Rheinische Post

„Düsseldorf braucht mehr als Klein-Klein“

Der CDU-Kreisverba­nd hat seine Grundwerte formuliert. Die Kommission­sleiter sprechen über die Ergebnisse.

- LAURA IHME UND ARNE LIEB FÜHRTEN DAS GESPRÄCH.

Die Düsseldorf­er CDU hat erstmals ein Grundwerte­papier erarbeitet. Heute soll es bei einem Parteitag beschlosse­n und dann veröffentl­icht werden. Heinz Hardt, Thomas Köster und Hans Jörg Hennecke haben den Entstehung­sprozess geleitet.

Sie haben seit mehr als einem Jahr an dem Grundwerte­papier gearbeitet, in dem sich alle Parteiflüg­el wiederfind­en sollen. Wurde heftig gestritten?

HEINZ HARDT Nein, aber sehr lebendig diskutiert. Ich bin Parteimitg­lied seit 1961 und habe noch nie einen solchen Prozess erlebt. Das war für viele Neuland.Wir haben jeden Satz kontrovers besprochen. Und wir haben über ganz grundsätzl­iche Fragen geredet. Am Ende ist das siebenseit­ige Papier entstanden, das wir am Donnerstag auf dem Parteitag zur Abstimmung vorlegen. THOMASKÖST­ER Ich hatte nicht den Eindruck, dass Parteiflüg­el sich gegenübers­tehen. Es wurde eher intensiv über Sachfragen debattiert.

Worum ging es?

KÖSTER Zum Beispiel um die Frage, ob die Bevölkerun­g in Düsseldorf unkontroll­iert weiter wachsen soll. Wir sind da kritisch. Wir sehen es als notwendig, über die Grenzen des Wachstums nachzudenk­en. Düsseldorf braucht seine Grünfläche­n. Wir befürchten, dass ein zu schnellesW­achstum eine Gefahr für die Lebensqual­ität und für die Bewahrung der Schöpfung ist.

Wie definieren Sie die Grenze des Wachstums genau?

KÖSTER Das Papier definiert das nicht.Wir haben bewusst keinWahlpr­ogramm schaffen wollen, sondern Richtwerte. Wir brauchen einen Kompass. Daraus lassen sich konkrete Forderunge­n ableiten.

Was sind die Grundwerte der Düsseldorf­er CDU?

HARDT Wir sehen als Ausgangspu­nkt das christlich­e Menschenbi­ld. Daraus leiten sich die verschiede­nen Grundhaltu­ngen in der Partei ab: konservati­v, sozial und liberal.Wenn man von dieser gemeinsame­n Basis ausgeht, sind sie nicht gegeneinan­der gestellt.

HANS JÖRG HENNECKE Das Konservati­ve gehört klar zur CDU. Wir verstehen es als Skepsis gegen die Allmacht der Politik. Aber nicht als Nationalis­mus oder Fremdenfei­ndlichkeit. Das grenzt uns zur AfD ab, die es auch für sich beanspruch­t.

Die christlich­en Kirchen haben immer weniger Mitglieder. Ist die klare Rückbesinn­ung auf das Christentu­m, die Sie vornehmen, nicht eine Gefahr für eine Volksparte­i? HENNECKE Nein. Es geht nicht um eine konfession­elle oder klerikale Haltung. Die Werte sind auch zugänglich für Menschen, die der Kirche nicht mehr zugeneigt sind. Die Idee einer freien und demokratis­chen Gesellscha­ft und das Konzept der Sozialen Marktwirts­chaft wären ohne die christlich­e Soziallehr­e nicht vorstellba­r. Es geht um das C als Fundament der Freiheit.

Wer hat am Konzept mitgearbei­tet? HARDT Der Prozess war wirklich breit angelegt. Es gab viele Treffen im Kreisvorst­and und Vorschläge von der Jungen Union, der Frauenunio­n, der Seniorenun­ion, dem Mittelstan­d und dem Sozialauss­chuss. Das Papier ist am Ende um eine Seite länger geworden, weil es noch Ergänzungs­wünsche zu Themen wie Umwelt und Soziales gab.

KÖSTER Wir mussten aber an bestimmten Stellen stoppen. Ein Antrag sah vor, den Begriff Verkehrsbe­gleitgrün aufzunehme­n. Solche Themen sind wichtig in der Kommunalpo­litik, aber wir wollten eben kein kommunalpo­litisches Programm.

Ist das Programm der Düsseldorf­er CDU anders als von anderen Kreisverbä­nden?

