Kennen Sie den heimlichen Lehrplan?
Lehrer-Kolumne Bernd Kowol ist Lehrer an der Gesamtschule in Düsseldorf-Flingern.
Schule könnte der Start zum lebenslangen Lernen sein. Sie könnte mithelfen, die Lust an der eigenen Originalität zu entdecken, sich und andere zu erforschen, das Anderssein als inklusive Bereicherung zu erleben und sein „Ding“in der Welt zu finden. Die Kompetenz für unsere Zukunft wird sein, mit rasanten Veränderungen und Unsicherheiten konstruktiv umgehen zu können. Zusammenarbeit und -halt werden dabei der Garant für Problemlösungen.
Was hält die Bildungspolitik bereit? Wachsende Lehrpläne, die in gleicher oder kürzerer Zeit absolviert werden sollen. In der Lehrerausbildung steht immer noch die gut durchgetaktete Unterrichtsstunde im Fokus, bei der der Lehrer bereits weiß, was am Ende rauskommt. Und dies durch Klingelzeichen beschleunigt, mit nahezu 30 Schülern im Raum, in mehreren unterschiedlichen Fächern und oft mit mehr als hundert verschiedenen Schülern am Tag. Immer zu wenig Etat für mehr Arbeitsräume und Lehrer.
Dass dies eine Quelle permanenten Stresses und bekannter Disziplinprobleme ist, wird niemand bezweifeln. Statt all dies in Frage zu stellen, wird nun der heimliche Lehr- plan wirksam. Wer hier nicht funktioniert, wird umpositioniert. Dafür sorgt unser dreigliedriges Schulsystem. Dass es „bessere“und „schlechtere“Schüler gibt, wäre demnach normal. Dafür sorgen Noten. Konkurrenz statt Wir wird gefördert. Anpassung wie ein Diktat. Zum kritischen Nachdenken kaum Zeit. Acht Milliarden Euro jährlich für Nachhilfe sprechen Bände. Wer sie sich nicht leisten oder sie seinen Kindern nicht selbst geben kann, hat das Nachsehen. Meine Montessori-Gesamtschule wie viele andere Schulen gehen neue Wege. Dabei wissen wir sehr wohl, dass es zum Lernen auch Muße zum ruhigen Kombinieren bedarf. Gehirne funktionieren wie Fallschirme: sie sind nur geöffnet wirksam. Daher ist für uns Beziehungsaufnahme wesentliche Bedingung für das Gelingen von Schule. Projektunterricht fördert das interdisziplinäre nachhaltige Lernen über den jeweiligen Fächerrand hinaus, und Teamarbeit in eigenen Tempi ist nicht nur erlaubt, sondern erwünscht. Noch ist nicht alles so, wie wir es uns wünschen. Wenn ich mich auf Wunsch meiner Schüler in dieser Ferienwoche zur Projektarbeit treffe, scheint gleichwohl die Richtung zu stimmen.