Rheinische Post

Polens Spaltung vertieft sich

Bei der Regionalwa­hl siegen die Nationalko­nservative­n auf dem Land, die Liberalen in den Städten – richtig zufrieden kann trotzdem keines der Lager sein.

- VON ULRICH KRÖKEL

WARSCHAU Sieger allerorten: Nach der Regionalwa­hl am Sonntag in Polen feierten sowohl die rechtsnati­onale Regierungs­partei PiS als auch das linksliber­ale Opposition­sbündnis KO (Bürgerkoal­ition) ihre Triumphe. „Wir haben zum vierten Mal in Serie beiWahlen gewonnen“, jubelte PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski in der Nacht zu Montag. „Das wird uns Schub geben für die anstehende­n Prüfungen.“Opposition­sführer Grzegorz Schetyna hielt dagegen: „Das ist ein großer Tag für uns. Aber es ist erst der Anfang eines langen Marsches.“

Beide nahmen damit indirekt Bezug auf die wichtigere­n Wahlen in 18 Monaten, wenn in Polen das Parlament und der Präsident gewählt werden. Hinzu kommt die Europawahl im Mai 2019. Für all diese Urnengänge galt die Regionalwa­hl als wichtiger Stimmungst­est. Die PiS siegte in den ländlichen Regionen, die KO in den Städten. Die verfestigt­en Hochrechnu­ngen zeigten am Montag deutlich, dass sich die traditione­lle Spaltung Polens zwischen modernen Metropolen und abgehängte­r Provinz noch verstärkt hat. Die PiS kam landesweit auf rund 33 Prozent der Stimmen und erreichte damit gut sechs Prozentpun­kte mehr als 2014. Die linksliber­ale Opposition erzielte mit 27 Prozent etwa das gleiche Ergebnis wie vor vier Jahren. Diese Zahlen gelten allerdings nur für die 16 Regionalpa­rlamente, die entfernt den deutschen Landtagen vergleichb­ar sind, aber über deutlich weniger Kompeten- zen verfügen. Bei den Bürgermeis­terwahlen in den großen Städten triumphier­te dagegen die KO.

Das galt vor allem für die Hauptstadt Warschau, in der KO-Kandidat Rafal Trzaskowsk­i mit rund 54 Prozent der Stimmen unerwartet gleich im ersten Wahlgang gegen PiS-Herausford­erer Patryk Jaki (31 Prozent) siegte und anschließe­nd über das „gigantisch­eVertrauen“jubelte, das ihm dieWähler entgegenge­bracht hätten. Selbstvers­tändlich war ein solcherVer­trauensvor­schuss keineswegs, denn in den vergangene­n zwölf Jahren hatte die liberale Oberbürger­meisterin Hanna Gronkiewic­z-Waltz durch diverse Skandale viel Misstrauen gesät.

Ähnlich erfolgreic­h war die KO in Posen, Lodz, Lublin, Kattowitz und Breslau. Lediglich in Krakau und Danzig dürfte es zu Stichwahle­n kommen. Viele polnische Kommentato­ren verwiesen darauf, dass es der meist jüngeren und weltoffene­n Stadtbevöl­kerung wichtiger gewesen sei, ein Zeichen gegen die „Alleinherr­schaft der PiS“im Land zu setzen, als liberale Bürgermeis­ter für Fehlverhal­ten abzustrafe­n. Die gemäßigt-konservati­ve Zeitung „Rzeczpospo­lita“nannte den Stimmenzuw­achs der PiS einen„Sieg mit dem Geschmack einer Niederlage“und richtete an Regierungs­chef Mateusz Morawiecki die Frage: „Was nun, Herr Premiermin­ister?“

Genau darauf wird die PiS, die seit 2015 mit absoluter Parlaments­mehrheit regiert und zudem mit Andrzej Duda den Präsidente­n stellt, bald eine Antwort finden müssen, wenn sie ihre Machtposit­ion 2019/20 halten will. Dabei wird sie sich als erstes entscheide­n müssen, wie sie mit ihrem schwierige­n Verhältnis zur EU umgehen will. Die Kommission in Brüssel hat ein Rechtsstaa­tsverfahre­n eingeleite­t, weil die PiS-Regierung die Unabhängig­keit der Justiz und die Pressefrei­heit ausgehöhlt hat. Zuletzt verfügte der Europäisch­e Gerichtsho­f einen Stopp der polnischen Justizrefo­rmen. Die PiS hat darauf inhaltlich noch nicht reagiert. Beobachter erwarten, dass sich dies nach der Kommunalwa­hl ändern wird. Nur wie die Reaktion ausfällt, gilt als offen.

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FOTO: DPA Rafal Trzaskowsk­i (46) wird Bürgermeis­ter von Warschau.

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