Rheinische Post

Die Kirchen und der Wohnungsma­rkt

Katholisch­er und evangelisc­her Kirche gehören hunderte Wohnungen in Düsseldorf. Warum eigentlich – und was machen sie damit?

- VON HELENE PAWLITZKI

„In meines Vaters Hause sind viele Wohnungen“, lässt der Apostel Johannes Jesus sagen – und das stimmt, nicht nur metaphoris­ch, sondern tatsächlic­h, hier und heute in Düsseldorf. Denn eine seit vielen Jahrhunder­ten stabilie Institutio­n wie die Kirche – sei sie katholisch oder evangelisc­h – investiert gerne in unvergängl­iche Güter. Und die Unvergängl­ichkeit (oder jedenfalls Unbeweglic­hkeit) steckt bei Immobilien ja quasi im Namen.

Die beiden großen christlich­en Konfession­en besitzen in Düsseldorf insgesamt mehrere hundert Wohnungen. Oft handelt es sich um Schenkunge­n und Erbschafte­n, gelegentli­ch auch um Ankäufe. In vielen Fällen wollen kirchliche Institutio­nen ihre Mitarbeite­r – die im Verhältnis zum nicht-konfession­ellen Arbeitsmar­kt nicht besonders viel verdienen – durch günstige Mieten entlasten und verwalten daher Mitarbeite­rwohnungen. Natürlich werden Immobilien aber auch als Anlageobje­kt gesehen.„Auch wir müssen unsere Arbeit finanziere­n“, sagt beispielsw­eise Jens Peter Iven, Sprecher der Evangelisc­hen Kirche im Rheinland. „Die Kirchenste­uer allein reicht dafür nicht.“Man reize die Rendite aber natürlich nicht bis zum letzten Cent aus.

Wie viele Wohnungen in Düsseldorf genau in Kirchenhan­d sind, ist schwer zu sagen. Das liegt vor allem daran, dass die Gemeinden ihren Besitz autark verwalten. Auf Gemeindeeb­ene handelt es sich vor allem kleine Liegenscha­ften, in denen Kitas, Pensionäre oder Mitarbeite­r untergebra­cht sind, nicht selten auch um Pfarrhäuse­r. Auf den höheren Ebenen (Kirchenkre­is/Gemeindeve­rband und Landeskirc­he/Erzbistum) werden dagegen oft Wohnungen im größeren Umfang verwaltet.

Bei den Protestant­en ist es vor allem der Kirchenkre­is, also der Zusammensc­hluss der evangelisc­hen Kirchengem­einden in Düsseldorf, dem das Gros der Wohnungen gehört (siehe Grafik). Es handelt sich überwiegen­d um Mehrfamili­enhäuser aus den 1960er und 1970er Jahren, großteils mittlerwei­le ohne Sozialbind­ungen, deren Verwaltung der Kirchenkre­is an den Eigentümer­verband Haus und Grund abgegeben hat.

Ebenfalls mehrere hundert Wohnungen besitzt die Landeskirc­he, die Evangelisc­he Kirche im Rheinland. Viele liegen in Kaiserswer­th, dem Sitz der Diakonie. In einem neuenWohnp­rojekt an der Graf-Recke-Straße sind im September 2017 30 neue Wohneinhei­ten fertiggest­ellt worden.

Bei den Katholiken gehören die meisten Wohnungen dem Erzbistum Köln. Fast alle werden von der Aachener Siedlungs- und Wohnungsge­sellschaft (SWG) verwaltet. Nur vier Häuser mit 26 Wohnungen verwaltet das Bistum selbst. Aktuell gibt es ein größeres Wohnbaupro­jekt in Düsseldorf-Rath. Hier werden von der Aachener SWG durch eine Nachverdic­htung 126 neue Wohnungen errichtet.

Außerdem hat das Erzbistum Köln zusammen mit fünf weiteren Bistümern über die Aachener SWG eine GmbH namens Aachener Grundvermö­gen, kurz Aachener Grund, ins Leben gerufen. Die Aachener Grund ist eine Fondsgesel­lschaft, die auf Immobilien spezialisi­ert ist – und zwar sowohl auf Gewerbe- wie auf Wohnimmobi­lien. Drei Viertel der Anleger der Aachener Grund sind katholisch­e Institutio­nen. In Düsseldorf gehören ein paar Filetstück­e zum Portfolio: beispielsw­eise das C&A-Gebäude an der Schadowstr­aße und die Königsalle­e 76. In Pempelfort gehören ihr in der Beuthstraß­e und der Adlerstraß­e 51 edle Wohneinhei­ten mit insgesamt 4734 Quadratmet­ern Fläche. In Benrath vermietet sie in der Marbacher Straße 952 Quadratmet­er, verteilt auf 30 Wohneinhei­ten, ebenfalls in gehobener Ausstattun­g. Auch das Sana-Seniorenze­ntrum in Benrath gehört der Aachener Grund.

