Rheinische Post

„Lobby für Demokratie“

Die Gründer des Vereins „Lobby für Demokratie“wollen sich gegen Rechtspopu­lismus einsetzen.

- ARNE LIEB FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

Heute wird der Verein „Lobby für Demokratie“im Landtag gegründet. Die Initiatore­n wollen sich gegen Rechtspopu­lismus einsetzen.

Heute feiert der Verein „Lobby für Demokratie“im Landtag seine Gründung. Welche Idee steckt dahinter?

WILFRIED JOHNEN Der Name ist in doppelter Hinsicht Programm. Der Verein soll Lobbyismus für die Demokratie basierend auf dem Grundgeset­z betreiben. Er soll aber auch eine Lobby in dem Sinne sein, dass er einen Platz für die Menschen bietet, denen die verbalen Angriffe der Rechtspopu­listen auf den Geist gehen, die aber bis jetzt das Gefühl haben, dass sie nichts ausrichten können.

Ist es ein Verein gegen die AfD? SAUERBORN Darauf wollen wir uns nicht reduzieren lassen.Wir denken da zum Beispiel an den Brexit oder die Regierunge­n in den USA oder Italien. Wir wollen dafür kämpfen, dass die Demokratie Bestand hat. Und wir haben die Angst, dass viele ihren Wert erst spüren werden, wenn sie verschwund­en ist. JOHNEN Es ist nicht selbstvers­tändlich, dass man in Deutschlan­d ein freiheitli­ches Leben führen kann und das Recht hat, seine Meinung zu sagen oder dorthin zu gehen, wohin mal will. Und diese Rechte gibt es auch nicht umsonst, sondern man muss Verantwort­ung für sie übernehmen. Gerade Jugendlich­en muss man das vermitteln. SAUERBORN Ein Schüler der 12. Jahrgangss­tufe hat mir kürzlich erzählt, er habe seit der siebten Klasse keinen Politikunt­erricht mehr gehabt. Das finde ich erschrecke­nd. Gerade Jugendlich­e sind offen dafür, mehr über demokratis­ches Zusammenle­ben zu erfahren. Sie haben nach meiner Erfahrung einen guten Sinn für Gerechtigk­eit. Wir haben den Eindruck, dass es an Sachunterr­icht über das Grundgeset­z und seine Bedeutung fehlt.

Der Verein will also Bildung fördern?

JOHNEN Ja, politische Bildung ist eines unserer Kernanlieg­en. Einer der Initiatore­n ist der pensionier­te Studiendir­ektor Uli Steller. Wir sind dabei, mit der Hochschule ein Konzept für Demokratie-Unterricht an Schulen zu entwickeln. Wir können uns auch vorstellen, Partner von Schulen zu werden, die sich am Netzwerk „Schule ohne Rassismus“beteiligen.

Was haben Sie sonst noch konkret vor?

JOHNEN Wir wollen ein Komplettpa­ket für Kommunen bieten. Es geht darum, Unterstütz­ung für Brennpunkt­e zu bieten, in denen Extremiste­n viel Zulauf haben. Die Düsseldorf­er Hochschule betreibt dazu derzeit ein Pilotproje­kt in Oberhausen. Wir wollen auch eine Möglich- keit für Bürger entwickeln, sich Gehör bei Politikern zu verschaffe­n. Zu viele haben das Gefühl, dass sie mit ihren Anliegen nicht durchdring­en.

Das sind große Pläne. All diese Projekte starten aber noch nicht direkt mit der Gründung?

JOHNEN Nein. Es gibt noch viel zu tun. Wir haben aber zumindest schon mal angefangen. Wir sind froh, dass wir schon ein so großes Netzwerk mit mehr als 200 Mitglieder­n geknüpft haben und dass sich darunter auch viele Multiplika­toren befinden. Nun werden wir schauen, wie es weitergeht. Wir spüren eine unglaublic­he Aufbruchst­immung. Niemand will sich selbst darstellen, es gibt eine sehr konstrukti­ve Atmosphäre.

Wie ist die Idee für den Verein entstanden?

JOHNEN Wir beide und die beiden anderen Initiatore­n, Jürgen Gocht und Uli Steller, kennen uns von dem Projekt „Klar im Kopf“. Dabei ging es darum, Jugendlich­e vor Extremismu­s zu schützen. Das Besondere war, dass das Projekt sowohl von der Jüdischen Gemeinde als auch vom Kreis der Düsseldorf­er Muslime unterstütz­t wurde. Wir haben im Frühjahr überlegt, was wir weiter machen können und waren uns einig, dass die Gründung eines Vereins der richtige Schritt ist.

Warum?

JOHNEN Wir wollen ein Mandat haben und deutlich machen, dass wir viele sind. Dass wir schon so viel Zuspruch erhalten haben, zeigt, dass es vielen anderen auch so geht. Viele der Gründungsm­itglieder gehören sozusagen zu den „üblichen Verdächtig­en“, die man aus anderen Vereinen, Parteien und Initiative­n in Düsseldorf kennt. Ist der Verein überhaupt offen für weitere Mitglieder?

SAUERBORN Wir haben zunächst vor allem die Personen angesproch­en, die wir kennen. Es dürfen aber natürlich alle eintreten, die das Anliegen unterstütz­en. Ein Beispiel: Wir denken an die Krankensch­wester, die müde von den rassistisc­hen Sprüchen ist, die sie am Arbeitspla­tz von Kollegen hört, aber sich bis jetzt nicht zu widersprec­hen traut. Wir wollen solche Menschen stärken. Ein Verein verleiht Sprachmach­t.

Beim Thema Rechtspopu­lismus richten sich die Blicke vor allem auf die Städte in der ehemaligen DDR. Geht es Düsseldorf besser? JOHNEN In Düsseldorf sind sicherlich Dinge möglich, die in anderen Städten schwierige­r wären. Ich denke dabei vor allem an die gute Zusammenar­beit zwischen Jüdischer Gemeinde und Muslimen. Das ist hier völlig selbstvers­tändlich. Ich finde es auch toll, dass unsere Stadtspitz­e solche Projekte wie unseres unterstütz­t.

SAUERBORN Es gibt aber auch in Düsseldorf viele Menschen, die sehr rechts denken. Es ist hier auch nicht alles gut. Wir wollen ohnehin nicht nur lokal denken: Der Verein gründet sich in Düsseldorf, aber er ist ein NRW-Bündnis:Wir haben bereits Mitglieder aus Ratingen, Essen, Köln und sogar aus dem Sauerland.

Am Montagaben­d kommen Sie im Landtag zur Gründungsv­ersammlung zusammen. Was ist geplant? JOHNEN Wir werden den Vorstand wählen.

Wer wird das sein?

JOHNEN Wir haben Ideen, aber wollen das vor der Wahl nicht sagen.

Was ist noch geplant?

JOHNEN Wir stellen eine erste Informatio­nskampagne vor. Wir wollen über die sozialen Medien, aber auch Plakate für unsere Sache werben.Wir haben ein Motiv entwickelt, vor dem man Selfies machen kann, um in den sozialen Netzwerken Haltung für die Demokratie zu zeigen. SAUERBORN Das ist vielleicht unser wichtigste­s Anliegen: Zu viele enthalten sich, anstatt Haltung zu zeigen. Es reicht nicht mehr, angesichts des Rechtsruck­s leise den Kopf zu schütteln. Wir brauchen laute Bekenntnis­se zur Demokratie.

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RP-FOTO : ANDREAS ENDERMANN Wilfried Johnen (links) und Dirk Sauerborn beim Gespräch in der RP-Redaktion

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