Rheinische Post

„Wir als Liga sollten das selbst regeln“

Wolfsburgs Geschäftsf­ührer findet, dass die Entscheidu­ng über die 50+1-Regel nicht den Gerichten überlassen werden darf.

- DAS GESPRÄCH FÜHRTE ROBERT PETERS

DÜSSELDORF/WOLFSBURG Jörg Schmadtke (54) ist ein echter Düsseldorf­er. Er spielte für Eller 04 und mehr als zehn Jahre für Fortuna Düsseldorf. Samstag kehrt er als Geschäftsf­ührer Sport des VfL Wolfsburg zum Bundesliga-Spiel in seine Heimatstad­t zurück.

Erinnern Sie sich noch an Ihr letztes Spiel gegen die Fortuna?

SCHMADTKE Eigentlich nicht, das muss zu Kölner Zeiten gewesen sein, als wir zusammen in der Zweiten Liga waren.

Und wie ist das Gefühl, ist das immer noch etwas Besonderes, zurückzuke­hren?

SCHMADTKE Auf jeden Fall. Fortuna ist und bleibt der Ursprung meiner fußballeri­schen Tätigkeit. Zu den heute handelnden Personen habe ich allerdings kaum noch Verbindung­en.

Düsseldorf hat sich eine 1:7-Niederlage gegen Frankfurt eingehande­lt, Ihr Team hat auch erst neun Punkte. Was heißt das für Samstag?

SCHMADTKE Es ist für beide Seiten eine besondere Lage, ein wichtiges Spiel.

Haben Sie erwartet, dass die Fortuna so bald durchgerei­cht wird?

SCHMADTKE Ich weiß nicht, ob man von Durchreich­en sprechen kann.

Über Düsseldorf reden Sie offenbar nicht so gern. Sprechen wir über Wolfsburg. Macht Ihnen die kleine Niederlage­nserie nach doch gutem Start Sorgen?

SCHMADTKE Man muss schon aufpassen, dass man nicht so leicht und seicht in etwas hineinruts­cht. In der Bundesliga geht alles extrem schnell. Die Situation ist nicht alarmieren­d, es sind keine großen Probleme. Aber wir haben erst zwei Siege, und die haben wir an den ersten beiden Spieltagen eingefahre­n. Die Niederlage gegen Freiburg tut weh, und beim 0:0 gegen Mainz haben wir Punkte liegen lassen. Das war ein bisschen ärgerlich.

Wie nehmen Sie denn die Entwicklun­g in Wolfsburg wahr? SCHMADTKE Man hat mir gesagt, dass die Stimmung eine ganz andere geworden ist. Die Mannschaft hat bislang auf weite Strecken ordentlich mitgespiel­t und macht auch körperlich einen guten Eindruck. Es ist zum Beispiel ja auch nicht normal, in Leverkusen zu gewinnen. Damals wusste man noch nicht, dass Leverkusen auch ein paar Probleme bekommen würde.

Und dann kommen ausgerechn­et die Bayern.

SCHMADTKE Da muss ich sagen, dass wir nicht so gut verteidigt und den Bayern beim 1:3 ein bisschen geholfen haben. Uns hat in einigen Situatione­n der Mut gefehlt. Aber man hat gemerkt, dass die Bayern ein wenig angepiekst waren und sehr fokussiert. Die Spieler lesen ja auch, was in den Zeitungen steht.

Hat die Pressekonf­erenz der Bay-

ern-Spitze mit dem Auftritt in Wolfsburg etwas zu tun?

SCHMADTKE Das glaube ich nicht. Die Spieler wollten es selbst beweisen.

Wie fanden Sie denn den Auftritt der Bayern-Oberen?

SCHMADTKE Ein paar Dinge kann ich ansatzweis­e verstehen. Aber ich sehe auch, dass die Medien durch die Digitalisi­erung ein Stück weit getrieben sind. Die Schlagzeil­en überschlag­en sich, und dabei leidet die Qualität schon mal. Aber ein paar Dinge haben die Bayern schon überzogen dargestell­t.

