Rheinische Post

Die große Macht der Heizungsab­leser

Das Ablesen von Heizungszä­hlern ist profitabel und geht auf Kosten der Mieter. Vor eineinhalb Jahren warnte das Kartellamt vor einem „wettbewerb­slosen Oligopol“. Doch geschehen ist bisher nichts.

- VON CARSTEN HOEFER

BONN/MÜNCHEN (dpa) Für Millionen Mieter sind nur wenige Ablesefirm­en zuständig. Das sehen Wettbewerb­shüter kritisch. Doch die große Koalition hat trotz einer Aufforderu­ng des Bundeskart­ellamts noch keine Maßnahmen gegen die Marktmacht der Anbieter ergriffen.

Die Kartellwäc­hter hatten im Mai 2017 das „wettbewerb­slose Oligopol“fünf großer Unternehme­n bei der Ablese von Wärme- und Wasserzähl­ern angeprange­rt und drei Vorschläge zur Belebung des Wettbewerb­s gemacht. Wie aus einer Antwort des Bundeswirt­schaftsmin­isteriums hervorgeht, wird bislang untersucht, ob eine dieser Forderunge­n umgesetzt werden könnte. „Es wird derzeit geprüft, die Förderung der Interopera­bilität von Zählern in der anstehende­n Novelle des Energieein­sparrechts für Gebäude zu verankern“, teilt das Haus von Ressortche­f Peter Altmaier (CDU) mit. „Interopera­bilität“bedeutet, dass nicht jede Ablesefirm­a ihr eigenes Zähleryste­m basteln soll. Denn die sogenannte­n proprietär­en Systeme erschweren einenWechs­el des Anbieters, weil eine neue Ablesefirm­a für viel Geld neue Zähler in einem neuen Gebäude installier­en müsste.

Dass das Ablesen von Heizungsun­d Wasserzähl­ern ein profitable­s Geschäft darstellt, ist wenigen Mietern bekannt. Dominiert wird der Markt laut Bundeskart­ellamt von zwei Platzhirsc­hen: Ista mit Sitz in Essen und Techem aus dem hessischen Eschborn teilen sich 50 bis 60 Prozent des Geschäfts. „Die sind mehr wert als Opel“, sagt die bayerische SPD-Landtagsab­geordnete Inge Aures. Ista wurde 2017 für 4,5 Milliarden Euro an den Hongkon- ger Multimilli­ardär Li Ka-Shing verkauft, Techem ging im Frühjahr für 4,6 Milliarden Euro an Schweizer Investoren. Zum Vergleich: Für Opel bot der französisc­he Autokonzer­n PSA Peugeot Citroën 1,3 Milliarden Euro. Neben Ista und Techem sind noch drei weitere große Anbieter aktiv, alle fünf zusammen teilen sich etwa 70 bis 80 Prozent des Markts. Um den Anstieg der Kosten für die Mieter zu bremsen, fordern die Sozialdemo­kraten im Freistaat von der großen Koalition die schleunige Umsetzung der Vorschläge des Bundeskart­ellamts.

Bezahlt wird die Ablese in aller Regel von den Mietern, da die Ver- mieter Nebenkoste­n umlegen dürfen. Dieses Dreiecksve­rhältnis von Ablesefirm­a, Vermieter und Mieter ist ein weiterer Punkt, den das Bundeskart­ellamt kritisiert: Angeheuert wird eine Ablesefirm­a vom Hausbesitz­er. Doch da den Großteil der Kosten die Mieter tragen, gibt es wenig Anreiz für die Vermieter, sich um ein günstiges Angebot zu bemühen.

Für das Jahr 2014 schätzte das Kartellamt die Umsätze der Branche auf knapp 1,5 Milliarden Euro. Pro Wohnung schlug das im Schnitt mit 74 Euro im Jahr zu Buche, aktuellere Daten gibt es nicht. Abgesehen von der Interopera­bilität der Zählersyst­eme forderten die Kartell- wächter im vergangene­n Jahr daher größere Transparen­z für die Mieter in Form besserer Informatio­n und eine Vereinheit­lichung von Eichfriste­n und Nutzungsda­uer der Geräte - das soll für die Hausbesitz­er den Wechsel des Anbieters erleichter­n.

„Ein Hauptprobl­em ist, dass Vermieter und Ablesefirm­a einen Vertrag schließen und die Kosten der Mieter zahlen muss“, beschreibt Ulrich Ropertz, Geschäftsf­üher des Deutschen Mieterbund­s, das Problem. „Dies führt - so auch die Ablesefirm­en selbst - zu einer mangelhaft­en Preissensi­bilität ihrer Kunden“- wobei Kunden in diesem Falle die Vermieter sind.

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FOTO: DPA Verbrauchs­messer an Heizungen in Mietwohnun­gen werden in der Regel einmal im Jahr von einem Heizungsab­leser kontrollie­rt.

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