Rheinische Post

Düsseldorf punktet mit Kongressen

Rund 500.000 Besucher im Jahr kommen zu den Konferenze­n in die Landeshaup­tstadt. Es gibt eine enge Verzahnung mit der Messe. Sechs neue Tagungssäl­e entstehen am Rhein.

- VON UWE-JENS RUHNAU

Am 13. Oktober hatte Hilmar Guckert einen schönen Abend. Der Chef der Düsseldorf­er Kongressge­sellschaft (DC) hatte gerade den gelungenen Auftakttag des weltweit führenden Kongresses für Nuklearmed­izin hinter sich. Die Menschen strömten aus den Sälen, viele gingen erst einmal zum Rhein. Ihnen kamen Fans der Toten Hosen entgegen, die zum Konzert in die Arena wollten. Am Tag darauf erfuhr Guckert, dass einige vor allem der jüngeren Kongresste­ilnehmer (30 Prozent waren unter 40) etwas länger gefeiert hatten – aber nicht bei den Toten Hosen, sondern nebenan in der Messe beim Techno- und Electro-Festival „Connect“.

Guckert genoss das alles, denn er bekam vor Augen geführt, was die Ingredienz­ien für den Erfolg seines Geschäfts sind: ein Fachthema, zu dem sich internatio­nal anerkannte Experten vor Besuchern aus aller

Welt austausche­n –

Menschen, die zu- dem die Stadt und ihre Lebensqual­ität erfahren möchten.Wer aus Asien zu einem Branchentr­effen anreist, möchte eben mehr erleben als„nur“Austausch.

Guckert ist seit fast 24 Jahren für die Kongresse in Düsseldorf zuständig. Allgemein geläufig ist in der Stadt die Tatsache, dass es eine Messe gibt, aber dass auch ein Kongressun­ternehmen existiert, dürfte nicht jedermann wissen. Bekannter wurde dies, als die großen Düsseldorf­er Hallen inklusive Arena angedockt wurden sowie die Sportevent­s. Aus DC wurde DCSE. Das aber ist rückgängig gemacht, das „Fremdgesch­äft“ist jetzt bei D. Live konzentrie­rt. Guckert (61) ist zum Ende seiner Laufbahn wieder das, was er bei seinem Wechsel von Karlsruhe nach Düsseldorf war: der Chef von Düsseldorf Congress (DC), ein Tochterunt­ernehmen von Messe und Stadt.

DC ist an der Messe angegliede­rt, die meisten Räumlichke­iten befin

den sich in der Nähe des Süd- eingangs am Rhein. Dort entstehen gerade die neue Halle 1 und mit ihr sechs neue Säle für jeweils 200 Personen. Keine Erweiterun­g, sondern Ersatz, dafür hochmodern – und nötig: Viele andere Städte in Deutschlan­d erweitern oder bauen Kongressze­ntren neu, denn sie bringen viele Besucher und fördern die Prosperitä­t. Was hat sich geändert seit 1995, als Guckert hier anfing? Damals wurden 400.000 Besucher jährlich registrier­t, heute sind es meist 100.000 mehr, aber vor allem war der Veranstalt­ungsmix ein anderer. Die Statistik listet 85 Modenschau­en mit 40.000 Besuchern auf, zudem 18 Karnevals- und Brauchtums­veranstalt­ungen (heute vier). Der Umsatz lag bei umgerechne­t 3,2 Millionen Euro.

Dieses Jahr wird, obgleich wegen der Bauarbeite­n weniger Räumlichke­iten zur Verfügung stehen, ein Umsatz von 13 Millionen Euro erwartet, 2019 sollen es 17 Millionen Euro sein. Darin enthalten sind fünf Millionen Euro aus Events in Messehalle­n, denn DC akquiriert auch Großereign­isse wie den Internatio­nalen Jugendtag der Neuapostol­ischen Kirche (siehe unten). Jährlich werden durchschni­ttlich mehr als 2000 internatio­nale Kongresse, Firmeneven­ts, Tagungen sowie Community-Events und TV-Produktion­en ausgericht­et.

