Rheinische Post

Er ist immer noch da

Nach dem WM-Debakel war eigentlich klar, dass Joachim Löw einen Abstieg aus der Nations League sportlich nicht überleben würde. Doch der eingeleite­te Umbruch rettete den Bundestrai­ner.

- VON JÖRG SOLDWISCH UND OLIVER MUCHA

GELSENKIRC­HEN (sid) Den Makel eines WM-Versagers und Absteigers sieht man Joachim Löw nicht an. Der Bundestrai­ner bezeichnet das historisch schlechte Jahr 2018 zwar als „eine richtige Ohrfeige“, doch wirklich mitgenomme­n kommt er nicht daher. Löw sieht sich nach wie vor als richtigen Mann zur rich-

„Das ist wie im Leben, manchmal muss man etwas weiter unten anfangen“Joachim Löw

Bundestrai­ner

tigen Zeit auf dem wichtigste­n Trainerpos­ten im deutschen Fußball – und das strahlt er auch aus.

„Wer denkt, dass man über zehn, 20 Jahre zu den besten drei Teams in derWelt gehören kann, hat den Fußball nicht verstanden“, sagte Löw fast schon missionari­sch vor dem letzten Länderspie­l des Horror-Jahres am Montagaben­d gegen die Niederland­e. Unter seiner Führung sei die deutsche Nationalma­nnschaft in diesem Jahrzehnt „die konstantes­te“gewesen,„dass es dann mal ein Jahr gibt, in dem es nicht so geht, ist für mich völlig normal“.

Völlig normal? EinVorrund­en-Aus bei einer WM hatte es zuvor in der Geschichte des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) noch nicht gegeben. Bei der Premiere der Nations League stieg die DFB-Auswahl aus der A-Gruppe ab. Sechs Niederlage­n bedeuteten schon vor dem Duell mit den Niederland­en einen peinlichen Negativrek­ord. Ohne denWeltmei­ster-Bonus hätte Löw diese grauenhaft­en Statistike­n sportlich nicht überlebt.

Auch ohne den eingeleite­ten Umbruch im Team wäre Löw die Aufgabe Qualifikat­ion zur Euro 2020 wohl nicht mehr anvertraut worden. Doch wie schon einige Male zuvor in seinen knapp 13 Amtsjahren zögerte Löw so lange mit diesem Schritt, bis er wirklich alternativ­los war. Die 0:3-Pleite Mitte Oktober im Hinspiel in den Niederland­en öffnete auch Löw endgültig die Augen. Spät, aber nicht zu spät.

Seitdem verordnet Löw der Nationalma­nnschaft eine Verjüngung­skur, auch wenn er dafür einige 2014-Weltmeiste­r opfern muss. Dass er Jerome Boateng vorerst nicht mehr nominiert oder Thomas Müller nur auf die Bank setzt, schmerzt Löw. Das kann man in all seinen Aussagen über die verdienten, aber in die Jahre gekommenen Profis heraushöre­n.

Doch auch bei der neuen Turbo-Generation um Serge Gnabry und Thilo Kehrer kommt Löw gut an, das ist aus Mannschaft­skreisen zu hören. Dass er junge Spieler mit seinen Ansprachen erreichen, sie im Training formen und ihnen im Spiel Vertrauen schenken kann – das hat er beim Confed-Cup-Sieg 2017 bewiesen.

„Er hat Lust, neue Dinge anzugehen und neue Impulse zu setzen“, berichtet Nationalma­nnschafts-Direktor Oliver Bierhoff. Auch auf Leon Goretzka wirkt Löw alles andere als amtsmüde:„Die Energie hat er zweifelsoh­ne. Auf mich macht er einen sehr gefestigte­n Eindruck.“

Und Löw ist voller Tatendrang. Anders als Bierhoff ist er gar nicht so erleichter­t, dass das sportliche Horror-Jahr mit dem Niederland­e-Spiel abgeschlos­sen ist. „Ich hätte gerne noch das ein oder andere Länderspie­l mehr gemacht“, sagte der Bundestrai­ner. Umso größer ist seine Motivation für 2019. Dann will Löw wieder oben ankommen: „Das ist wie im Leben, manchmal muss man etwas weiter unten anfangen.“

Info Das Spiel der deutschen Nationalma­nnschaft gegen die Niederland­e war bei Druckbegin­n dieser Ausgabe noch nicht beendet. Spielberic­ht und Einzelkrit­ik finden Sie unter www.rp-online.de/ sport/fussball. Zusätzlich bieten wir Ihnen für heute einen kostenfrei­en Zugang zu unserem digitalen Angebot an. Sie können E-Paper oder App auf dem Tablet oder Smartphone in der „RP ePaper App“nutzen. Geben Sie dafür in der App unter „Menü / Einstellun­gen / Gutschein einlösen“den folgenden Code ein: 5C5FGYHP

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FOTO: DPA Ein Jahr, in dem sich der Bundestrai­ner warm anziehen musste: Joachim Löw beim Abschlusst­raining der deutschen Nationalma­nnschaft vor dem Länderspie­l gegen die Niederland­e.

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