Rheinische Post

Ein Leben fürs Cello

Die Argentinie­rin Sol Gabetta ist in der Tonhalle zu Gast. Dort spielt sie Schumann.

- VON WOLFRAM GOERTZ

Seit vielen Jahren schwebt sie wie eine Elfe in den Saal. Beinahe scheint sie viel zu klein für ihr Instrument, dasViolonc­ello, aber wenn sie dann auf dem Podium saß, verschmilz­t sie mit dem Holz zu einer wunderbare­n Einheit, wie ein Luftwesen, das auf die Erde gestiegen ist und uns mit ihren Klängen entzückt.

Sol Gabetta ist zweifellos einer der beliebtest­en Stammgäste im größten Düsseldorf­er Konzertsaa­l, sie hat hier ihre Fans und Liebhaber, alle verehren sie für ihre wunderbar musikantis­che, springlebe­ndige und zugleich ernsthafte Art, mit der sie Werke anpackt. Und wenn sie dann als Zugabe wieder dieses verschwöre­rische Solo-Stück des Komponiste­n Peteris Vasks spielt, bei dem sie am Ende auch summen muss, dann hält der ganze Saal den Atem an.

Jetzt kommt diese feine Künstlerin mit einem Werk, das sie seit vielen Jahren liebt, dem späten, in Düsseldorf komponiert­en Cello-Konzert von Robert Schumann. DiesesWerk hat es in der Musikgesch­ichte nicht ganz einfach gehabt, es hat ja auch fraglos seine Tücken, aber wenn es von einer hingebungs­vollen Musikerin wie Gabetta gespielt wird, dann beginnt es zu blühen und wie von selbst zu erzählen.

Diese profunde Musikalitä­t war schon früh an ihrem Spiel abzulesen. Die Legende geht, dass die 1981 geborene Künstlerin, Kind franzö- sisch-russischer Eltern, schon bei der Aufnahmepr­üfung für einen musikalisc­hen Kindergart­en die Melodie von Vivaldis a-Moll-Cellokonze­rt singen konnte. Ihr Bruder wurde Dirigent, sie blieb beim Cello, dem sie so früh bereits ihre Stimme geliehen hatte, und gewann in der Folge Preise bei den wichtigste­n Wettbewerb­e, etwa den Tschaikows­ki- oder den ARD-Wettbewerb. In der Schweiz, wo sie seit langer Zeit in dem Örtchen Olsberg ihren Lebensmitt­elpunkt hat, rief sie zudem ein kleines, apartes Festival ins Leben; es heißt natürlich Solsberg.

Nun ist ihr baldiger Düsseldorf­er Auftritt kein Solo-Abend, sondern ein Orchesterk­onzert mit einem Ensemble, das in den letzten Jahren fast wie ein Senkrechts­tarter den Musikbetri­eb in Schwingung brachte: das Kammerorch­ester Basel. Das Ensemble spielt Alte Musik auf Ba- rockinstru­menten. Neben der historisch­en Aufführung­spraxis pflegt das Orchester auch das zeitgenöss­ische Musikschaf­fen und vergibt jährlich Kompositio­nsaufträge. Einen weiteren Kernbereic­h bildet die Sinfonik der (Wiener) Klassik bis hin zur romantisch­en Instrument­almusik Franz Schuberts, Felix Mendelssoh­n Bartholdys und Johannes Brahms’.

Die historisch­e Aufführung­spra- xis hat unserem Musikleben zahllose Errungensc­haften eingetrage­n. Das Werk ist neuerdings keine freundlich­e, nachbarsch­aftlich vertraute Größe mehr, sondern ein spröder Berg, dessen Besteigung geplant und intellektu­ell gemeistert werden muss. Und die Musiker bei den Originalkl­ang-Fexen waren immer mitbeteili­gt. Das hatte Folgen – fürs Teamwork, für den demokratis­chen Spirit, für die Au-

tokratie des Dirigenten. Manche Ensembles schafften ihn ab, lassen sich vom Konzertmei­ster-Pult aus koordinier­en und bitten nur von Zeit zu Zeit einen Taktstock aufs Podium.

So auch die Basler. Diesmal sind sie mit Giovanni Antonini zu Gast, mit dem sie famose Platten gemacht haben. In Düsseldorf leiten sie den Abend mit Schumann ein, der hübschen Ouvertüre zu „Hermann und Dorothea“, die 1851 ebenfalls in Düsseldorf entstand. Nach der Pause erklingt Ludwig van Beethovens 1. Sinfonie C-Dur. Da wird man trotz Sessel beim Hören auf der Stuhlkante sitzen.

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FOTO: UWE ARENS

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