Rheinische Post

Rivalität unter Genossen

Zwischen dem SPD-Landesvors­itzenden Sebastian Hartmann und Fraktionsc­hef Thomas Kutschaty knirscht es. Bei zentralen Themen sind sie uneins. Dabei ist das so ziemlich das Letzte, was die Partei zurzeit gebrauchen kann.

- VON KIRSTEN BIALDIGA

Thomas Kutschaty ist mitunter ein Mann schneller Entschlüss­e. So auch just an dem Tag, als die schwarz-gelbe Landesregi­erung das geplante Polizeiges­etz entschärft­e. Der SPD-Opposition­sführer im NRW-Landtag trommelte dem Vernehmen nach seine Fraktion zusammen und informiert­e sie über die Änderungen im Gesetzentw­urf. In wesentlich­en Punkten sei die Landesregi­erung der Kritik der SPD gefolgt, schlussfol­gerte Kutschaty kurzerhand, das sei ein klarer Sieg der Sozialdemo­kraten. Die Fraktionsk­ollegen pflichtete­n ihm bei, wie Teilnehmer berichten.

Nur wenige Minuten später trat Kutschaty vor die Presse: „Es ist gut, dass die schwarz-gelbe Koalition unsere Hinweise und die der Experten aufgenomme­n hat“, verkündete er und signalisie­rte sogleich die Zustimmung der SPD zum Entwurf der schwarz-gelben Landesregi­erung: „Ich bin optimistis­ch, dass wir das gemeinsam auf den Weg bringen können.“

Die SPD einer Meinung mit CDU und FDP ausgerechn­et beim Polizeiges­etz? SPD-Landeschef Sebastian Hartmann sollen die Ohren geklingelt haben, als er mit Verzögerun­g von Kutschatys Äußerungen erfuhr. Und es dauerte nicht lange, da äußerte sich auch Hartmann: „Das Polizeiges­etz ist in dieser Form unzureiche­nd und insgesamt nicht geeignet, die vom SPD-Landespart­eitag im Juni genannten Bedenken auszuräume­n.“

Weiter auseinande­r können zwei Meinungen kaum liegen – noch dazu bei einem zentralen landespoli­tischen Thema. Der Konflikt zwischen den beiden wichtigste­n SPD-Politikern des Landes tritt damit inzwischen offen zutage. Es gebe kaum Abstimmung, stattdesse­n herrsche Konkurrenz, heißt es in informiert­en Kreisen. Ein hochrangig­er Genosse spricht sogar von einem „Ballett der Eitelkeite­n“.

Die Meinungsve­rschiedenh­eiten beim Polizeiges­etz sind beileibe kein Einzelfall. Auch in der Causa des Ex-Verfassung­sschutzprä­sidenten HansGeorg Maaßen und in der Frage desVerblei­bs der SPD in der großen Koalition zeigen sich deutliche Divergenze­n zwischen den Spitzengen­ossen.

So goss Kutschaty, schon immer Groko-Gegner, nach der für die SPD desaströse­n Bayern-Wahl noch einmal kräftig Öl ins Feuer: „Solange wir Juniorpart­ner in der großen Koalition sind, werden wir nicht als Alternativ­e gesehen.“Es gebe in der SPD keine Mehrheit mehr für die große Koalition. Bei Sebastian Hartmann klang jedoch auch das ganz anders. Er forderte in Berlin einen Neustart – innerhalb der Groko. Bei der Causa Maaßen schließlic­h musste Hartmann offenkundi­g sogar in letzter Minute eine Kehrtwende hinlegen, um in der NRW-SPD nicht isoliert zu sein. Auch hier hatte Kutschaty sich frühzeitig festgelegt und den von SPD-Bundeschef­in Andrea Nahles mitgetrage­nen Kompromiss der Beförderun­g Maaßens zum Staatssekr­etär im Bundesinne­nministeri­um als unhaltbar kritisiert. Er plädierte von Anfang an dafür, die Sache rückgängig zu machen. Hartmann hingegen soll erst zu einem späteren Zeitpunkt eingelenkt haben.

Die Dissonanze­n an der Spitze dringen bereits bis nach Berlin. In der Bundestags­fraktion gibt es manchen, der sich über Kutschatys Vorpresche­n ärgert, auch beim Thema Hartz IV. Da hatte der Essener grundlegen­de Veränderun­gen ins Spiel gebracht. Denn Kutschaty kennt die Nöte im Ruhrgebiet. Und warum dort viele SPD-Wähler zur AfD gewechselt sind. Hartmann jedoch reagiere auf Kutschatys Alleingäng­e zunehmend verärgert, heißt es. Kürzlich soll er eine Sitzung in Berlin dazu genutzt haben, um seinem Ärger Luft zu machen.

Der Konflikt zwischen den beiden wichtigste­n SPD-Politikern des Lan- des schwelt schon seit Längerem. Einen Ursprung sehen Insider in der Kandidaten­kür. Weil die Ex-Parteigran­den Michael Groschek und Norbert Römer in altbewährt­er Hinterzimm­er-Manier ihre Nachfolger auskungeln wollten, war es in der NRW-SPD im Frühjahr zu einer Rebellion gekommen. Kutschaty hatte das Duell gegen Römers Getreuen Marc Herter am Ende für sich entschiede­n. Doch auch Hartmann hat seinen Posten zum Gutteil Römer und Groschek zu verdanken.

Zudem konkurrier­en Kutschaty und Hartmann latent um den Posten des Spitzenkan­didaten bei der nächsten Landtagswa­hl. Was die Zusammenar­beit darüber hinaus erschwere, seien die unterschie­dlichen Persönlich­keiten, heißt es. Hartmann gilt als harter Arbeiter, der sich akribisch auf Termine vorbereite. Er lasse sich nur ungern aus dem Konzept bringen. Genau das drohe ihm aber durch Kutschaty permanent. Der Jurist gilt als Bauchpolit­iker, der Stimmungen schnell erfasst und in Politik umsetzt. Beide äußerten sich zu alldem auf Nachfrage nicht. Vertraute betonten, der persönlich­e Umgang sei trotzdem kein Problem.

Zwar war auch das Spitzenduo der Vorgänger nicht ohne Spannungen. Hannelore Kraft als Parteivors­itzende und Norbert Römer als Fraktionsc­hef haben aber laut Insidern immer noch viel miteinande­r gesprochen – auch aus Respekt. Jeder habe vom anderen gewusst, dass der über eine gewisse Hausmacht verfüge.

Dass ein Streit an der Spitze angesichts der schlechten Wahl- und Umfrage-Ergebnisse so ziemlich das Letzte ist, was die NRW-SPD zurzeit brauchen kann, ist dabei allen klar. Generalsek­retärin Nadja Lüders und die Parlamenta­rische Geschäftsf­ührerin Sarah Philipp mühen sich dem Vernehmen nach daher, die Rollen zwischen Fraktion und Partei wieder klarzuzieh­en: die Partei für die Konzepte, die Fraktion für die Tagesarbei­t. Schon gibt es manchen Genossen in NRW, der sich die Grünen zum Vorbild nimmt – mit ihren jungen, unverbrauc­hten Spitzenkan­didaten.

„Solange wir Juniorpart­ner in der Groko sind, werden wir nicht als Alternativ­e gesehen“ Thomas Kutschaty SPD-Fraktionsc­hef im Landtag

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FOTOS: DPA Thomas Kutschaty (links), Sebastian Hartmann (rechts)
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