Nennt mich nicht internetsüchtig
„So süchtig machen Whatsapp, Instagram und Co.“Wenn ich Überschriften wie diese lese, werde ich leicht aggressiv. Denn: Die Studien dahinter sind aus meiner Sicht oft fragwürdig. 2,6 Prozent der Jugendlichen zwischen 12 und 17 Jahren erfüllen, nach besagter Studie, die Kriterien für eine Abhängigkeit nach der in den Niederlanden entwickelten „Social Media Disorder Scale“. Das ist eine Umfrage, anhand welcher getestet wird, ob jemand suchtähnliches Verhalten in Bezug auf seine Internetnutzung aufweist.
Im Internet kann ich zahlreiche Tests machen, um herauszufinden, ob ich auch zu den 2,6 Prozent der Süchtigen gehöre oder vielleicht doch zu den 97,4 Prozent der Nicht-Süchtigen. Im Übrigen ist das ein Prozentsatz, bei dem in anderen Zusammenhängen von fast allen gesprochen werden würde. Bei dem Test werde ich gefragt, ob mein Nutzungsverhalten zu Streit führt. 22 Prozent der von der DAK befragten Jugendlichen stimmten dem mit„manchmal“bis „sehr häufig“zu. Das ist nur logisch.
Wenn meine Eltern mein Gesurfe sehen, dann haben sie Angst, weil sie nicht verstehen, was ich da tue. Würde ich ein Buch lesen oder Sport treiben, wäre das etwas anderes. Außer, und nun kommt der Punkt, von dem ich glaube, dass er ausschlaggebend für die Aussagen der 22 Prozent war: Die Nutzung des Internets verhindert, dass Hausaufgaben oder ähnlich „Sinnvolles“gemacht werden. Das bedeutet, es gibt Streit, weil etwas verhindert hat, dass ich mich nützlich gemacht habe. Die Ursache dafür ist vermutlich nebensächlich. Würde ich in derselben Zeit lieber einen Fußball gegen die Wand kicken, Ponys streicheln oder malen, würden meine Eltern ebenso kopfstehen, in der Angst, ich könnte die Schule vernachlässigen oder sie. Es liegt also wie so häufig nicht am Medium.
Noch etwas irritiert: Niemand wird von Sucht sprechen, wenn ich angebe, acht Stunden am Computer zu arbeiten. Selbst wenn ich bei jedem Server-Problem, bei jedem „Diese Website ist zurzeit leider nicht verfügbar“und jeder Warnmeldung, mein E-Mail-Postfach wäre bald voll, nervöse Zuckungen bis Wutanfälle bekomme.
Dieselbe Zeit vor Instagram wäre höchst alarmierend. Dieselbe Reaktion, wenn Instagram down ist, wäre ein Indiz, mich einzuliefern. Solche Unterschiede werden in den meisten Tests, die ich online machen kann, aber nicht getroffen. Die von der DAK befragten Jugendlichen wurden immerhin konkret nach verschiedenen sozialen Netzwerken gefragt. Ob sie beiWhatsapp aber Papi nach dem Einkaufszettel gefragt haben oder sich in die Welt eines anderen vertiefen, interessiert niemanden. Die reine Nutzungsdauer sagt im Fall der Internetnutzung nichts über süchtig oder nicht süchtig aus.