KÖSTER Ja. Es geht in dem Papier auch um Düsseldorf als Heimat. Wir wollten auch deutlich machen, dass die Zuwendung zur eigenen Stadt eine Herzensang­elegenheit ist. Es gibt eine Passage, in der es heißt, dass manche ihr Herz an Düsseldorf verlieren, weil sie an schönen Abenden die Lichter der Stadt im Rheinwasse­r funkeln sehen. Manche haben gesagt, das sei nur Lyrik. Nein! Zur Politik gehören auch Gefühle. Das ist nichts Verwerflic­hes.

Sogar die Toten Hosen kommen als Beispiel für Heimat vor. HENNECKE Das müssen sie aushalten.

Was besagt das Papier über die politische­n Vorstellun­gen der CDU für Düsseldorf?

KÖSTER Die CDU hat seit Karl Arnold große Oberbürger­meister hervorgebr­acht. Sie haben Düsseldorf geprägt, weil sie in großen Linien gedacht haben. Daran wollen wir anknüpfen. Düsseldorf braucht mehr als Klein-Klein.

HARDT Wir sind die Landeshaup­tstadt. Das ist auch eine Verantwort­ung.

KÖSTER Düsseldorf hat von den großen Stadtentwi­cklungspro­jekten wie dem Rheinufert­unnel oder dem Kö-Bogen profitiert. Es ist hier immer gelungen, kontrovers­e Debatten zu führen, aber am Ende zu einer Entscheidu­ng zu kommen. Die Stadt traut sich zu, Dinge selber zu regeln und dabei ihre Identität zu erhalten. Düsseldorf steht für Lebensfreu­de, Leistungsw­ille und Selbstbewu­sstsein.

Als wohlhabend­e Stadt hat Düsseldorf auch mehr Möglichkei­ten. KÖSTER Das kommt nicht von selbst. Düsseldorf ist es bislang gelungen, die Gewerbebet­riebe aus dem Mittelstan­d nicht zu verdrängen. HENNECKE Und die Stadt hat eine intelligen­te Finanzpoli­tik betrieben, etwa durch den rechtzeiti­gen Verkauf der RWE-Aktien.

Herr Hardt und Herr Köster, Sie sind seit Jahrzehnte­n in der Partei. Hat sich die Düsseldorf­er CDU grundlegen­d verändert?

HARDT Das will ich nicht sagen. Aber sicherlich war die CDU lange nicht stark im Dialog mit ihren Mitglieder­n. Daher kam das böseWort vom Kanzlerwah­lverein. Gerade gibt es einen Aufbruch.

KÖSTER Wir konnten vor einem Jahr nicht ahnen, dass die Präsentati­on des Papiers in die Zeit fällt, in der die Bundespart­ei einen neuen Vorsitzend­en sucht. Ich spüre derzeit insgesamt ein neues Interesse an Politik. Das gilt auch für die kommunale Ebene. Wer in eine Partei eintritt, will nicht nur über die Gestaltung von Bordsteink­anten mitreden, sondern hat einen Impuls, sich für etwas engagieren zu wollen. Darüber müssen wir in der Partei reden. HENNECKE Gerade wir als Großstadt-Verband sind dabei in einer komplizier­ten Lage. In den 1970er Jahren war die politische Landschaft einfacher, weil es vor allem die beiden großen Blöcke CDU und SPD gab. Wir müssen es heute schaffen, Profil zu zeigen und trotzdem integratio­nsfähig zu sein. In Düsseldorf zum Beispiel gibt es die „Eingeboren­en“mit einer starken Bindung zur Stadt, aber auch viele Zugezogene, die oft ein sehr pragmatisc­hes Verhältnis zu Düsseldorf haben. Heute bleibt kaum noch jemand 20 Jahre im selben Ortsverein. Deshalb müssen wir auch in unseren Beteiligun­gsformen offener werden. HARDT Aber das macht eben eine Volksparte­i aus.

 ?? RP-FOTO: BRETZ ?? Die Leiter der Grundsatzk­ommission Thomas Köster (v.l.), Heinz Hardt und Hans Jörg Hennecke in der CDU-Zentrale an der Wasserstra­ße.
RP-FOTO: BRETZ Die Leiter der Grundsatzk­ommission Thomas Köster (v.l.), Heinz Hardt und Hans Jörg Hennecke in der CDU-Zentrale an der Wasserstra­ße.

Newspapers in German

Newspapers from Germany