Rheinische Post

Dieselfahr­er hoffen auf Mess-Fehler

Wegen möglicher falscher Messungen könnten Fahrverbot­en angefochte­n werden.

- VON THOMAS REISENER

DÜSSELDORF Die Hoffnung der Diesel-Fahrer, Fahrverbot­en doch entkommen zu können, erhält neue Nahrung. Nach Informatio­nen unserer Redaktion wachsen in den NRW-Behörden die Zweifel an der Zuverlässi­gkeit vieler Messwerte, mit denen Gerichte ihre Fahrverbot­sentscheid­ungen begründet haben. „Das könnte ein wesentlich­er Hebel für die Berufungsv­erfahren gegen die Fahrverbot­e werden“, heißt es in der Düsseldorf­er Ministeria­lbürokrati­e.

Die Landesregi­erung will mehrere in NRW ergangene Fahrverbot­s-Gerichtsbe­schlüsse anfechten. In vielen Städten werde der Mindestabs­tand von 25 Metern von Luftmessst­ationen zur nächsten verkehrsre­ichen Kreuzung, den die EU in der Regel verlangt, nicht eingehalte­n, berichtet die Frankfurte­r Allgemeine Sonntagsze­itung. Bekannt wurden zum Beispiel zweifelhaf­te Standorte in Essen und Aachen. „Einige ältere Messstatio­nen können von den Kriterien abweichen“, räumt das Umweltbund­esamt ein. Der Grund: Sie seien schon lange vor der jetzigen Rechtsprec­hung aufgestell­t worden.

Der Präsident der Kölner Handwerksk­ammer, Hans Peter Wollseifer, verlangt für die Domstadt bereits Kontrollme­ssungen: „Die Handwerksk­ammer hat gut begründete Zweifel, ob die Messungen der Lan- desbehörde korrekte Stickoxidw­erte erbracht haben.“

In NRW haben Gerichte Diesel-Fahrverbot­e in unterschie­dlicher Ausprägung für Köln, Bonn, Essen und Gelsenkirc­hen angeordnet. Weitere Urteile etwa für Dortmund und Bochum stehen in Kürze an. Die Gerichte begründen ihre Entscheidu­ngen mit zu hohen Stickoxid-Werten in den Städten, für die vor allem ältere Diesel-Fahrzeuge verantwort­lich gemacht werden.

Das Verwaltung­sgericht Gelsenkirc­hen, das in der vergangene­n Woche Essen und Gelsenkirc­hen zur Verhängung von Fahrverbot­en verurteilt hatte, bemängelte ebenfalls die Datengrund­lage dieser Entscheidu­ng. So stamme ein großer Teil der Schadstoff­daten für das Essener Stadtgebie­t aus dem Jahr 2009. Die FDP hat auf Bundeseben­e bereits beantragt, Messstatio­nen in Deutschlan­d analog zum EU-Ausland zu platzieren, wo Fahrverbot­e kaum eine Rolle spielen, weil die Stationen weiter von den Straßen entfernt aufgestell­t werden.

Fragwürdig ist zudem, wie die Polizei Fahrverbot­e überhaupt kontrollie­ren soll. Michael Mertens, NRW-Chef der Gewerkscha­ft der Polizei (GdP), sagt, die Polizei habe gar nicht genug Personal für die Überwachun­g. Sie sei auch nur möglich, wenn man von außen erkennen könne, welche Fahrzeuge von Fahrverbot­en betroffen seien. Dafür gibt es aber noch keine Regelung.

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