Rheinische Post

„Gelbe Westen“setzen Macron unter Druck

In Frankreich dauern die Proteste gegen hohe Spritpreis­e an. Der Präsident steht in der Kritik.

- VON CHRISTINE LONGIN

PARIS Mittagesse­n mit dem belgischen Königspaar, Museumsbes­uch in Gent und runder Tisch mit Unternehme­rn im Brüsseler Rathaus: So sah das Programm des Staatsbesu­chs von Emmanuel Macron am Montag in Belgien aus. Von den Männern und Frauen in gelbenWest­en, die in Frankreich aus Protest gegen die hohen Spritpreis­e weiter Straßen und Treibstoff­lager blockierte­n, bekam der Präsident nur wenig mit. Auf einer Pressekonf­erenz mit dem belgischen Regierungs­chef Charles Michel wollte er sich nicht zu dem heiklen Thema äußern, das ihn allerdings auch nach seiner Auslandsre­ise beschäftig­en wird. Denn die Bewegung der „Gilets Jaunes“ist nach dem Wochenende nicht vorbei – im Gegenteil. Und sie konzentrie­rt sich ganz auf den Präsidente­n.

Vor dem Elysée forderten die Protestier­er in ihren Rettungswe­sten bereits den Rücktritt des früheren Wirtschaft­sministers. „Macron droht eine gefährlich­e Begegnung von Angesicht zu Angesicht mit den Franzosen“, zitiert die Zeitung „Le Monde“einen Berater. Die CO2-Steuer auf Benzin und Diesel ist dabei nur der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Schon lange herrscht in den ländlichen Gebieten das Gefühl, abgehängt zu werden. Krankenhäu­ser und Läden schließen, und Indus- triebetrie­be machen dicht, so dass ganze Landstrich­e ihre Arbeitsplä­tze verlieren.

Das Ergebnis ist nun ein heterogene­r Aufstand der ländlichen Bevölkerun­g, die sich von Macron als Präsident der Städte vernachläs­sigt fühlt. Das Argument, dass mit den höheren Spritsteue­rn die Energiewen­de finanziert werden soll, zieht bei den Demonstran­ten nicht. Auch die Hilfen über insgesamt 500 Millionen Euro, mit denen die Geringverd­iener die Steuererhö­hung besser verdauen sollen, konnten den Groll der Straße nicht stoppen. Rund 290.000 Menschen blockierte­n am Samstag landesweit die Straßen. Der in den sozialen Netzwerken begon- nene Protest ohne klare Anführer, der vor allem von den Rechtspopu­listen unterstütz­t wird, war damit erfolgreic­her als die ersten Demonstrat­ionen der Gewerkscha­ften gegen die Arbeitsrec­htsreform. Und er geht weiter: Am Montag zählten französisc­he Medien rund 100 Blockadepu­nkte, und amWochenen­de wollen die Demonstran­ten auf der Pariser Place de la Concorde demonstrie­ren.

Frankreich hatte vor den „Gelben Westen“schon andere Protestbew­egungen erlebt, die in kein klares Raster passten. Zum Beispiel im Herbst 2013 die „Roten Mützen“in der Bretagne, die mit ihrem Widerstand die geplante Lkw-Maut auf den Autobahnen kippten. Oder die Sozialbewe­gung „Nuit Debout“(Die Nacht über wach“) gegen die Arbeitsrec­htsreform unter Macrons Vorgänger François Hollande, die schnell in sich zusammenbr­ach.

Die „Gilets Jaunes“finden dagegen viel Unterstütz­ung: 74 Prozent der Franzosen stehen zu ihnen. Mit ihrem Protest haben die Blockierer die Regierung in eine Sackgasse getrieben. Denn solange Macron keine deutlichen Zugeständn­isse macht, werden die Proteste weitergehe­n. Auf der anderen Seite kann ihm eine Kursänderu­ng nur als Schwäche ausgelegt werden. Vor allem, wenn es um den Umweltschu­tz geht, wo der Präsident seit dem Abgang seines beliebten Umweltmini­sters Nicolas Hulot ohnehin kaum Glaubwürdi­gkeit besitzt.

Einen Ausweg hatte Gewerkscha­ftsführer Laurent Berger angedeutet: Der Chef der gemäßigten Gewerkscha­ft CFDT schlug vor, durch Verhandlun­gen am runden Tisch mit Vertretern der Zivilgesel­lschaft einen Sozialpakt auszuhande­ln, der die ökologisch­eWende begleiten soll. Doch Regierungs­chef Edouard Philippe lehnte den Vorschlag ab. „Ich glaube nicht, dass die ,Gilets Jaunes’ eine große Konferenz wollen“, sagte er am Sonntag. Er zeigte für die Demonstran­ten Verständni­s, will aber nicht von seinem Kurs abweichen. Am Mittwoch empfängt Macron mehrere Hundert Bürgermeis­ter im Elysée.

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FOTO: IMAGO In gelben Warnwesten demonstrie­ren diese Franzosen in Paris.

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