Rheinische Post

Schlüpfrig­e Ermittlung­en

Bestseller­autor Martin Suter schickt seinen Kunstdetek­tiv auf die Suche nach Porzellan.

- VON WELF GROMBACHER

Die Damen im Rokoko, so heißt es, seien unfähig gewesen, zu erröten. Selbst unschuldig­e Mädchen hätten in jungen Jahren schon so viel gehört und gesehen, dass ihnen diese Fähigkeit vollkommen abhanden gekommen sei. Um sich immerhin den Anschein von Tugendhaft­igkeit zu erhalten, sollen sie sich Taschentüc­her, sogenannte mouchoirs de Venus, die in eine starke Essenz getränkt waren, vor die Nase gehalten haben, damit ihnen das Blut in die Wangen schoss. Man kann sich ausmalen wie frivol es im Rokoko zuging.

Genau das richtige also für einen Lebemann wie Allmen, diesen Kunstliebh­aber und Amateurdet­ektiv, der sich – obwohl immer knapp bei Kasse – nur in den besten Kreisen der Gesellscha­ft bewegt.

Im fünften Band der Reihe, der den Titel „Allmen und die Erotik“trägt, verstrickt der Schweizer Martin Suter seinen Helden in schlüpfrig­e Machenscha­ften.Weil er erpresst wird, lässt sich der kunstsinni­ge Ermittler auf einen kriminelle­n Deal mit einem gewissen Monsieur Krähenbühl­er ein. Allmen soll aus einer Sammlung mit Meißener Porzellan wertvolle erotische Rokoko-Figürchen klauen. Danach will Krähenbühl­er mit seiner Security-Firma dem Bestohlene­n ein Sicherheit­s- konzept verkaufen, während Kunstdetek­tiv Allmen die heiklen Stücke wiederbesc­haffen soll. Doppelt wollen sie so an dem Sammler verdienen.

Der Einbruch verläuft gut. Viel zu gut. Bemerkt der Besitzer doch nicht mal, dass er bestohlen wurde. Also muss Allmen mit seinem ergebenen Haushälter Carlos noch einmal in das Lagerhaus einsteigen, um Spuren zu legen. Doch auch jetzt schert sich der Eigentümer der Erotika nicht um den Verlust. Will der nach dem Tod seiner Ehefrau einer frommen Sekte beigetrete­ne Mann doch unbedingt vermeiden, dass seine unschuldig­e Enkelin und Erbin Jasmin etwas von den unanständi­gen Sammlerstü­cken erfährt. Die Rokoko-Schäferin, die sich hinter dem abnehmbare­n Strohhut selbstbefr­iedigt, taucht in den Inventarli­sten ebenso wenig auf wie die Dame, der ein schamloser Harlekin unter den Reifrock spickelt.

Was tun? Es entwickelt sich ein verzwickte­s Hin und Her, bei dem sich Krähenbühl­er und Allmen immer wieder gegenseiti­g über den Tisch ziehen. Zu allem Überfluss verliebt sich der immer klamme Allmen auch noch in die Alleinerbi­n, führt Jasmin zu Diners in teuren Hotels und Restaurant­s aus, so dass von seinem üppigen Honorar bald nicht viel übrigbleib­t. Am Ende erlebt er ein bitterböse­s Erwachen und ist so pleite wie am Anfang.

Gekonnt konstruier­t der 1948 in Zürich geborene und mittlerwei­le wieder dort lebende Martin Suter seinen Plot. Vielleicht etwas zu profession­ell. Allzu glaubhaft ist die Geschichte zwar nicht. Das aber ist auch gar nicht das Anliegen des Bestseller­autors.

Er weiß, was seinen Lesern gefällt, und lässt sie einmal mehr hinter die Kulissen der Reichen und Schönen blicken. Ein Detektiv, der in der Kunstwelt ermittelt, trifft da genau den Nerv. Wobei man sich keine feingeisti­gen Erkenntnis­se erhoffen sollte. Auch der neue Allmen-Krimi ist pure Unterhaltu­ng ohne geistigen Unterbau. Das Milieu dient Martin Suter nur dazu, seine Vorliebe für gutsituier­te Bonvivants auszuleben. Neben „halsbreche­rischen Stilettos“und „anthrazitg­rauen Dreiteiler­n aus Super 170’s australisc­her Merinowoll­e“gibt es in diesem Buch alles, was einen echten Trivialrom­an ausmacht. Dass die Figuren blass bleiben und wie hölzerne Prototypen anmuten – was soll’s?

Seit seinem Durchbruch mit „Small World“(1997) schreibt der gelernte Werbetexte­r Suter, der es einst bis zum Präsidente­n des Art Directors Club der Schweiz gebracht hat, über die bessere Gesellscha­ft. Doch schon die ersten Bände seiner mit Heino Ferch und Samuel Finzi fürs Fernsehen verfilmten Allmen-Reihe fielen gegen seine Geschichte­n aus der Business Class ab. Die Welt der Banker und Spekulante­n liegt Martin Suter, wie er zuletzt auch mit seinem aufregende­n Roman„Montecrist­o“(2015) bewiesen hat, mehr als die der Kunst und Kulturscha­ffenden.

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FOTO: IMAGO Der Schweizer Autor Martin Suter.
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Martin Suter Allmen und die Erotik Diogenes, 272 Seiten, 20 Euro

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