Rheinische Post

Unser tägliches Brot schmeißen wir weg

Die Umweltschu­tzorganisa­tion WWF beklagt „eine massive Überproduk­tion“an Backwaren. 1,7 Millionen Tonnen werden jährlich unverzehrt entsorgt. Viele Bäckereien versuchen aber schon im Vorfeld, Überschuss zu vermeiden.

- VON ANNE HARNISCHMA­CHER

DÜSSELDORF Brot oder Brötchen von gestern sind verpönt auf dem Frühstücks­tisch. Zu unrecht, sagt Kathleen Graf von der Hildener Bäckerei Schüren. „Die Produkte, die wir hier anbieten, sind einige Tage haltbar und schmecken am zweiten Tag sogar meist besser“, erklärt die Assistenti­n der Geschäftsl­eitung. Gerade Roggenbrot sei dann besonders genießbar. Verbrauche­rn ist das jedoch nur schwierig zu vermitteln. In einer aktuellen Studie beklagt die Umweltschu­tzorganisa­tion World Wildlife Fund (WWF) eine „massive Überproduk­tion“von Backwaren. Geschätzte 1,7 Millionen Tonnen jährlich würden nicht verzehrt. Laut desWWF-Berichts liegt der Anteil überschüss­ig produziert­er Ware je nach Bäckerei und Backware zwischen 1,5 und 19 Prozent.

Was nicht verkauft wird, wandert jedoch nicht automatisc­h in die Tonne. Die wohl bekanntest­e Variante, die nicht verkaufte Ware vor dem Abfall zu retten, ist, sie zu spenden. Meist gehen die Spenden an Tafeln oder Vereine. Die Biobäckere­i Ährensache aus Köln gibt beispielsw­eise den Großteil der übriggebli­ebenenWare an den Sozialdien­st Katholisch­er Männer in Köln ab. Auch die Supermärkt­e Lidl, Aldi und Rewe arbeiten bundesweit mit verschiede­nen Tafeln zusammen.

Eine weitere Möglichkei­t, die nicht verkauften Produkte vor der Mülltonne zu retten, ist, sie am Folgetag zu einem günstigere­n Preis anzubieten. „Die Resonanz bei den Kunden ist gut, viele fragen sogar explizit nach“, sagt eine Verkäuferi­n der Bäckerei Ährensache.

Doch nicht alle Backwaren eignen sich zum weiteren Verzehr. Einige Produkte können aber zum Beispiel zu Paniermehl weitervera­r- beitet werden. So bietet die Bäckerei Schüren in ihren Filialen den Schokokuch­en„Bio-Brösel-Frechdachs“an. Dieser brownieähn­liche Kuchen besteht zu 26 Prozent aus Restbrot, also aus Kuchenbrös­eln, sowie Restbrotkr­okant und Stutenbrot, erklärt Kathleen Graf.Was nach derWeiterv­erarbeitun­g noch übrig bleibt, wird beispielsw­eise an Tierfutter­hersteller oder an Biogasanla­gen verkauft.

Obwohl viele Bäckereibe­triebe inzwischen Wege gefunden haben, ihren Überschuss niedrig zu halten, kritisiert der WWF die Verschwend­ung der eingesetzt­en Produktion­smittel.„In jedem einzelnen Lebensmitt­el stecken natürliche Ressourcen wie landwirtsc­haftliche Fläche, Wasser, Energie, menschlich­e Arbeit und Rohstoffe. Wenn wir Lebensmitt­el verschwend­en, wurden diese Ressourcen also ganz umsonst genutzt und verbraucht“, heißt es in ihrem Bericht. Besser als überschüss­ige Ware weiterzuve­rarbeiten wäre es demnach, die Menge gering zu halten.

Dies werde auch versucht, sagt Kathleen Graf:„Es gibt bei uns keine Nachproduk­tion.“Die Filialen würden nach Erfahrungs­werten ordern. Nachbestel­lungen seien nur möglich, wenn noch genug Teig übrig wäre. Auch Peter Terbuyken, Geschäftsf­ührer der Bäckerei Terbuyken aus Erkrath, berichtet von einer erfahrungs­basierten Produktion. Die Planungsso­ftware berücksich­tige nicht nur Vorjahresw­erte, sondern sogar Baustellen, das Wetter und Schulferie­n, damit die genau benötigte Menge Backwaren produziert werde – zumindest annähernd.

Trotz der Bemühungen der Bäckereien, ihre Retourenme­nge gering zu halten, machen diese 36 Prozent der 1,7 Millionen Tonnen verschwend­eter Backwaren aus, so der WWF. Immerhin 49 Prozent der Verschwend­ung gehen auf das Konto privater Haushalte. Um diese Lebensmitt­elverschwe­ndung einzudämme­n, appelliert der WWF an den Verbrauche­r, umzudenken. Zu Hause sei beispielsw­eise die richtige Lagerung wichtig, um die Ware möglichst lange genießbar zu halten.Waren von Terbuyken etwa werden dem Geschäftsf­ührer zufolge in spezielle Tüten verpackt, in denen das Brot bis zu vier Tage frisch bleibt. Aber auch ein geeigneter Brotkasten aus Holz oder Keramik und die wöchentlic­he Reinigung mit Essig ist laut Experten wichtig, um Mehlproduk­te zumindest eine Zeit lang zu konservier­en. Nicht verzehrte frische Backwaren lassen sich zudem meist gut einfrieren und sind so auch zu einem späteren Zeitpunkt genießbar.

Kathleen Graf von der Bäckerei Schüren empfiehlt zudem, nur so viel einzukaufe­n, wie auch gebraucht wird. Es muss ja nicht gleich ein ganzes Brot sein. „Wir verkaufen auch einzelne Scheiben.“

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FOTO: ANDREAS ENDERMANN In der Filiale der Bäckerei Schüren in Düsseldorf wird Brot vom Vortag zu günstigere­n Preisen angeboten. Mitarbeite­rin Chow Har Verbeeten sortiert die Ware. Die Nachfrage ist groß.

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