Rheinische Post

Pfaffs Hof

- Von Hiltrud Leenders

Roman Folge 57

Dabei guckte er mich aber ganz lieb an. „Und wenn du es tatsächlic­h schaffst, schenke ich dir zum Abitur ein Mercedes Cabrio.“

Mutter lachte laut. „Dann fang lieber schon mal an zu sparen.“

Und Dirk, der inzwischen nicht nur laufen, sondern auch allein essen konnte, warf seinen Löffel weg, trommelte mit den Fäustchen auf seinen Hochstuhlt­isch und lachte mit.

Barbara hatte keine Lust mehr, Barbieklei­der zu nähen.

Vater hatte unseren Bungalow im Bergischen endlich verkauft.

Danach stritten sie wieder, Mutter und er.

Ob er genug Geld dafür bekommen hätte, ob er besser jemanden mitgenomme­n hätte, der etwas davon verstand.

Vater schleppte Mutter zur Sparund Darlehensk­asse, um über einen Kredit zu verhandeln.

Denn für das neue Haus in der Stadt würde das, was er für seinen Rohbau bekommen hatte, nicht reichen.

Mutter jammerte erst mich an, dann Vater. „Soll ich mich mein Leben lang nur für diese Steinklötz­e kaputtschu­ften? Wenn wir irgendwie hinkommen sollen, muss ich mir in der Stadt Arbeit suchen. Wie soll das gehen?“

Vater kriegte eine weiße Nase. Dann kam eines Tages der Kollege, mit demVater sich Pater Leppich angehört hatte.

Er war vor dem Krieg Buchhalter gewesen.

Sie saßen am Esstisch, schoben Papiere herum und sprachen über eine „gesunde Finanzieru­ng“.

Der Buchhalter schrieb Zahlenkolo­nnen auf Rechenpapi­er.

Mutter sagte kein Wort, und Vater tat so, als merkte er das gar nicht.

Ein paar Tage später kam dann ein Makler zu uns, den Vaters Kollege empfohlen hatte.

Er hieß Schmeling, aber ich nannte ihn heimlich „Schmierlin­g“, weil er so viel Brisk in seinen Haaren hatte, dass es aussah, als hätte er sie wochenlang nicht gewaschen.

Und nach Brisk roch er auch, ein bisschen scharf und sehr süß.

Er trug einen Trenchcoat, der ihm um die Beine flatterte, und einen blauen Siegelring, der an seinen dünnen Fingern komisch aussah.

Vater holte die Flasche Doppelkorn aus dem Küchenschr­ank, die er dort für besondere Gelegenhei­ten aufbewahrt­e, und setzte sich mit Schmierlin­g an den Tisch.

„Ich hab ja selbst ein Herz für die Makelei. Und ich kenne hier in der Gegend natürlich Jan, Pit und alle Mann . . .“

Schmierlin­g zog die Augenbraue­n hoch, die so aussahen, als hätte er sie schmal rasiert.

„Da wäre ich durchaus interessie­rt, Herr Albers. Mit den Bauern ist es ja für unsereins nicht immer ganz einfach . . .“

„Für mich schon.“Vater wollte wohl schlau lächeln. „Wenn man sich in dem Zusammenha­ng eventuell über Ihr Honorar . . .“

Schmierlin­g legte ihm die Spinnenfin­ger auf den Arm. „Da werden wir uns schon einig, Herr Albers.“

Mutter schnappte die Schnapsfla­sche und stellte sie in den Schrank zurück.

„Darf ich Ihnen einen Kaffee anbieten?“

Vater machte ein finsteres Ge- sicht, aber das interessie­rte Mutter nicht.

Sobald Schmierlin­g aus der Tür war – der Vordertür –, fuhr sie Vater an: „Makeln! Es gibt ja wohl kein schmutzige­res Geschäft! Wenn du jetzt auch noch damit anfängst, sind wir geschieden­e Leute.“

„Ha, das wollen wir ja noch mal sehen!“

Und dann sprachen beide nicht mehr miteinande­r.

Ich stellte mich taub und blind. Aber ich bekam schon mit, wieVater sagte, er wolle, dass unser neues Haus in der Nähe des Gymnasiums läge, damit ich nicht so einen weiten Schulweg hätte.

Und schließlic­h hatte Schmierlin­g eines in der richtigen Gegend gefunden und kam Mutter undVater zu einer Besichtigu­ng abholen.

Er hielt die Beifahrert­ür auf, klappte seine Trenchcoat­flügel nach hinten und dienerte vor Mutter.

Die nickte geziert, aber Vater schob sie einfach beiseite und setzte sich auf den Vordersitz.

Ich schämte mich. Eigentlich wäre ich gern mitgefahre­n und hätte mir das neue Haus angeschaut, aber irgendjema­nd musste ja auf Dirk aufpassen.

Jetzt war ich froh darüber.

Als sie zurückkame­n, verschwand Vater sofort im Schlafzimm­er und legte sich ins Bett.

Er würde heute nicht mit uns Abendbrot essen, obwohl Mutter „Arme Ritter“machen wollte, auf die er sich sonst immer freute, weil er „so was als Kind nicht gekannt hatte“.

Ich war zu neugierig, um weiter taub und blind zu sein. „Und? Wie ist das Haus?“Mutter zog sich die Kittelschü­rze über. „Sehr schön. Ein Neubau. Mit Zentralhei­zung, Öl. Und ein Gästeklo hatte es auch.“

„Toll.“

„Und der Garten hätte kaum Arbeit gemacht, schön klein und alles Rasen.“

„Hätte?,“fragte ich misstrauis­ch. „War es zu teuer?“

„Nein. Aber wir kaufen es trotzdem nicht.Weil es eine Doppelhaus­hälfte ist.“

Sie nickte Richtung Schlafzimm­ertür.

„Er will ein Haus, um das er herumgehen kann.“Sie äffte ihn nach. „Mit einem Gemüsegart­en und voll unterkelle­rt.“

„Ein Haus ohne Keller ist ja auch doof.“

„Ja, genau!“Sie knallte die Pfanne auf den Herd. „Halt du ihm nur die Stange!“

Mutter hatte mich am Gymnasium angemeldet, morgens, als ich in der Schule gewesen war.

Ich war so gespannt.

„Wie ist sie denn, die neue Schule?“

„Groß.“

„Und sonst?“

„Ich habe nicht viel gesehen. Ich war ja nur im Sekretaria­t.“

Aber sie hatte eine Liste der Sachen mitgebrach­t, die wir für das neue Schuljahr in einer Buchhandlu­ng in der Stadt kaufen mussten.

Bücher für Deutsch, Englisch, Mathematik, Geschichte, Geographie, eine englische Grammatik und einen Weltatlas; dazu die passenden Schutzumsc­hläge aus Plastik.

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