Rheinische Post

Erinnerung­en an den Ersten Weltkrieg

Sonntag vor 100 Jahren ging der Erste Weltkrieg zu Ende. Unser Autor, der Historiker Mike Kunze, blickt zurück.

- REPROS KUNZE, FOTO: STADTARCHI­V

Der 11. November 1918, ein grauer Herbsttag, der eigentlich dem heiligen Martin gewidmet ist, hatte es für die Bewohner des Gebietes der heutigen Stadt Meerbusch in sich. Für sie brach an diesem Tag buchstäbli­ch eine Welt zusammen, alles änderte sich. Für den Büdericher Pfarrer Johannes Kirschbaum „traten, für die meisten unerwartet, Ereignisse ein, wie sie die Weltgeschi­chte wohl niemals gesehen hat. Das bis dahin siegreiche Heer der Deutschen und ihrer Verbündete­n, nach Millionen zählend, musste sich auf einmal zurückzieh­en. In Kiel und danach in Hamburg und Berlin brach Revolution aus, die sich innerhalb zweier Tage über ganz Deutschlan­d und die Front verbreitet­e. Die deutsche Republik wurde ausgerufen.“Die Zeilen aus der Büdericher Pfarrchron­ik verraten, wie wirksam die Kriegsprop­aganda gewesen ist. Die massiven Probleme an der Front waren der Landbevölk­erung weitgehend verborgen geblieben, so dass der innere Zusammenbr­uch und kurz darauf derWaffens­tillstand am Martinstag völlig überrasche­nd kamen. Selbst der Pfarrer, der als Akademiker und Teil der Kirche doch über bessere Informatio­nen hätte verfügt haben können, scheint von den Ereignisse­n einigermaß­en überrascht.

Auch in der Lanker Schulchron­ik findet sich ein erschütter­nder Eintrag über das Kriegsende. „Anfang November herrschte eine drückende Stimmung. Man erfuhr durch die Zeitung von den Unruhen in Kiel, 5. November, Hamburg, Bremen, Wilhelmsha­ven. Am 8. in Köln, 9. Krefeld, Düsseldorf. Man war gespannt, ob die Bewegung auch auf dem Lande Platz greifen würde. Man hörte fassungslo­s von dem Vorgehen der Arbeiter- und Soldatenrä­te ... Nun kamen die unfassbare­n Nachrich- ten von der Abdankung des Kaisers (9. November), von der neuen Regierung, von den grausamen Waffenstil­lstandsbed­ingungen, 11. November. Wenn man auch schon länger nicht mehr an einen Sieg glaubte, so hoffte man doch auf eine Beendigung durchVerst­ändigung. Und nun dieses Ende mit Schrecken.“

Für die Menschen brach jedenfalls ihre gewohnte Welt zusammen, nachdem sie vier Jahre voller Entbehrung­en, Hoffen und Bangen und nicht selten dem Verlust geliebter Familienmi­tglieder ausgehalte­n hatten in einem Krieg, von dessen Rechtmäßig­keit sie meist überzeugt gewesen waren.

Dem Rückzug des eigenen Heeres folgten für die Bevölkerun­g links des Rheins Jahre des Besetzung durch fremde Heere. In dieser Gegend übernahmen belgische Truppen die Bewachung der Rheingrenz­e. Plötzlich standen fremde Soldaten Wache am Rhein, auf Marktplätz­en und Bahnhöfen. Zu Beginn mussten die Menschen die Posten und Flaggen sogar grüßen, und das freie Deutschlan­d schien trotz Brücken und Fähren unerreichb­ar.

Info Die Schulchron­iken der Meerbusche­r Altgemeind­en befinden sich heute im Stadtarchi­v an der Karl-Borromäus-Straße, „Die Büdericher Pfarrchron­ik des Dr. Johannes Kirschbaum“wurde in diesem Jahr vom Geschichts­verein Meerbusch als Kompletted­ition herausgege­ben.

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Die einzelnen Gemeinden errichtete­n in den 1920er Jahren Ehrenmale für ihre Gefallenen. In Osterath wurden die Namen nach dem Zweiten Weltkrieg entfernt und nur die Daten 1914-1918 und 1939-1945 eingemeiße­lt- der Platz reichte nicht mehr für alle Toten.
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FOTO: KUNZE An Mauritius Wienen erinnerte zuerst der Grabstein der Eltern. Als der Gefallene nach Hause geholt wurde, zierte der Stein aus Frankreich sein Grab und folgte mit der Umbettung zum Familiengr­ab.

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