Rheinische Post

Nennt mich nicht internetsü­chtig

- Katharina Rabeler

„So süchtig machen Whatsapp, Instagram und Co.“Wenn ich Überschrif­ten wie diese lese, werde ich leicht aggressiv. Denn: Die Studien dahinter sind aus meiner Sicht oft fragwürdig. 2,6 Prozent der Jugendlich­en zwischen 12 und 17 Jahren erfüllen, nach besagter Studie, die Kriterien für eine Abhängigke­it nach der in den Niederland­en entwickelt­en „Social Media Disorder Scale“. Das ist eine Umfrage, anhand welcher getestet wird, ob jemand suchtähnli­ches Verhalten in Bezug auf seine Internetnu­tzung aufweist.

Im Internet kann ich zahlreiche Tests machen, um herauszufi­nden, ob ich auch zu den 2,6 Prozent der Süchtigen gehöre oder vielleicht doch zu den 97,4 Prozent der Nicht-Süchtigen. Im Übrigen ist das ein Prozentsat­z, bei dem in anderen Zusammenhä­ngen von fast allen gesprochen werden würde. Bei dem Test werde ich gefragt, ob mein Nutzungsve­rhalten zu Streit führt. 22 Prozent der von der DAK befragten Jugendlich­en stimmten dem mit„manchmal“bis „sehr häufig“zu. Das ist nur logisch.

Wenn meine Eltern mein Gesurfe sehen, dann haben sie Angst, weil sie nicht verstehen, was ich da tue. Würde ich ein Buch lesen oder Sport treiben, wäre das etwas anderes. Außer, und nun kommt der Punkt, von dem ich glaube, dass er ausschlagg­ebend für die Aussagen der 22 Prozent war: Die Nutzung des Internets verhindert, dass Hausaufgab­en oder ähnlich „Sinnvolles“gemacht werden. Das bedeutet, es gibt Streit, weil etwas verhindert hat, dass ich mich nützlich gemacht habe. Die Ursache dafür ist vermutlich nebensächl­ich. Würde ich in derselben Zeit lieber einen Fußball gegen die Wand kicken, Ponys streicheln oder malen, würden meine Eltern ebenso kopfstehen, in der Angst, ich könnte die Schule vernachläs­sigen oder sie. Es liegt also wie so häufig nicht am Medium.

Noch etwas irritiert: Niemand wird von Sucht sprechen, wenn ich angebe, acht Stunden am Computer zu arbeiten. Selbst wenn ich bei jedem Server-Problem, bei jedem „Diese Website ist zurzeit leider nicht verfügbar“und jeder Warnmeldun­g, mein E-Mail-Postfach wäre bald voll, nervöse Zuckungen bis Wutanfälle bekomme.

Dieselbe Zeit vor Instagram wäre höchst alarmieren­d. Dieselbe Reaktion, wenn Instagram down ist, wäre ein Indiz, mich einzuliefe­rn. Solche Unterschie­de werden in den meisten Tests, die ich online machen kann, aber nicht getroffen. Die von der DAK befragten Jugendlich­en wurden immerhin konkret nach verschiede­nen sozialen Netzwerken gefragt. Ob sie beiWhatsap­p aber Papi nach dem Einkaufsze­ttel gefragt haben oder sich in die Welt eines anderen vertiefen, interessie­rt niemanden. Die reine Nutzungsda­uer sagt im Fall der Internetnu­tzung nichts über süchtig oder nicht süchtig aus.

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