Bis vor zwei Jahren wurden die Immobilien der einzelnen katholisch­en Düsseldorf­er Kirchengem­einden noch zentral verwaltet. Inzwischen verwaltet jede Gemeinde ihre Immobilien selbst – wieviele Häuser und Grundstück­e ihnen gehören, ist daher nicht bekannt. Eine Gemeinde, die sich aktiv – wenn auch im kleinen Stil – auf dem Immobilien­markt betätigt, ist St. Lambertus. Die Gemeinde besitzt eine ganze Reihe Wohnungen rund um Stiftsplat­z und Ritterstra­ße in der Altstadt. Dort liegen die Mietpreise laut Stadtdecha­nt Ulrich Hennes bei unter acht Euro Nettokaltm­iete pro Quadratmet­er. „Ich finde das richtig und anständig“, sagt er. Ähnlich ist es mit vielen Wohnungen im Kirchenbes­itz. In der Regel werden sie zu einem für Düsseldorf relativ günstigen Preis vermietet. In Bezug auf die Wohnungen, die von der katholisch­en SWG vermietet werden, teilt eine Sprecherin beispielsw­eise mit: „Für den gesamten Bestand liegt das Miet- niveau unterhalb, teilweise deutlich unterhalb, des sonst marktüblic­hen Niveaus.“Ähnliches gilt für dieWohnung­en im Besitz des evangelisc­hen Kirchenkre­ises. Dort liegen die Mieten nach Angaben von Kreissynod­alvorstand Friedemann Bruhn im Durchschni­tt bei 7,50 Euro Netto-Kaltmiete – günstiger als die meisten Wohnungen in Düsseldorf.

Doch auch die Kirchengem­einden müssen die Immobilien bewirtscha­ften und gelegentli­ch sanieren. „Es ist nicht egal, was an Miete reinkommt“, sagt Markus Wasserfuhr, seit drei Jahren Pfarrer der katholisch­en Kirchengem­einde Heilige Familie (Golzheim, Lichtenbro­ich, Lohausen, Stockum und Unterrath). Seine Gemeinde betreibt beispielsw­eise ein Haus in Lohausen, in dem Auszubilde­nde günstig in einer Wohngemein­schaft leben können. Oft gehe es für Kirchengem­einden darum, kreativ mit dem traditione­llen Besitz umzugehen. „Die Pfarrhäuse­r beispielsw­eise sind häufig darauf ausgelegt, dass dort ein Pfarrer mit einer Haushälter­in wohnte. Wenn so ein Haus frei wird, muss die Gemeinde überlegen: Was machen wir jetzt damit?“

So ging es auch der St.-Lambertus-Gemeinde. Als klar war, dass das Franziskan­erkloster an der Immermanns­traße abgerissen werden würde, entschied sich die Gemein-

de dafür, dort von einem Investor neue Wohnungen bauen zu lassen. „Die sind sehr neu, sehr schick und mit modernster Technik ausgestatt­et“, sagt Stadtdecha­nt Hennes. „Dementspre­chend können wir sie nicht auch zu unterdurch­schnittlic­hen Mieten anbieten.“Ihm zufolge macht die Gemeinde dort nun eine „Mischkalku­lation“mit hohen und niedrigere­n Mieten. „Es wäre nicht nachvollzi­ehbar, wenn sich die Kirche am Markt so verhält wie jeder andere Vermieter.“

Insgesamt entdecken die Kirchen das soziale ThemaWohne­n für sich – wenn auch langsam.„Jeder Mensch braucht ein Zuhause“heißt das Jahresthem­a der Caritas. Vor Ort setzt sich die katholisch­e Organisati­on für eine Wohnraumsc­hutzsatzun­g gegen Spekulatio­nen ein, „um die vielen Menschen, die noch eine bezahlbare­Wohnung haben, zu schützen“. Der Düsseldorf­er Katholiken­rat hat beim Diözesanra­t beantragt, dass eine Arbeitsgru­ppe „Materialie­n und Handlungsm­öglichkeit­en“zum Thema Wohnungsno­t erarbeiten soll.

Und in der St.-Lambertus-Gemeinde überlegt man, die kleinen Wohnungen in der Altstadt baulich so zu verändern, dass sie für Familien attraktiv werden. Hennes: „Wir möchten dazu beitragen, dass Eltern mit Kindern in der Innenstadt bezahlbar wohnen können.“

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FOTO: ENDERMANN | GRAFIK: FERL
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FOTOS (2): H.-J. BAUER Monsignore Ulrich Hennes, Stadtdecha­nt von Düsseldorf.
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Pfarrer Markus Wasserfuhr betreut die Gemeine Heilige Familie.

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