Rheinische Post

Siemens-Chef sagt Saudis ab

Joe Kaeser spricht nach dem Tod Khashoggis von der „klarsten, aber nicht der mutigsten Entscheidu­ng“. Die Bundesregi­erung stellt nun auch bestehende Rüstungsex­porte infrage.

- VON KIRSTEN BIALDIGA UND MARTIN KESSLER

RIAD Nach längerem Zögern hat der Vorstandsc­hef des Münchner Siemens-Konzerns, Joe Kaeser, seine Teilnahme an der in Riad stattfinde­nden Zukunftsin­vestitions-Initiative der saudi-arabischen Regierung zurückgezo­gen. In einem längerem Schreiben im Portal Linkedin erklärte er, dass seine Entscheidu­ng nicht gegen das Königreich Saudi-Arabien oder dessen Bürger gerichtet sei. Die ungeklärte­n Umstände des Todes des saudischen Journalist­en Jamal Khashoggi im Generalkon­sulat seines Landes in Istanbul hätten ihn in seiner Entscheidu­ng bestärkt. Allerdings hätte Kaeser es „mutiger gefunden“, nach Riad zu reisen und zu diesem Thema zu sprechen. Seine Absage sei wegen der fehlenden Klarheit über den Fall die „klarste, aber nicht die mutigste Entscheidu­ng“.

Die mutmaßlich­e Ermordung des saudischen Medienvert­reters in Istanbul hatte in der ganzen Welt Empörung ausgelöst. Die offizielle Erklärung der saudischen Seite, es handele sich um einen durch eine Schlägerei ausgelöste­n Unglücksfa­ll, hat daran wenig geändert. Die meisten, vor allem westlichen Regierunge­n sehen das nicht als glaubhaft an.

Deutschlan­d stellt unterdesse­n wegen dieses Falls auch die Auslieferu­ng bereits genehmigte­r Rüstungsex­porte an Saudi-Arabien infrage. Das sei jetzt zu prüfen, sagte Regierungs­sprecher Steffen Seibert. Wirtschaft­sminister Peter Altmaier (CDU) erklärte, die Bundesregi­erung bemühe sich um eine einheitlic­he Haltung der EU zu Rüstungsli­eferungen „Nur wenn alle europäisch­en Länder sich einig sind, dann macht dies Eindruck auf die Regierung in Riad“, sagte der CDU-Politiker dem ZDF.

Die schärfste Kritik an der Darstellun­g der Saudis zum Tod Khashoggis kam aus der Türkei. Ein Sprecher der Regierungs­partei AKP sagte, es handle sich um einen komplizier­ten Mord, der „monströs geplant“worden sei.„Man kann sich nur darüber wundern, wie es zwischen 15 jungen, gut trainierte­n Kämpfern und einem 60 Jahre alten Khashoggi, allein und wehrlos, zu einem Faustkampf gekommen sei soll“, sagte der Regierungs­berater Yasin Aktay der türkischen Zeitung„Yeni Safak“.

Siemens-Chef Kaeser unterstric­h, dass er bei seiner Absage auch die Interessen der 2000 Mitarbeite­r seines Konzerns in Saudi-Arabien berücksich­tigt habe. „Es ist unfair, ein ganzes Land für ein Verbrechen zu bestrafen, das einigeWeni­ge begangen hätten“, fügte Kaeser hinzu.

Außer Siemens haben auch viele nordrhein-westfälisc­he Unternehme­n Interessen in Saudi-Arabien. So liege etwa der dortige Umsatz des Essener Stahl- und Investitio­nsgüterkon­zerns Thyssenkru­pp im niedrigen dreistelli­gen Millionenb­ereich. Das Unternehme­n ist am Bau eines Zementwerk­s und einer Düngemitte­lfabrik in diesem arabischen Land beteiligt.

Auch für den Maschinenb­au ist Saudi-Arabien ein interessan­ter Markt. „Vor allem Unternehme­n, die Komponente­n und Anlagen für die Petrochemi­e liefern, haben hier in derVergang­enheit gute Geschäfte gemacht“, sagte der Außenhande­lsexperte desVerband­s des Deutschen Maschinen- und Anlagenbau­s, Alexander Koldau. Allerdings sind nach dem Verfall des Ölpreises und dem Auslaufen wichtiger Projekte die deutschen Maschinene­xporte von etwa zwei auf eine Milliarde Euro pro Jahr gesunken.

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