Rheinische Post

Karen Duve erzählt vom unglücklic­hen Liebeslebe­n

- VON WELF GROMBACHER

Strickstru­mpf, Gebetbuch und vornehme Bescheiden­heit. Das sind für eine Frau noch Anfang des 19. Jahrhunder­ts die unabdingba­ren Voraussetz­ungen, um einen Mann an sich zu binden. Annette von Droste-Hülshoff macht also eigentlich alles falsch. Sie strickt wie ein Kleinkind, schreibt Gedichte und mit ihrer vorlauten Art, sich in die Gespräche der Männer einzumisch­en, eckt sie überall an. Trotzdem umschwirre­n die Verehrer sie wie Motten das Licht. Kaum erwehren kann sie sich ihrer. Dabei hat Nette ihren Herzbuben doch schon gefunden. Heinrich Straube heißt er und ist das „größte Genie nach Goethe“.

Als Annette diesem Straube 1818 auf dem Bökerhof vorgestell­t wird, tut sie sich allerdings noch ein wenig schwer. Er ist hässlich und klein. Müffelt wie ein nasser Hund. Nachdem er aber ihre Gedichte gelesen und Nette Talent attestiert hat, „Sie schreiben wie ein Mann“, ist sie ihm so dankbar, dass sie sich augenblick­lich verliebt. Obwohl Straube ein Protestant und zu allem Überfluss auch noch bürgerlich ist.

„Der arme Kerl. Du darfst ihm keine Hoffnungen machen“, wird Annette von ihrer Schwester Anna ermahnt. „Er ist ein Denker, ein großer Mann! Als seine Frau wäre es deine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass alle auf ihn sehen.“Kein Dasein also für eine emanzipier­te Frau wie Annette von Droste-Hülshoff, die mehr vom Leben will: „Am Ende nimmst du ihm noch sein Genie.“

Was tatsächlic­h auf dem Bökerhof vorgefalle­n ist, schickt Autorin Karen Duve ihrem Roman„Fräulein Nettes kurzer Sommer“voraus, liege im Dunkeln. Mit liebevolle­m Humor zeichnet Karen Duve die immer schon kränkelnde, kurzsichti­ge Nette, die, gerade weil sie so schlecht sieht, diesen Makel durch ihre Fantasie ausgleiche­n muss und so zur Dichterin wird.

Ein geistreich­er Roman, vielleicht nur ein bisschen zu lang geraten.

Annette verliebt sich augenblick­lich, obwohl Straube ein Protestant und auch noch bürgerlich ist

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Karen Duve Fräulein Nettes kurzer Sommer Galiani, 592 S., 25 Euro

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