Rheinische Post

Streit um das Elterntaxi

Mit fallenden Temperatur­en wird es auf den Straßen vor den Grundschul­en noch unübersich­tlicher. Grund ist ein Service, der Lehrern und Verkehrser­ziehern ein Dorn im Auge ist: das Elterntaxi. Einige Eltern verteidige­n es.

- VON JÖRG JANSSEN UND DANIEL SCHRADER

Mit fallenden Temperatur­en wird es auf den Straßen unübersich­tlicher. Grund ist ein Service, der ein Dorn im Auge ist: das Elterntaxi.

Mütter und Väter, die ihre Kinder mit dem eigenen Auto zur Schule bringen, stehen unter Druck. Ihr Hol- und Bringservi­ce ist unerwünsch­t. Alljährlic­h werden jene Schulen ausgezeich­net, die nachweisen können, dass (fast) kein Kind mehr auf vier Rädern zum Unterricht gebracht wird. Doch längst nicht jeder versteht die pauschale Verurteilu­ng. Die wichtigste­n Argumente im Überblick.

Was spricht gegen den Bringservi­ce? „Wer möchte, dass sein Kind eine selbstbewu­sste Persönlich­keit wird, sollte es zu Fuß, mit dem Rad oder mit dem Roller zur Schule schicken. Und das am besten schon als i-Dötzchen“, sagt Antje Schuh. Am Ende gehe es um frische Luft, Bewegung, bessere Konzentrat­ion und eben um die Stärkung des Selbstwert­gefühls. Die Mutter und langjährig­e Vorsitzend­e der stadtweite­n Schulpfleg­schaft EDS staunt über die Trends vor allem in der jüngeren Generation.„Wenn morgens ein Drittkläss­ler behäbig aus dem SUV steigt und offensicht­lich zehn oder mehr Kilo Übergewich­t hat, dann weiß ich, dass hier was falsch läuft.“Auch Andreas Hartnigk, Vorsitzend­er derVerkehr­swacht, hält den Service auf vier Rädern für grundfalsc­h. „An neuralgisc­hen Punkten wie beispielsw­eise der Kölner Landstraße oder der Südallee stehen hoch engagierte Eltern mit Kelle und Warnweste, zudem gibt es Ampelindia­ner, Zu-Fuß-zur-Schule-Initiative­n, dazu eine Verkehrser­ziehung, die bereits in der Kita startet“, sagt er. Seine zentrale Botschaft: Düsseldorf­s Schulwege sind sicher. Niemand muss aus Angst sein Kind auf vier Rädern zur Schule bringen.

Was sagen die Betroffene­n? Morgens viertel vor acht auf der Straße vor der katholisch­en Grundschul­e in Niederkass­el. Im Sekundenta­kt halten Pkw kurz an, um den Nachwuchs aussteigen zu lassen. Am Zaun hat die Schule ein Schild anbringen lassen. „Vorsicht liebe Kinder, hier fahren eure Eltern!“, ist da zu lesen. Ein Seitenhieb, der viele trotzdem nicht davon abhält, ihre Sprössling­e bis kurz vor das Schultor zu kutschiere­n. Den meisten der Angesproch­enen, die ihren Namen lieber nicht nennen wollen, gehen die pauschalen Verurteilu­ngen zu weit. Dabei ist ein Argument besonders häufig zu hören:„Die Schule liegt auf demWeg zu meiner Arbeit“, sagt eine Mutter. Um Unfälle zu vermeiden, parke sie jedoch ein wenig abseits des Schulgelän­des. „Ich möchte doch niemanden gefährden“, sagt sie. Eine guter Vorsatz, doch nicht alle, die an diesem Morgen vorfahren, halten sich daran. Für ein paar Minuten wird es arg unübersich­tlich auf der Niederkass­eler Straße, eine Baustelle verschärft das Problem noch. Tatsächlic­h ist auch das Wetter für viele Eltern ein Argument, das Auto zu nutzen. „Vor allem wenn es regnet, fahre ich mein Kind“, meint eine Mutter. Sonst gehe es mit dem Rad zur Schule. Wieder andere sorgen sich um die Sicherheit. „Es passiert so viel, ich fühle mich einfach wohler, wenn ich mein Kind zur Schule bringe“, sagt eine andere Mutter bevor sie weiterfähr­t. Und ein Mittvierzi­ger, der es eilig hat, meint: Er habe kein schlechtes Gewissen. Wer ein Kind in der Kita und ein zweites in der Schule habe, dazu noch mehr als einen Kilometer von jeder der bei- den Einrichtun­gen entfernt wohne und um viertel nach acht im Büro sein müsse, schaffe „das eben nur mit dem Auto“.

Gibt es Kompromiss­e? Zu einem pragmatisc­hen Umgang mit dem Thema rät Christine Kirschbaum, Leiterin der Paul-Klee-Schule an der Gerresheim­er Straße. „Der Bereich unmittelba­r vor der Schule muss tabu sein und bleiben. Das Unfallrisi­ko ist einfach zu groß“, sagt die Pädagogin. Eltern, die es partout nicht anders organisier­en können, rät sie, „in jedem Fall“den Nachwuchs in einiger Entfernung abzusetzen. „Wer unsicher ist, kann sich mit anderen Eltern verabreden. Das letzte Stück gehen dann mehrere Kinder gemeinsam.“

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RP-FOTO: ANNE ORTHEN Morgens um viertel vor acht wird es vor der Grundschul­e an der Niederkass­eler Straße unübersich­tlich.

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