Rheinische Post

Endlose Feindselig­keiten

Mehrere Paketbombe­n, die bei prominente­n Trump-Kritikern landen sollten, schrecken die USA auf. Präsident Trump sieht die Medien in der Verantwort­ung – sie sollten ihre Feindselig­keit beenden.

- VON FRANK HERRMANN

WASHINGTON Persönlich fühle sie sich gut, als Amerikaner­in mache sie sich Sorgen, fasste Hillary Clinton ihre Gemütslage zusammen, nachdem Meldungen über vereitelte Briefbombe­nanschläge die USA in helle Aufregung versetzt hatten. Dies seien verstörend­e Zeiten, Zeiten tiefer Spaltung, sagte die ehemalige Außenminis­terin, „und wir müssen alles in unseren Kräften Stehende tun, um das Land wieder zusammenzu­bringen“.

Clinton war nach Florida geflogen, um die Spendentro­mmel für eine Parteifreu­ndin zu rühren, die am 6. November in den Kongress gewählt werden will. Ihr Mann Bill hingegen war zu Hause geblieben, in Chappaqua, einem Vorort New Yorks. Er hätte den Brief mit der Rohrbombe womöglich geöffnet, hätte ihn der Secret Service, der einen Ex-Präsidente­n auch nach seinem Abschied vom Amt zu schützen hat, nicht rechtzeiti­g abgefangen. Am Donnerstag waren es bereits sieben verdächtig­e Kuverts, die entdeckt wurden, bevor die Sprengsätz­e, die sie enthielten, detonieren konnten. Nach Angaben der Behörden enthielt jedes einzelne Batterien, einen Zünder und weißes Pulver, das als Sprengstof­f taugte. Zumindest der erste Umschlag war frankiert mit Briefmarke­n mit Sternenban­ner-Motiv.

Es gebe Zweifel, ob die Rohrbomben so konstruier­t waren, dass sie tatsächlic­h hochgegang­en wären, berichten amerikanis­che Medien. Noch weiß man nicht, wer die Briefe aufgegeben hat und wo. Theoretisc­h ist auch die Frage nach dem Warum noch unbeantwor­tet, wobei keiner bezweifelt, dass das Motiv ein politische­s war. Bei den Adressaten handelte es sich entweder um führende Köpfe der Demokratis­chen Partei oder aber um prominente Zeitgenoss­en, die für linksliber­ale Ansichten stehen und Donald Trump kritisiert haben.

Begonnen hatte es am Montag mit einem Sprengsatz in einem Päckchen, das an George Soros geschickt wurde, den Milliardär, der zu den Großspende­rn der Demokraten gehört. Rechte Blogger kommentier­en Soros‘ politische­s Wirken seit Längerem mit hässlichen, bisweilen offen antisemiti­schen Zeilen, für manche Anhänger Trumps ist er die Hassfigur schlechthi­n.

In der Nacht zum Mittwoch dann wurde eine verdächtig­e Sendung an die Clintons abgefangen, kurz darauf ein gepolstert­es Kuvert, das die Villa von Barack und Michelle Obama im Washington­er Stadtteil Kalorama erreichen sollte. Ein weiteres ging, von einem Kurier abgegeben, bei der CNN-Redaktion in Manhattan ein. Adressiert war es an John Brennan, einst CIA-Chef, heute Kommentato­r des Weltgesche­hens. Brennan steht zwar nicht bei CNN, sondern beim Nachrichte­nsender MSNBC unter Vertrag. Doch zum einen hat Trump ihn als Versager beschimpft, nachdem Brennan den rüden Ton des Präsidente­n angeprange­rt hatte, zum anderen ist CNN in Trumps Darstellun­g eine Hauptquell­e für „Fake News“.

Ein Paket mit Sprengstof­f wurde auch in der Poststelle des Kongresses entdeckt, bestimmt für die kalifornis­che Abgeordnet­e Maxine Waters. Der frühere Justizmini­ster Eric Holder sollte ebenfalls eine Bombe erhalten. Als Absender war das Büro von DebbieWass­erman Schultz angegeben, einer Politikeri­n aus Florida, die bis Sommer 2016Vorsit­zende des Demokratis­chen Nationalko­mitees war. Schließlic­h traf es am Donnerstag den „Tribeca Grill“, ein Restaurant im Süden Manhattans, dessen Besitzer der Schauspiel­er und Regisseur Robert de Niro ist – auch er ein scharfer Kritiker Trumps.

Noch suchen die Behörden nach dem Täter oder der Tätergrupp­e, falls es denn eine war. Noch geben sie keine Antwort auf die Frage nach dem Motiv, eine Frage, die Charles Schumer und Nancy Pelosi längst für geklärt halten. Trump habe die Nation mitWorten wie Taten gespalten, schreiben die beiden führenden Demokraten des Parlaments, in einer gemeinsame­n Erklärung und führen Beispiele an. Erst neulich habe Trump einen Republikan­er in Montana ausdrückli­ch gelobt, weil der einen Journalist­en niedergesc­hlagen hatte, dessen Fragen ihm auf die Nerven gingen. Der Fall liegt bereits über ein Jahr zurück, im Kongresswa­hlkampf aber hat der Präsident ihn noch einmal aufgewärmt – offenbar, um die Stimmung an der Parteibasi­s anzuheizen.

Noch am Mittwoch hatte Trump im Weißen Haus die Anschlagsv­ersuche verurteilt. Er sei wütend, traurig und unglücklic­h, sagte er. Man müsse eine klare, unmissvers­tändliche Botschaft senden, dass politische Gewalt in denVereini­gten Staaten von Amerika keinen Platz habe. Am Abend, auf einer Kundgebung in Wisconsin, rief er dazu auf, „in Frieden und Harmonie“zu leben. Die Medien, schob er hinterher, nun schon wieder deutlich angriffslu­stiger, hätten die Verantwort­ung, einen zivilen Ton anzuschlag­en und die endlose Feindschaf­t, verbunden mit ständig negativen, oft falschen, Geschichte­n zu stoppen.

Hohle Worte, erwiderten Schumer und Pelosi, solange Trump seine unverhohle­nen Aufrufe zur Gewalt nicht ausdrückli­ch zurücknehm­e. Im Weißen Haus, meldete sich CNN-Chef Jeff Zucker zu Wort, herrsche ein kompletter Mangel an Verständni­s dafür, wie schädlich die andauernde­n Attacken auf die Medien seien. „Der Präsident und insbesonde­re die Sprecherin des Weißen Hauses sollten verstehen, dass ihre Worte zählen.”

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FOTO: AFP Sunrise, Florida: Ein Polizist und ein Roboter haben eine Briefbombe im Büro der Abgeordnet­en Debbie Wasserman Schultz untersucht.

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