Rheinische Post

Kasperlthe­ater mit Hotzenplot­z

Uraufführu­ng am Jungen Schauspiel­haus: eine jüngst publiziert­e Episode vom Hotzenplot­z wird bodenständ­iges Weltraumab­enteuer.

- VON DOROTHEE KRINGS

Er ist wieder da. Der Räuber mit dem Schlapphut und der Pfefferpis­tole. Barfüßig steht er auf der Bühne des Capitolthe­aters, wo das Junge Schauspiel­haus erneut sein großes Vorweihnac­hts-Stück zeigt. Hotzenplot­z ist aus dem Spritzenha­us entwischt. Wachtmeist­er Dimpfelmos­er hat zwar die Dienstuhr streng im Blick, nicht aber den Riegel seines Knastes. Und so steht der Bösewicht allzu simpel befreit an der Rampe und poltert, zetert, schimpft, dass sich die Barthaare biegen, während Kasperl und Seppel noch ahnungslos bei der Großmutter hocken und von warmer Schwammerl­suppe mit Klößen träumen. Doch daraus wird nichts, der Bösewicht ist zurück im Wald – und damit alles wieder in schönster Unordnung.

Im Nachlass hat die Tochter des Hotzenplot­z-Erfinders Otfried Preußler ein fünfseitig­es Kasperlspi­el entdeckt, in dem der von Kindern heißgelieb­te Räuber scheinbar zum Mond fliegt. Dieses Manuskript baute Susanne Preußler-Bitsch zu einer Geschichte aus, die unter dem Titel „Der Räuber Hotzenplot­z und die Mondrakete“vor ein paar Monaten als Buch erschienen ist. Der Schriftste­ller und Dramaturg John von Düffel hat aus dieser Episode mit viel Sinn für den Preußler-Ton ein Theaterstü­ck gemacht, hat Liedtexte geschriebe­n und Szenen hinzuerfun­den, die in der Schwerelos­igkeit des Mondes spielen. Entstanden ist eine muntere Räuberjagd mit kosmischen Elementen, denn als er hört, dass es auf dem Mond Silber gibt, kann Hotzenplot­z natürlich nicht widerstehe­n. Bereitwill­ig lässt er sich von seinen Verfolgern Kasperl und Seppel ins All schießen, landet in Wahrheit aber nach ziemlich kurzem Flug unsanft in der Nähe des Spritzenha­uses. Jetzt beginnt eine große Maskerade. Kasperl und Seppel spielen Mondmensch­en, so überzeugen­d, dass sie selbst fast daran glauben, und führen Hotzenplot­z erst hinters Licht und dann zurück ins Spritzenha­us.

Für die Uraufführu­ng behandelt Regisseur Robert Gerloff den Stoff als das, was er ist: als Kasperlthe­ater. Die Darsteller spielen mit großen Gesten, tragen weite Filzkostüm­e im Look klassische­r Handpuppen. Sie necken, verfolgen, überrasche­n einander, tauchen am Bühnenrand auf, wenn man sie andernorts vermutet, oder hocken plötzlich auf den Wipfeln abstrakter Bäume. Als seien sie alle nur Spielfigur­en, die aus einer Kiste gefallen und auf der Bühne zum Leben erwacht sind.

Das Ensemble des Jungen Schauspiel­hauses lässt sich darauf willig ein. Bernhard Schmidt-Hackenberg ist voll Wonne der dümmliche Seppel, Pirmin Sedlmeir überzeugen­d der preußische Dimpfelmos­er, Maria Perlick ohne falsche Übertreibu­ng die Großmutter und Natalie Hanslick macht aus dem pfiffigen Kasperl schnell die Hauptfigur. Allerdings liegt das auch daran, dass Eduard Lind zwar mit schönem Eifer den grollenden Hotzenplot­z gibt, aber kaum andere Facetten von ihm verlangt sind. Dazu gibt es passende Bühnenmusi­k von einer Kapelle, die anfangs zünftig auf die Bühne marschiert und von dort aus das Geschehen mit Geräuschen, Musiken von Jazz bis Rap und geschmackv­ollen Songs begleitet. So wird die Räuberjagd zum lebendigen Puppenspie­l. Die Inszenieru­ng behauptet keinen Tiefsinn, wo es einfach nur darum geht, Hotzenplot­z hinter Gitter zu bringen. Dafür entwickelt sie kräftige, naive Bilder mit überrasche­nden Details. Für die Eltern gibt es den ein oder anderen Seitenhieb auf Bayern oder die Demos am Hambacher Forst.

Susanne Preußler-Bitsch war bei der Premiere dabei. Die Geschichte von Hotzenplot­zs Mondflug sei für sie typisch Preußler, sagte sie am Rande, weil sie so geradlinig und fesselnd erzählt sei. Darum habe sie sich entschiede­n, das kleine Aben- teuer aus der Feder ihres Vaters weiterzuen­twickeln und herauszuge­ben. Sie selbst sei mit Figuren wie dem kleinen Gespenst oder dem bärtigen Räuber aufgewachs­en. Wenn in ihrer Kindheit einer etwa mit schmutzige­n Schuhen durchs Haus gelaufen sei, habe er sich immer damit entschuldi­gen können, das sei der Hotzenplot­z gewesen.

In die überschaub­are Welt des Kasperlthe­aters, in der ein Räu- ber zwar böse ist, seine Pistole aber nur mit Pfeffer geladen hat, entführt auch die Uraufführu­ng am Jungen Schauspiel­haus. Die harmlose Mondgeschi­chte hat der Hotzenplot­z-Figur nichts hinzuzufüg­en. Sie ist nur willkommen­e Gelegenhei­t, dem argloseste­n Verbrecher seit es Schwammerl­suppe gibt, ein weiteres Abenteuer zu gönnen. Das Schauspiel­haus macht daraus ein nostalgisc­hes Vergnügen.

 ?? FOTO: DAVID BALTZER ?? Räuber Hotzenplot­z und die Mondrakete – mit Eduard Lind als Hotzenplot­z, Bernhard Schmidt-Hackenberg als Seppel und Natalie Hanslik als Kasperl.
FOTO: DAVID BALTZER Räuber Hotzenplot­z und die Mondrakete – mit Eduard Lind als Hotzenplot­z, Bernhard Schmidt-Hackenberg als Seppel und Natalie Hanslik als Kasperl.

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