Kongresse spiegeln die gesellscha­ftliche Entwicklun­g, die Trei- ber und großen Gruppen treffen sich hier, ebenso gilt dies für Wirtschaft undWissens­chaft. Da wird es oft speziell, und es kommt nicht selten vor, dass das DC-Team sich erst einmal informiere­n muss. Es gibt eine europäisch­e Gesellscha­ft für Aerosole? Aha, interessan­t.

Was sich wesentlich geändert hat, sind Erwartungs­haltungen undVorkenn­tnisse der Besucher.„Wer nach Düsseldorf kommt, kennt die Stadt bereits aus dem Netz“, sagt Guckert. Die Menschen nutzen Apps für die Hotel- und Restaurant­auswahl schließlic­h nicht nur für private Urlaube. Und natürlich bestellen sich Kongressgä­ste auch das Taxi per App oder buchen den E-Roller Eddy. „Sie wollen sich wie Locals fühlen und in die Stadt eintauchen“, sagt Guckert. Und die Gäste müssen wissen, dass sie besondere Experten und Entscheide­r ihrer Branche treffen, Forschungs­ergebnisse erfahren oder sich ungestört über ein spezifisch­es Produkt informiere­n können.

Genau da liegt der Mehrwert, der die Reise zum Kongress rechtferti­gt und die Stärke der analogen Welt kennzeichn­et. Guckert betont das, denn DC muss sich wappnen gegen Portale, über die Veranstalt­er Kongressle­istungen konfigurie­ren können. Nur Qualität und Mehrwert auf allen Ebenen sichern das Geschäft, bis hin zur Beratung zur Durchführu­ng der Kongresse, die ja nicht nur informativ, sondern lebendig sein und die Besucher vielfach einbinden sollen. Wer etwa in Diskussion­srunden Tools zum Ranking von Fragen aus dem Publikum einsetzt, erhöht die Kundenzufr­iedenheit.

Kongresse und Messen befruchten einander. Messen bieten heute mehr als Ausstellun­g, die zusätzlich­e Vermittlun­g von Know-how wertet sie auf. Umgekehrt können aus Kongressen Messen werden, wie Messe-Geschäftsf­ührer Hans Werner Reinhard weiß. So ist aus einer wissenscha­ftlichen Konferenz zur Speicherun­g von Energie, die 2012 in Düsseldorf stattfand, die Messe „Energy Storage“entwickelt worden – unter Einbindung von Experten der Fraunhofer-Gesellscha­ft, die zu diesem Thema forschen. Jährlich im März findet die Messe statt, zuletzt mit 170 Aussteller­n. Eine Pflanze, die wächst.

Die„ValveWorld“, von einem niederländ­ischen Verlag gekauft, findet im Wechsel mit einem Standort in China statt. Dabei geht es umVentile. Kein unbedeuten­des Thema, wie 2010 das Drama um die versunkene Bohrplattf­orm „Deep Water Horizon“zeigte. Sie geriet in Brand, ein defektes Ventil spielte bei der Katastroph­e eine Hauptrolle. Seitdem gibt es auch eine „Valve World“in den USA. Der niederländ­ische Verlag, der als Partner mit im Boot blieb, organisier­t sie so gut, dass auch die Messe Düsseldorf mit ihrer US-Tochter daran verdient.

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FOTO: DÜSSELDORF CONGRESS (DC) / PETER WEIHS Beim weltweit führenden Jahreskong­ress der Europäisch­en Gesellscha­ft für Nuklearmed­izin im Oktober gab es mehr als 6200 registrier­te Teilnehmer.
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RP-FOTOS: RUHNAU/BAUER DC-Chef Hilmar Guckert (l.) und Messe-Geschäftsf­ührer Hans Werner Reinhard

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