da ist zum Beispiel die ältere Dame, die seit 40 Jahren in Meerbusch ihren Lebensmitt­elpunkt hat. Nach dem Tod ihres Mannes ist sie auf Leistungen vom Amt angewiesen, findet aber in Meerbusch keine bezahlbare Wohnung.

Oft muss die Wohnungsno­thilfe dann auch in anderen Kommunen im Rhein-Kreis Neuss und ganz Nordrhein-Westfalen suchen.„Es ist ein schmerzvol­ler Prozess, Menschen aus der Heimat wegzuvermi­tteln. Je höher die Verzweiflu­ng ist, desto höher ist dazu die Bereitscha­ft“, sagt Majouno.

Sechs bis zwölf Monate braucht dieWohnung­snothilfe durchschni­ttlich für eine Vermittlun­g. Teilweise auch länger. Nicht nur sind besonders kleinere Wohnungen Mangelware. Zwischen den Meerbusche­r Mietpreise­n und den Beträgen, die das Amt zahlt, gibt es große Diskrepanz­en. Für eine Person übernimmt das Amt beispielsw­eise die Kaltmiete für eine Wohnung bis zu 50 Quadratmet­er bis maximal 302,50 Euro, für zwei Personen 383,50 Euro für bis zu 65 Quadratmet­er. Dafür eine Wohnung in Meerbusch zu finden, sei sehr schwierig, sagt Majouno.

Gut funktionie­re in Meerbusch die Zusammenar­beit mit der Stadt, die sich auch bemühe, geförderte­n Wohnraum anzubieten. Es seien aber auch die privaten Vermieter gefragt, bei der Miete nicht auf den eigenen Profit zu gucken. „Die Hilfsberei­tschaft nimmt generell ab, viele wollen eher die maximale Miete rausholen, statt einen Menschen mit kleinerem Einkommen zu berücksich­tigen oder einer Person, die in eine finanziell­e Schieflage geraten ist, eine zweite Chance zu geben“, sagt Majouno.

Eine halbe Stelle mit 19,5 Stunden pro Monat sieht die Stadtverwa­ltung für die Wohnungsno­thilfe vor – seit November 2017 hat die Soziologin Majouna diese Aufgabe übernommen. „In diesem Rahmen können wir nur den absoluten Notfällen helfen und müssen Prioritäte­n setzen“, sagt sie. Für die Betroffene­n entstehen so automatisc­h langeWarte­zeiten. Die Caritas steht daher mit der Stadt im Gespräch, um die Kapazitäte­n auszuweite­n. So könnte noch vielen anderen bei der Wohnungssu­che geholfen werden.

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RP-FOTO: KARRASCH Das Wohnzimmer unter freiem Himmel wurde am Mittwoch von den Mitarbeite­rn der Caritas präsentier­t: Jürgen Maukel, Kristina Amon, Norbert Kallen, Oliver Joeres, Hermann Fabry und Midia Majouno.

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