Kritik an Laschet nach Kölner Diesel-Urteil
Der NRW-Ministerpräsident hat Fahrverbote als rechtswidrig bezeichnet. Nun ordnet ein Gericht sie für Köln und Bonn an.
KÖLN Nach dem Urteil des Verwaltungsgerichts Köln zu Fahrverboten für Diesel-Fahrzeuge in Köln und Bonn gibt es heftige Kritik an der Landesregierung und speziell an NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU). „Herr Laschet opfert die Lungen der Bürger in den stark belasteten Städten den Profitinteressen der Automobilindustrie“, kritisierte der Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, Jürgen Resch, die gegen die geltenden Luftreinhaltepläne geklagt hatte.
Laschet hatte stets betont, dass er Fahrverbote für unverhältnismäßig hält. Er hat sie in der Vergangenheit sogar als rechtswidrig bezeichnet. In der Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Köln verwies der Vorsitzende Richter Michael Huschens allerdings auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom Februar, das Diesel-Fahrverbote für grundsätzlich zulässig erklärt hat. Zudem gälten die EU-Grenzwerte für Stickoxide schon seit 2010 und würden seither von den Städten gerissen. „Das Kind liegt seit neun Jahren im Brunnen“, sagte Huschens. Und je länger es im Brunnen liege, desto härtere Maßnahmen müssten ergriffen werden.
Konkret bedeutet dies, dass in Köln ab April 2019 in der örtlich geltenden grünen Umweltzone ein Fahrverbot für ältere Diesel-Fahrzeuge mit der Schadstoffnorm Euro 4 sowie Benziner mit der Schadstoffklasse Euro 1 und 2 eingeführt werden muss. Ab September 2019 sind dann auch Diesel-Fahrzeuge mit Euro-5-Plakette betroffen. Damit würde ein flächendeckendes Fahrverbot erstmals eine Millionenstadt in Deutschland treffen. Die parteilose Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker sprach nach dem Urteil von„gravierenden Einschränkungen in den Alltag vieler, die auf ihr Automobil angewiesen sind“.
In Bonn muss es laut Urteil Fahrverbote für ältere Diesel und Benzi- ner auf einzelnen Strecken geben. Diese sollen ebenfalls ab April 2019 gelten und teilweise auch direkt Euro-5-Diesel umfassen.
Die Landesregierung kündigte an, Berufung gegen das Urteil einzulegen.„Es handelt sich um einen massiven Eingriff in die Verkehrsstruktur der Stadt Köln mit ganz erheblichen Auswirkungen für Anwohner, Pendler und den gesamten Wirtschaftsstandort“, sagte NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU). Aus ihrer Sicht wurde bei dem Urteil die Verhältnismäßigkeit nicht ausreichend dargelegt. Ministerpräsident Armin Laschet wollte sich auf Anfrage nicht äußern.
Dafür übte die Opposition scharfe Kritik an der schwarz-gelben Regierung. „Armin Laschet hat lange die Nachrüstung der Dieselfahrzeuge aktiv bekämpft. Jetzt muss er endlich ein schlüssiges Konzept vorlegen und sich nicht länger wegducken“, forderte Thomas Kutschaty, SPD-Fraktionsvorsitzender im NRW-Landtag: „Das Urteil ist zum wiederholten Mal eine schallende Ohrfeige für den Umgang der Landesregierung mit der Problematik.“Für Arndt Klocke, den Fraktionsvorsitzenden der NRW-Grünen, wurde Laschets „Verweigerungshaltung auf dem Rücken der Menschen“vom Gericht abgestraft.
Bereits in der kommendenWoche drohen weitere Fahrverbote in NRW. Dann verhandelt das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen eine weitere Klage der Deutschen Umwelthilfe. Diesmal geht es um die Luft in Essen und Gelsenkirchen. Doch auch andere Städte wie Dortmund, Bochum und Düsseldorf stehen unter Beobachtung.
Der Vorsitzende des Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, fordert deshalb eine Änderung der gesetzlichen Regelungen.„Die Bundesregierung muss dringend – wie geplant – das Bundesimmissionsschutzgesetz ergänzen, wonach ein Fahrverbot in der Regel nicht verhängt wird, wenn die Grenzüberschreitung nicht mehr als zehn Mikrogramm pro Kubikmeter Luft im Jahresmittel beträgt“, sagte Landsberg:„Damit blieben bis zu 50 Städte von Fahrverboten verschont.“Auch Bonn gehöre dazu.
Der Tod des Diesels sei mittelfristig schlecht für die Städte. „Denn dann diskutieren wir demnächst nicht über Stickoxid, sondern über Feinstaubbelastung und CO2“, so Landsberg. Moderne Diesel-Fahrzeuge seien in ihrer Umweltbilanz deutlich besser als Benziner.
