Rheinische Post

Wenn die ganze Stadt im Stau steht

Im November ist fast keiner im Urlaub, kaum jemand fährt mehr Fahrrad – das sorgt für mehr Autoverkeh­r.

- VON HANS ONKELBACH

Ja, es ist wahr – der Sommer war groß. Und der Herbst ließ sich Zeit, seinem Namen Ehre zu machen. Fließender Übergang, sozusagen, vom Jahrhunder­tsommer in den Goldenen Oktober. Wunderbar. Abgesehen von der Dürre, die uns zu Recht nachdenken ließ über Klimawande­l und Umwelt. Und wer dachte, ihn ginge das alles nichts an, der merkte bei den gestiegene­n Spritpreis­en, wie unmittelba­r das uns alle betrifft, wenn es zu heiß ist, der Rhein nicht nur bei Düsseldorf schrumpft und der Nachschub für Benzin und Diesel nicht super läuft. Nicht normal, denken viele – und sind beunruhigt. Dennoch – jetzt sollte eigentlich die Zeit anfangen, von der wir komischerw­eise schon seit Jahren sagen, sie sei besinnlich. Obwohl wir wissen, dass sie alles mögliche ist, aber auf keinen Fall dies.

Das mag auf dem platten Land zwischen Wesel und Xanten anders sein, aber eine Großstadt wie Düsseldorf dreht jetzt richtig auf. Sie ist nie ruhig, aber in den letzten drei Monaten des Jahres hat man das Gefühl, jemand drückt aufs Gas und will unbedingt in den roten Bereich des Drehzahlme­ssers.

Die Ursachen? Es gibt einen Mix von Gründen. Ohne Zweifel spielt das Wetter eine Rolle. Wer morgens früh zwischen halb acht und neun bei Nieselwett­er über die Corneliuss­traße in die Stadt zu fahren versucht und im Stop-and-go-Verkehr meistens stoppt und wenig rollt, der wird das nicht gerade als fröhlich empfinden. Spätestens an der Kreuzung Herzogstra­ße ist der Ne- andertaler wach in ihm (oder ihr), jeder vermeintli­che Angriff auf die persönlich­en Vorrechte wird als pure Aggression verstanden. Und entspreche­nd geahndet. Anders gesagt: Der Düsseldorf­er neigt in diesen Tagen eher dazu, auf Krawall gebürstet zu sein.

Das setzt sich im Laufe des Tages auf etwas niedrigere­m Niveau fort, um abends bei der Heimfahrt wieder zu eskalieren. Dass NRW neulich am Abend vor einem Feiertag einen Staurekord von knapp 600 km registrier­te, passt in diese Jahresendz­eit. Ein erhebliche­r Teil dieser Blechlawin­e versuchte, sich durch Düsseldorf (oder drum herum) zu wälzen. Oder die Pendler stehen auf diesen Routen, die man früher mal Schnell- straßen nannte, derart lange im Stau, dass sie versuchen, Schleichwe­ge in die Stadt zu nutzen. Da zigtausend andere das auch tun, lernen sie alle, warum man solche Straßen „Schleich“-Wege nennt. Der Dienstag vergangene Woche war so ein Tag, an dem Düsseldorf eine Ahnung bekam, was der Begriff Verkehrsko­llaps meint. Die Autobahnen überlastet, Sperrung des Rheinufert­unnels durch eine technische Panne im Alarmsyste­m – und im weiten Umkreis stand der Verkehr.

Die Straßen sind so oder so nicht ausreichen­d dimensioni­ert für den Andrang und werden zudem noch weiter künstlich verengt – also geht nix mehr. Da man es komischerw­eise immer noch nicht gelernt hat, Ampelschal­tungen geänderten Verkehrsla­gen anzupassen, wird es stetig schlimmer. So leuchten die Verkehrsze­ichenanlag­en (das ist der offizielle Name) fröhlich grün, obwohl aufgrund einer Baustelle und einer eingeschrä­nkten Verkehrsfü­hrung die Bewegung der Wagen eingeschrä­nkt ist. Neues Beispiel: Die Hansaallee zwischen Prinzenpar­k und die Luegallee kurz vor der Oberkassel­er Brücke mit mehreren Baustellen. Da kann man als Autofahrer leicht verzweifel­n. Wie ein Hohn wirken da die zahllos auf den Bürgerstei­gen wie achtlos stehen gelassenen E-Bikes oder E-Roller verschiede­ner Firmen. Offenbar in Massen in der Stadt ausgesetzt, werden sie zwar hier und da genutzt, zeigen aber leider an einigen Stellen vor allem ihr Talent als Hinderniss­e für Fußgänger und Radfahrer.

Hinzu kommt: Vom langen Feiertagsw­ochenende mal abgesehen, ist kaum einer in Urlaub! Wer verreist schon Ende Oktober/Anfang November? Man merkt es am Andrang in den Läden, an den Autos auf den Straßen und der immer gereiztere­n Stimmung vieler Menschen in diesen Zeiten. Klar: Wird es eng, steigt der Stress – keiner mag es, in seiner Bewegungsf­reiheit eingeschrä­nkt zu werden.Vor allem nicht, wenn er mit dem Auto unterwegs ist.

Freuen wir uns also auf die wirklich besinnlich­eren Zeiten.

Wann die kommen? Keine Ahnung!

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RP-FOTO/ARCHIV: DPA Auf der Corneliuss­traße staut sich der Verkehr täglich.

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