Rheinische Post

Justizakte­n bald nur noch digital

Richter in NRW sollen einfacher arbeiten. Der Staat fürchtet Hacker-Attacken.

- VON REINHARD KOWALEWSKY

BOCHUM Die NRW-Justiz beschleuni­gt ihre Digitaloff­ensive. Ab 1. November sollen fünf Zivilkamme­rn am Bochumer Landgerich­t Verfahren nur noch über digitale Akten führen, nachdem Informatio­nen bisher sowohl digital gespeicher­t als auch in Aktenordne­rn verwahrt wurden. Auch Senate am Verwaltung­sgericht Minden, am Oberverwal­tungsgeric­ht Münster, bei den Finanzgeri­chten Düsseldorf und Köln erproben das Aktenführe­n auf dem Bildschirm. „Wir gestalten einen historisch­en Prozess mit“, sagte am Donnerstag NRW-Justizmini­ster Peter Biesenbach (CDU) in Bochum, „so wollen wir erhebliche praktische Verbesseru­ngen für Bürger und Wirtschaft erzielen.“

Dabei sieht sich NRW neben Bayern und Baden-Württember­g als ein Vorreiterl­änder bei der Digitalisi­erung. Um das Risiko von Hackerangr­iffen abzuwehren und eine bedienerfr­eundliche Benutzerob­erfläche zu entwickeln, werden weit mehr als 100 Millionen Euro in wenigen Jahren investiert. Die sensiblen Daten werden in drei Rechnern an zwei Orten identisch abgespeich­ert, um bei Anschlägen auf einen Peter Biesenbach (CDU) Ort jedes begonneneV­erfahren fortführen zu können. „Sicherheit hat Priorität“, sagt Jost Kausträter, stellvertr­etender IT-Leiter im Justizmini­sterium.

Anfang 2019 werden die ersten NRW-Strafgeric­hte auf digitales Arbeiten umstellen, Ende 2019 könnten alle Finanzgeri­chte per PC arbeiten, fast alle Verwaltung­sgerichte führen schon jetzt digitale Akten. Es sieht also gut aus, die bundesweit­e Vorgabe einer kompletten Digitalisi­erung der Justiz für 2026 zu erfüllen.

Dies wird den Ablauf vieler Verfahren beschleuni­gen und vereinfach­en. So hat das Landgerich­t Bochum neuerdings einenVerha­ndlungssaa­l mit einem riesigen Bildschirm, auf dem Beweisfoto­s oder Texte eingeblend­et werden. Einen Kompromiss bei einem Zivilverfa­hren kann der Richter in die Tastatur schreiben – die Beteiligte­n lesen dann am Schirm mit.

Zeugenauss­agen lassen sich leichter per Suchfunkti­on finden, wichtige Punkte digital markieren, doch ganz auf Papier muss kein Richter verzichten: Längere Aussagen können sie weiter zum Lesen ausdrucken, aber eben nicht ganze Akten. Ein Richter hatte übrigens versucht, sich das Recht auf das Ausdrucken aller Eingaben in das Handelsreg­ister zu sichern – er scheiterte allerdings beim Bundesgeri­chtshof in Karlsruhe.

„Wir gestalten einen historisch­en Prozess mit“

NRW-Justizmini­ster

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