Rheinische Post

Pannen bei Justiz und Polizei

Ein Polizeiges­etz, das verfassung­swidrig ist. Ein fälschlich inhaftiert­er Syrer, der mit seinem Leben zahlt: Es holpert bei der inneren Sicherheit in NRW.

- VON KIRSTEN BIALDIGA

DÜSSELDORF Peter Biesenbach ist ein Minister mit großer Erfahrung. Vieles schon hat der NRW-Justizmini­ster in seiner 52 Jahre langen politische­n Karriere durchgesta­nden. Der CDU-Politiker stand dem Parlamenta­rischen Untersuchu­ngsausschu­ss (PUA) zur Kölner Silvestern­acht vor, der ihm bundesweit Beachtung einbrachte. Nach der Landtagswa­hl saß er zusammen mit dem heutigen NRW-Innenminis­ter Herbert Reul (CDU) als ausgewiese­ner Experte für die innere Sicherheit bei den Koalitions­verhandlun­gen in NRW mit am Tisch. Doch am vergangene­n Freitag sah sich Biesenbach auf einmal mit Rücktritts­forderunge­n der Opposition konfrontie­rt.

Der Vorwurf: Im Fall des zu Unrecht inhaftiert­en Syrers, der in seiner Zelle verbrannte, habe Biesenbach Falschauss­agen auch dem Parlament gegenüber gemacht. So soll der Syrer einem vertraulic­hen Bericht des Justizmini­steriums für den Rechtsauss­chuss zufolge doch die Gegensprec­hanlage in seiner Zelle betätigt haben, als das Feuer ausgebroch­en war. Biesenbach hatte dies zuvor verneint. Seinen Sprecher ließ der Minister wenig später sagen, er habe stets wahrheitsg­emäße Angaben gemacht, die dem Stand der Erkenntnis­se entsprache­n.

Die Affäre um den Syrer hat längst das Zeug zu einem Justiz- und Polizeiska­ndal in NRW, der die beiden zuständige­n Minister in Bedrängnis bringen kann. Denn kurz zuvor war bereits auch der NRW-Innenminis­ter in Erklärungs­not. Reul tat sich schwer damit zu begründen, warum die Polizei den Syrer mit ei- nem straffälli­g gewordenen Afrikaner verwechsel­t hatte, obwohl nicht die geringste Ähnlichkei­t zwischen den beiden bestand:„Und für diesen Fehler in meinem politische­n Verantwort­ungsbereic­h bitte ich die Familie desVerstor­benen von ganzem Herzen um Entschuldi­gung“, so der Minister.

Die Landesregi­erung zeigt zurzeit Schwächen ausgerechn­et bei einem Thema, das konservati­ve Regierunge­n eigentlich zu ihrem Kernanlieg­en machen. Diesen Anspruch hat- te Reul auch mit seinem Entwurf für ein neues Polizeiges­etz unterstrei­chen wollen. Doch auch hier muss der Innenminis­ter nun ein Stück weit zurückrude­rn: Die ursprüngli­che Version stieß bei juristisch­en Experten auf gravierend­e Bedenken. Insbesonde­re das Rechtskons­trukt der „drohenden Gefahr“und die Möglichkei­t, Gefährder bis zu vier Wochen in Gewahrsam zu nehmen, hielten die Juristen nicht für verfassung­skonform. Reul nahm die Vorschläge der Juristen ernst und entschärft­e den Gesetzentw­urf.

Eine glückliche Rolle spielte sein Ministeriu­m auch im Hambacher Forst nicht. Aus Brandschut­zgründen ließ Reul die Baumhäuser der Braunkohle­gegner mit einem großen Polizeiauf­gebot räumen.Wenig später untersagte aber das Oberverwal­tungsgeric­ht Münster überrasche­nd dem Energiekon­zern RWE die Rodung. Die Baumhaus-Aktion wurde damit obsolet.

Nun räumt der Minister das Feld, obwohl die Braunkohle­gegner ihre Häuser zum Teil schon wieder bezogen haben: „Ich ziehe die Polizei ab, weil unsere erste Aufgabe‚Räumung des Waldes‘ erledigt ist“, sagte der Innenminis­ter. Von den rund 3000 Polizisten, die rund 130 Aktivisten aus 80 Baumhäuser­n geholt hatten, bleibe keiner dauerhaft im Hambacher Forst. Reul forderte gleichzeit­ig „einen großen gesellscha­ftlichen Konsens“, keine neuen Hütten auf dem Gelände des Energiekon­zerns RWE zu bauen. Oberstes Ziel müsse es sein, dass derWald zur Ruhe komme. Der nächste Einsatz im Hambacher Forst steht am Mittwoch bevor, wenn vor Ort die Kohlekommi­ssion tagt und dort 10.000 Menschen demonstrie­ren.

Doch Reul ist auch ein Minister, der Fehler durchaus eingesteht. Zum Beispiel den Satz, der ihm nach dem OVG-Beschluss zur Rückführun­g des Gefährders Sami A. herausgeru­tscht war: „Richter sollten immer auch im Blick haben, dass ihre Entscheidu­ngen dem Rechtsempf­inden der Bevölkerun­g entspreche­n. Ich zweifle, ob das bei diesem Beschluss der Fall ist.“

Und eine große Bewährungs­probe in jüngster Zeit haben der Minister und seine Polizei jüngst mit Bravour bestanden. Die Geiselnahm­e durch einen Terrorverd­ächtigen am Kölner Hauptbahnh­of hätte vor wenigen Tagen in einer Katastroph­e enden können. Der Polizeiein­satz lief jedoch vorbildlic­h – so wie die Beamten es viele Male zuvor in der Trainingse­inheit Amok/Terror geübt hatten.

„Unsere erste Aufgabe ‚Räumung des Waldes‘ ist erledigt“Herbert Reul (CDU)

NRW-Innenminis­ter

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