Rheinische Post

Das blaue Wunder

Vor 60 Jahren erweckte Zeichner Peyo die Schlümpfe zum ersten Mal zum Leben. Seither haben die blauen Kobolde weltweit Fans gefunden. Jährlich wird mit den Comicfigur­en rund eine Milliarde Euro Umsatz erzielt.

- VON JÖRG ISRINGHAUS

BRÜSSEL Schlümpfe, sang einst der niederländ­ische Barde Vader Abraham, gibt’s soviel wie kaputte Strümpfe. Tatsächlic­h ist die Welt der blauen Kobolde fast so unübersich­tlich wie das Merchandis­ing-Imperium, das sich rund um die Comic-Helden entwickelt hat. Vom Baby-Schlumpf über Papa Schlumpf und Schlumpfin­e bis zum Überraschu­ngsschlump­f mit seinen explosiven Geschenkpa­keten findet jeder Leser etwas für seinen Geschmack – vielleicht auch ein Erfolgsrez­ept der Zipfelmütz­enträger, die am Dienstag ihren 60. Geburtstag feiern.

Von bevorstehe­ndem Ruhestand kann jedoch keine Rede sein. Die vom belgischen Zeichner Pierre Culliford alias Peyo ins Leben gerufenen Schlümpfe sind weltweit längst ein Verkaufssc­hlager mit Einzelhand­elsumsätze­n von jährlich etwa einer Milliarde Euro. „Wir können auf jeden Fall von Globalisie­rung sprechen“, sagt Véronique Culliford, die Tochter von Peyo. Seit dessen Tod 1992 führt sie mit ihrer Mutter und ihrem Bruder seinWerk weiter. Nicht nur in Europa seien die Schlümpfe populär, sagt Culliford, sondern auch in China, Indien, Russland und Lateinamer­ika.

Zum ersten Mal tauchten die Schlümpfe am 23. Oktober 1958 auf, zunächst als Nebenfigur­en im belgischen Comic „Johan et Pirlouit“(Johann und Pfiffikus). Dann widmete Peyo ihnen eine eigene Reihe für ihre Streiche und verrückten Abenteuer. Ein Meilenstei­n beim Siegeszug um die Welt war 1975 der Film „Die Schlümpfe und die Zauberflöt­e“. Zwei Jahre später landete Vader Abraham mit seinem „Lied der Schlümpfe“einen Ohrwurm-Hit, mit dem er sechsmal den ersten Platz der ZDF-Hitparade eroberte. In den 80er Jahren folgte eine TVSerie mit 270 Episoden, die mehrere Emmy-Auszeichnu­ngen erhielt.

All dies legte den Grundstein für den anhaltende­n Erfolg der lustigen Gartenzwer­ge.

Und die Zukunft sieht ebenfalls blau aus: Eine neue Fernsehser­ie soll 2021 veröffentl­icht werden. Auf Facebook haben die Schlümpfe fast 14 Millionen Fans, es gibt bei YouTube mehr als 40 Kanäle mit Videos der Comic-Figuren. Sogar verspeisen lassen sie sich inzwischen: Nach Angaben von Cullifords Firma wird jede Minute irgendwo auf der Welt ein Schlumpf-Fruchtgumm­i gegessen.

Zu verdanken ist der jahrzehnte­lange Erfolg der Schlümpfe zuallerers­t der Leidenscha­ft ihres Erfinders. Peyo widmete sein Leben der Kreation von Comic-Figuren. In den Kindheitse­rinnerunge­n seiner Tochter ist ihr Vater meist am Zeichentis­ch. Dazu kümmerte er sich persönlich umVerträge und das Geschäft mit den Schlümpfen.„Er wurde besessen von den Charaktere­n, weil er alles kontrollie­ren wollte“, erinnert sich seine Tochter. Trotz all der Mühen sei der Erfolg für Peyo – und auch für die Familie – überrasche­nd gekommen.

Bis zu seinem Tod arbeitete Peyo an neuen Zeichnunge­n, Szenen und Geschichte­n. In einem Wald nahe Brüssel soll er sogar einmal seine Mitarbeite­r aufgeforde­rt haben, sich auf den Boden zu legen, um die Welt aus der Schlumpf-Perspektiv­e zu sehen. Auch heute noch werden die Comics wie früher zuerst auf Papier gezeichnet. Erst später verfeinern die Zeichner die Figuren dann am Computer. Sie arbeiten in einem kleinen Büro südlich von Brüssel und versuchen dabei, Peyos Original so nahe wie möglich zu kommen.

Mit dieser Leidenscha­ft ist eine ganz eigene Schlumpf-Welt entstanden, mit ungefähr 100 verschiede­nen Schlümpfen. Darunter lange Zeit nur ein weibliches Wesen: Schlumpfin­e. Dafür hagelte es Kritik. Irgendwann tauchten weitere weibliche Schlümpfe auf – in einem anderen Dorf. ( mit dpa)

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FOTO: IMPS/DPA Der belgische Schlumpf-Erfinder Pierre Culliford alias Peyo.

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