Rheinische Post

Eine Million Schritte von Paris nach Berlin

Grigorij Richters läuft zu Fuß durch Europa, um auf das Schicksal von Flüchtling­skindern aufmerksam zu machen.

- VON TINO HERMANNS

SeineWande­rschuhe sehen noch gut aus, als Grigorij Richters in Düsseldorf ankommt. Dabei haben sie bereits mehr als 300.000 Schritte hinter sich. Gut 800.000 werden noch folgen, denn Richters wird mindestens eine Million Schritte machen, damit fast komplett zu Fuß von Paris nach Berlin gehen sein. Mit dieser Aktion macht Richters auf die Situation elternlos geflüchtet­er Kinder, die derzeit in Flüchtling­slagern auf europäisch­em Boden feststecke­n, aufmerksam und möchte 1000 Kinder aus den Lagern retten. „Viele dieser Kinder werden in Flüchtling­slagern wie dem Camp Moria in Griechenla­nd festgehalt­en. Die meisten von ihnen flohen vor Krieg und Armut. Einige von ihnen flohen, nachdem ihre Eltern ermordet worden waren oder weil ihre Eltern versucht hatten, sie in Sicherheit zu bringen“, erläutert Richters. „Realität in den Flüchtling­scamps ist brutal.“

Nach Informatio­nen von „Ärzte ohne Grenzen“bietet das völlig überfüllte Lager in Moria den meist durch Krieg und Gewalt traumatisi­erten Kindern keinerlei Schutz, sondern belastet im Gegenteil psychisch und physisch noch mehr. Fast ein Viertel der Kinder und Jugendlich­en, mit denen Mitarbeite­r der internatio­nalen Hilfsorgan­isation in diesem Frühjahr Therapiege­spräche führten, hatten daran gedacht oder versucht, sich umzu- bringen oder verletzten sich selbst. „Vor drei Tagen, in Bonn, erhielt ich die Nachricht, dass eines der Kinder, mit denen ich im Kontakt stehe, wieder versucht hat, sich die Pulsadern aufzuschli­tzen“, erzählt Richters. Nachrichte­n dieser Art, bestärken den 31-Jährigen darin, dass er das Richtige tut, obwohl er dafür seinen Job gekündigt hat, seine Ersparniss­e verbraucht und morgens nicht weiß, wo er abends schlafen soll. Zuerst war es ein Gedanke, auch mal in dem mehrere Jahrzehnte alten VW-Bus, der ihn im Schritttem­po begleitet, zu nächtigen. Nach den Ereignisse­n in Chemnitz, als rechtsgeri­chtete Deutsche Jagd auf Ausländer machten, und weil der Bulli deutlich in die Jahre gekommen ist, nahm er davon Abstand.

Der Filmemache­r aus Hamburg erzählt in 28 Städten in Frankreich, Belgien den Niederland­en und Deutschlan­d jedem, der es hören und auch nicht hören will, wie die Realität in den Camps aussieht. So auch in Düsseldorf. Wie überall stieß er auf offene Ohren. „Solche Aktionen helfen, dass die Situation von Kindern nicht in Vergessenh­eit gerät“, erklärt Bürgermeis­ter Wolfgang Scheffler. „Düsseldorf hat ja zusammen mit anderen Städten in einem Brief an Bundeskanz­lerin Angela Merkel seine Bereitscha­ft erklärt, weitere Flüchtling­e aufzunehme­n“, so der Bürgermeis­ter.„Bisher haben wir aber keine Antwort auf den Brief bekommen.“Richters machte sich auf den Weg nach Duisburg, Essen, Bochum Dortmund und Münster. „Münster stand zunächst nicht auf meiner Liste, aber der Bürgermeis­ter hat mir eingeladen. Da gehe ich natürlich hin“, so der Aktivist. Durch solche Umwege bekommt er die eine Million Schritte locker zusammen. Der VW-Bus wird am 1. Dezember in Berlin versteiger­t. Bis dahin kann sich jeder mit einer Unterschri­ft darauf verewigen.

 ?? RP-FOTO: ANDREAS BRETZ ?? Grigorij Richters macht Station in Düsseldorf. Der alte VW T3 Bulli begleitet ihn im Schritttem­po.
RP-FOTO: ANDREAS BRETZ Grigorij Richters macht Station in Düsseldorf. Der alte VW T3 Bulli begleitet ihn im Schritttem­po.

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