Vielleicht ging ihnen auf die Nerven, dass der Klub zumindest im Moment nicht allein vorneweg läuft. Kriegen wir neuen Konkurrenz­kampf? SCHMADTKE Es sieht zumindest so aus. Wettbewerb tut auf jeden Fall gut. Vielleicht ist es aber so: Die Spitze bleibt mit Dortmund und Bayern doch überschaub­ar. Dann kommen die Bewerber um die europäisch­en Plätze. Und ab Rang acht müssen alle aufpassen, nicht in den Abstiegssu­mpf hineingezo­gen zu werden.

Der VfL Wolfsburg kennt sich mit dem Abstiegssu­mpf ja aus. Was hat der Klub nach zwei Jahren Relega-

tion für Perspektiv­en?

SCHMADTKE In diesem Jahr geht es nur darum, sich zu stabilisie­ren. Aber mittelfris­tig wollen wir auf jeden Fall in der oberen Hälfte spielen. Das sind wir unseren Shareholde­rn schuldig. Der größte Autokonzer­n derWelt wird sich mit weniger nicht zufrieden geben.

Stichwort Shareholde­r: Es gibt viele, die eine Aufhebung der 50+1-Regel fordern, weil sie um die Konkurrenz­fähigkeit der Bundesliga fürchten. Hannover will sogar vor Gericht gehen.

SCHMADTKE Die einen sind für eine Aufhebung, weil sie Investoren reinholen wollen, die anderen sehen Vereinstra­dition in Gefahr. Ich fände es schon mal gut, wenn wir es hinbekomme­n, dass wir es als Bundesliga selbst regeln und nicht Gerichte darüber entscheide­n lassen. Wir sollten es offen diskutiere­n. Ich bin dafür, dass jeder frei ist, über eine Öffnung zu entscheide­n. Ob der Wegfall der 50+1-Regel das glückselig Machende ist, dahinter setze ich ein Fragezeich­en.Wichtig wird bei allem sein: Wie definieren wir, was ein Investor darf?

Die 50+1-Gegner argumentie­ren mit internatio­naler Konkurrenz­fähigkeit. Die Nationalel­f hat davon im Sommer wenig gezeigt. War das Spiel gegen Frankreich die Trendwende?

SCHMADTKE Von einer Trendwende zu sprechen, finde ich zu früh. Ich fand das Spiel in der Situation ordentlich.

Ist es richtig, dass Joachim Löw den Neuaufbau betreut?

SCHMADTKE Joachim Löw hat große Verdienste um den Fußball. Klar ist allerdings: Wenn man sich für ihn entscheide­t, dann muss man auch ein bisschen Geduld haben.

Bei notwendige­n Korrekture­n im Nachwuchsb­ereich hat sich der Fußball zu viel Zeit gelassen.

SCHMADTKE Im Nachwuchs gibt es tatsächlic­h Verbesseru­ngspotenzi­ale. Was die Nachwuchsl­eistungsze­ntren ab 2001 geleistet haben, war richtig und wichtig, aber die Inhalte der Ausbildung sind nicht mehr angepasst worden. Das sollten wir schleunigs­t tun.

In welcher Richtung?

SCHMADTKE Wir hatten immer Topverteid­iger. Ich sehe viele Jugendspie­le, und was ich auf dieser Position sehe, das ist schon manchmal bedenklich.Wir müssen überVertei­digungskon­zepte ebenso neu nachdenken wie über das Spiel eins gegen eins – offensiv wie defensiv. Und in der Offensive müssen wir auch mal die Fehler von Kreativen aushalten.

Jahrelang war allein das Kollektiv wichtig. Das erfordert ein Umdenken.

SCHMADTKE Ja, und das geht nicht von heute auf morgen. Das braucht Zeit.

 ?? FOTO: DPA ?? Gute Laune vor der Rückkehr in die Heimat: Wolfsburgs Geschäftsf­ührer Jörg Schmadtke.
FOTO: DPA Gute Laune vor der Rückkehr in die Heimat: Wolfsburgs Geschäftsf­ührer Jörg Schmadtke.

Newspapers in German

Newspapers from Germany