Auch die deutschen Hersteller wollen den Diesel retten und sind daher zu weiteren Zugeständnissen bereit. In Berlin sagten Vertreter der deutschen Auto-Konzerne zu, unter Umständen auch Hardware-Nachrüstungen älterer Diesel-Fahrzeuge in besonders betroffenen Städten mit bis zu 3000 Euro zu unterstützen.
KÖLN Seinen Humor hat der Vorsitzende Richter Michael Huschens angesichts des ernsten Themas Diesel-Fahrverbote nicht verloren. Als der Anwalt der Klägerin Deutsche Umwelthilfe, Remo Klinger, an das Gericht appelliert, was in anderen Städten gelungen sei, müsse doch auch in der Domstadt möglich sein, antwortet der Richter trocken: „In Köln ist vieles anders.“
Alles aber dann doch nicht. Als Huschens nach insgesamt fünf Stunden Verhandlung seine Entscheidung verkündet, ist das Urteil eindeutig: Fahrverbote in Bonn und Köln. Wenig später dann die Nachricht aus Berlin: Bei einem Treffen einigen sich Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer und Vertreter der deutschen Autohersteller auf einen Kompromiss. Bis zu 3000 Euro zusätzlich wollen BMW, Mercedes undVolkswagen für ältere Diesel-Fahrzeuge als Zuschuss bereitstellen, unter anderem für Hardware-Nachrüstungen.
Auch hier waren mehr als fünf Stunden nötig, bis es zu einer Einigung kam. Denn die Fronten waren bis zuletzt verhärtet. Daimler und Volkswagen hatten zwar signalisiert, grundsätzlich zu Nachrüstungen bereit zu sein – allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen. BMW-Entwicklungsvorstand Klaus Fröhlich betonte hingegen auch nach der Veranstaltung noch einmal, dass er Hardware-Nachrüstungen für ungeeignet hält. Eine Einigung gab es dennoch.
Zunächst wollen die Hersteller laut Andreas Scheuer die Umtauschaktionen, bei denen sie neue Modelle mit hohen Zuschüssen in den Markt bringen, weiter vorantreiben.„Das sind Maßnahmen, die sofort wirken“, so Scheuer: „Für die nach den Umtausch-Aktionen verbleibenden Euro-5-Diesel wird es herstellerspezifische Maßnahmen geben.“Pro Fahrzeug würden die Hersteller bis zu 3000 Euro an Zuschuss zusagen. Das ist in etwa die Summe, die Experten für den Umbau der Abgasreinigung bei Diesel-Fahrzeugen kalkulieren.
In einer Mitteilung des Verbands der deutschen Automobilindustrie (VDA) klingt das etwas kryptischer. Erst 2021 werde mit Hardware-Lösungen zu rechnen sein, heißt es. Für die Zeit nach 2020 würden die drei deutschen Hersteller allerdings sicherstellen, dass Kunden mit Euro-5-Diesel-Altfahrzeugen durch herstellerspezifische Angebote mobil bleiben können. „Dazu können auch Hardwarenachrüstungen zählen“, teilte der VDA mit: „Die drei Unternehmen sagen fahrzeugbezogen bis zu 3000 Euro für Mobilitätslösungen in den Intensivstädten zu.“Dem Vernehmen nach wollen VW und Daimler Hardware-Nachrüstungen finanzieren oder zumindest unterstützen, während BMW das Geld eher auf einen Neukauf anrechnen will.
Zu den 15 Intensivstädten, in denen der Stickoxid-Grenzwert von
40 Mikrogramm besonders deutlich überschritten wird, zählt neben Köln und Stuttgart auch Düsseldorf. Dort ist man auch nach dem Berliner Kompromiss nicht zufrieden. „Es ist extrem unbefriedigend, wie sich die Hersteller einen schlanken Fuß machen“, sagt Düsseldorfs Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD). Die Regierung habe sich ohne Not in die Rolle eines Bittstellers begeben. Er fordert klare Fristen für eine Hardware-Umrüstung, um schnell die Luftbelastung zu senken und Fahrverbote zu vermeiden.
In vielen Rathäusern ahnt man, dass es auch schon bald die eigene Stadt treffen könnte. „Das Urteil zeigt, dass das Thema Fahrverbot auch für Essen näher rückt“, sagt Thomas Kufen, Oberbürgermeister der Stadt Essen, deren Fall in der kommenden Woche vor Gericht verhandelt wird.„Als Kommune tun wir alles dafür, um die Luftqualität in unserer Stadt zu verbessern“, sagt er: „Fahrverbote sind in einer Stadt wie Essen nicht zielführend, weil sie die Probleme nur verlagern, aber nicht lösen. Bund und Land müssen dringend zielführende Lösungen bieten.“