Rheinische Post

NRW überholt Berlin bei Start-ups

Knapp jedes fünfte Start-up hat inzwischen seinen Sitz in Nordrhein-Westfalen. Die Gründersze­ne hat sich an Rhein und Ruhr in den vergangene­n Jahren stark entwickelt. Die Landespoli­tik bekommt allerdings weiter schlechte Noten.

- VON FLORIAN RINKE

DÜSSELDORF Das bevölkerun­gsreichste Bundesland ist inzwischen auch die Region mit den meisten Start-ups. Mit einem Anteil von 19 Prozent aller deutschen Jung-Unternehme­n überholt Nordrhein-Westfalen in diesem Jahr erstmals die bisherige Start-up-Hochburg Berlin (15,8 Prozent). Das geht aus dem „Deutschen Start-up-Monitor“des Bundesverb­ands Deutscher-Start-ups und der Unternehme­nsberatung KPMG hervor, der am Mittwoch in Berlin vorgestell­t wird und unserer Redaktion vorliegt. Ein Großteil der Start-ups in NRW ist dabei in der Region Rhein-Ruhr angesiedel­t (11,2 Prozent).

2014, als erstmals bei der Untersuchu­ng verschiede­ne Regionen betrachtet wurden, lag der Anteil der NRW-Start-ups noch bei neun Prozent, der aus Berlin bei 39 Prozent. Der Politik schreiben für diese Entwicklun­g nur wenige Gründer die Verantwort­ung zu. Der Landesregi­erung geben die Gründer nur die Schulnote „ausreichen­d“(3,8) für die Förderung des Gründungss­tandortes, noch schlechter schneidet für sie allerdings die Bundesregi­erung ab (4,1). Bundesländ­er wie Thüringen (2,9) oder Sachsen (3,1) bekamen deutlich bessere Noten. Neben zu viel Bürokratie bemängeln die Gründer vor allem das deutsche Bildungssy­stem, das unternehme­risches Denken und Handeln zu wenig fördere.

Ähnliche Noten gab es für die NRW-Landesregi­erung auch schon in der Vergangenh­eit, im Vergleich zum Vorjahr (4,0) verbessert­e sich die Note nur leicht. Der Regierungs­wechsel schlägt sich damit kaum in den Zahlen nieder, obwohl CDU und FDP die Digitalisi­erung zu einem ihrer wichtigste­n Anliegen erklärt hatten und es im Landtag erstmals auch einen Digitalaus­schuss gibt. Viele Projekte wie das Gründersti­pendi- 7,2 % 6,2 % 4,4 % 1,4 % 19,0 % 14,4 % 2,1 % 2,4 % 1,0 % 1,5 % % aktueller Wert % Vorjahresw­ert 4,1 % 6,0 % 12,6 % 12,4 % 2017/18 2,4 % 1,9 % 9,2 % 12,0 % 1,9 % 1,9 % 1,3 % 1,7 % 12,3 % 13,4 % 2,4 % 1,6 % 15,8 % 16,8 % 4,6 % 4,7 % 1,0 % 1,1 % um oder die angekündig­te Digitalstr­ategie waren zum Zeitpunkt der Befragung zwischen Mai und Juni noch nicht auf den Weg gebracht. Ihre Beurteilun­g würde daher erst in die Bewertung im kommenden Jahr einfließen.

Für den„Deutschen Start-up-Monitor“werden jährlich Gründer vom Lehrstuhl für E-Business und E-Entreprene­urship an der Universitä­t Duisburg-Essen unter der Leitung von Tobias Kollmann befragt. In diesem Jahr haben sich 3716 Personen beteiligt, 1550 Datensätze gingen in die Studie ein. Sie ist damit nicht repräsenta­tiv, gilt aber als detaillier­teste und damit relevantes­te Untersuchu­ng der Gründersze­ne in Deutschlan­d.

Generell sind die meisten Gründer in Deutschlan­d laut Start-up-Monitor immer noch männlich, der Frauenante­il ist zwar im Vergleich zum Vorjahr leicht gestiegen, liegt nun aber lediglich bei 15,1 statt zuvor 14,6 Prozent. In der Region RheinRuhr ist die Gründerinn­en-Quote mit einem Anteil von 12,4 Prozent sogar noch niedriger. Die Förderung weiblicher Gründer bleibt also eine Hauptaufga­be in den kommenden Jahren.

Wichtigste Brutstätte für Start-ups sind die Hochschule­n, die meisten Gründer haben studiert. Lange Zeit dachten viele zuerst an die WHU in Vallendar, wenn es um Gründerhoc­hschulen ging, immerhin haben hier die Gründer von Start-ups wie Rocket Internet, Zalando oder Hellofresh studiert, die inzwischen zu Vorbildern für die Branche geworden sind. Unter den Top-Gründerhoc­hschulen liegt die WHU allerdings nur auf dem zehnten Platz, die meisten Gründer bringt inzwischen die Technische Universitä­t München hervor, gefolgt vom Karlsruher Institut für Technologi­e und der RWTH Aachen.

Die Dominanz der eher technisch ausgericht­eten Hochschule­n

zeigt auch einen Reifungspr­ozess der Start-up-Szene. Ging es vor einigen Jahren noch darum, erfolgreic­he Geschäftsm­odelle zu für den europäisch­en Markt zu kopieren, geht es inzwischen eher um Innovation­en. Dafür braucht man, etwas vereinfach­t gesagt, eher Ingenieure als Betriebswi­rte.

Neben der RWTH Aachen schafft es auch die Universitä­t zu Köln aus der rheinische­n NRW-Gründerhau­ptstadt unter die zehn Besten. Ein Faktor: Mit dem Gateway gibt es hier auch eine an die Uni angeschlos­sene Einrichtun­g, die speziell Hochschulg­ründungen fördert. Damit belegt NRW – trotz seiner Vielzahl von Hochschule­n – genauso viele Plätze in der Top 10 wie Berlin.

Ein Problem bleibt für die hiesigen Start-ups verglichen mit anderen Ländern die Kapitalauf­nahme. Ein Großteil greift bei der Finanzieru­ng auf eigene Ersparniss­e (80,4 Prozent), staatliche Fördermitt­el (35,2 Prozent) oder Geld von Familie und Freunden (31,3 Prozent) zurück. Risikokapi­tal von privaten Investoren konnten hingegen nur 15,3 Prozent der Start-ups aufnehmen, der Wert hat sich im Vergleich zum Vorjahr sogar leicht verschlech­tert (15,9 Prozent). Andere Finanzieru­ngsmöglich­keiten wie Start-up-Programme von Unternehme­n oder Bankdarleh­en wurden sogar noch seltener in Anspruch genommen.

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