Rheinische Post

„Zverev kann neue Ära begründen“

Düsseldorf­s Tennis-Größe Detlev Irmler über seine Beziehung zum neuen Weltmeiste­r.

- VON GIANNI COSTA

DÜSSELDORF Detlev Irmler wollte schon ganz oft aufhören. Doch es hat sich bisher niemand gefunden, der ihn ersetzen kann – sagt zumindest Irmler über Irmler. Und so ist er weiter der große Strippenzi­eher im Düsseldorf­er Tennis. Offizielle­r Titel: Teammanage­r der Rochusclub-Bundesliga­mannschaft. Irmler, 77, war einst Kapitän der deutschen Davis-Cup-Mannschaft. Er hat Talente kommen sehen und wieder verschwind­en. Eines Tages stand da Familie Zverev vor ihm. Vater Alexander, Mutter Irina, Sohn Mischa und Sohn Alexander. „Es war schnell klar, dass da etwas Großes heranwachs­en kann“, erzählt Irmler, der hinter den Kulissen mit seinen Kontakten half, wo es nur ging. Zum Beispiel mit einem Sponsorend­eal in den besseren Tagen von „Air Berlin“, der die Anreise im Tross zu vielen internatio­nalen Turnieren überhaupt erst möglich machte.

Irmler hat über die Jahre eine intensive Beziehung aufgebaut. Als sich Alexander, der Vater, intensiv um die Karriere seines jüngeren Sohnes Alexander kümmerte, da konnte Irmler mal wieder nicht „Nein“sagen, als er um einen Gefallen gebeten wurde. Er wollte eigentlich nicht mehr um die Welt touren, aber für Mischa, den zehn Jahre älteren Bruder machte er dann doch nochmal eine Ausnahme. „In dieser Phase hat man gespürt, dass Alexander den entscheide­nden Schliff bekommen hat“, sagt Irmler. „Er hat in sehr kurzer Zeit in fast allen Bereichen dazugelegt. Körperlich und mental. Einen großen Anteil an dieser Entwicklun­g hat Vater Zverev. Er hat als Trainer immer wieder andere Coaches an seiner Seite akzeptiert, um die Kinder noch besser zu machen. Diese Größe haben nur ganz wenige. Die Meisten anderen dulden keine anderen Götter neben sich.“Aktuell unterstütz­t Ivan Lendl den Familienbe­trieb. Die Eltern sind nicht nur große Fans ihrer Söhne, sie verstehen auch das Geschäft. Der Vater spielte für die Sowjetunio­n im Davis-Cup-Team, seine Frau schaffte es auf Platz 380 der Weltrangli­ste. „Es ist schön, die Familie im Training zu erleben. Das ist eine tolle Einheit“, betonte der deutsche Tennis-Held Boris Becker. Er muss das wissen, denn er war in einem seiner vielen anderen Leben kurzzeitig der Manager von Mischa Zverev. Becker hatte sich auch immer mal wieder für eine Zusammenar­beit mit Alexander ins Spiel gebracht, doch man fand nicht zusammen.

Viele haben Alexander Zverev diesen Aufstieg so nicht zugetraut. Er war anfangs sehr schmächtig, 1,98 Meter groß. Er ist behutsam aufgebaut worden. Hat kleinere und größere Turniere gespielt, ist immer intensiver an den ATP-Zirkus herangefüh­rt worden. Immer gut behütet von seiner Familie. Und man nahm in Kauf, andere vor den Kopf zu stoßen. Als Alexander, genannt Sascha, Zverev, in Hamburg geboren, in seinem Spiel etwas einbrach, wurden daraus sofort Konsequenz­en gezogen und die Teilnahme an einer Davis-Cup-Begegnung kurzfristi­g abgesagt. Beim DTB war man hernach mächtig angefresse­n, schließlic­h ließ man ihm über Jahre eine Sonderbeha­ndlung zuteil kommen. Der Verband hat Zverev mit 60.000 Euro im Jahr gefördert. „Wir haben ihm den größten Teil des Gehalts für seinen Fitnesstra­iner gemeinsam mit dem Deutschen Olympische­n Sportbund ge- Detlev Irmler Tennis-Manager

zahlt“, hat DTB-Vize Dirk Hordorff einmal verraten. „So eine Unterstütz­ung gab es in dieser Größenordn­ung noch nicht beim DTB. Vergleichb­are Spieler wurden früher mit maximal 5000 Euro im Jahr gefördert. Das reicht heute einfach nicht mehr aus. Wir müssen unsere außergewöh­nlichen Talente so behandeln, dass sie auch mit den außergewöh­nlichen Talenten anderer Nationen Schritt halten können.“

Zverev, die Nummer vier der Tennis-Weltrangli­ste, hat sich allerdings nie als „nationale Angelegenh­eit“gesehen. Er ist eine internatio­nale Marke. „Er bringt alles mit, um ein Weltstar zu werden. Er ist ja jetzt schon auf dem besten Weg dahin“, sagt Irmler. „Sein Spiel ist unfassbar intelligen­t, er hat alle Schläge drauf, ist vielseitig und schnell. Wenn ihn keine Verletzung ausbremst, dann wird er schon bald dauerhaft eine gewichtige Rolle in der Szene spielen. So ein Typ wie er ist so unfassbar wichtig für die ganze Tennisbran­che. Zverev ist endlich das frische Gesicht, nach dem sich viele gesehnt haben. Und er hat ja nicht nur flotte Sprüche drauf, sondern er liefert auch ab. Darum geht es am Ende.“

Beim ATP-Saisonfina­le in London hat er mit seinem Sieg im Finale gegen den Serben Novak Djokovic nachhaltig­Werbung in eigener Sache betrieben. Boris Becker geriet danach ins Schwärmen. „Auf diesen Moment hat die ganze Tenniswelt gewartet“, so Becker bei der BBC. „Jahrelang haben wir gesagt, das Tennis braucht neue Gesichter und starke neue Spieler. Er hat bewiesen, dass er der Beste der neuen Generation ist. Ein Star ist angekommen.“

Irmler ist sicher, dass die Reise von Alexander Zverev noch nicht vorbei ist. „Im nächsten Jahr wird er richtig angreifen. Er ist ja immer noch in der Ausbildung­sphase, aber ihm wird immer deutlicher, dass er schon mit den ganz Großen nicht nur mitspielen kann, sondern dass er sie auch besiegen kann. Und das nicht nur an außergewöh­nlichen Tagen. Er kann eine neue Ära begründen. Es macht einfach Spaß ihm zuzusehen.“Hat er noch einmal den Traum, ihn in seinem Bundesliga­team in Düsseldorf zu sehen? Irmler überlegt einen Augenblick, dann fängt er an zu lachen. „Der Junge ist im Begriff, die Nummer eins der Welt zu werden“, sagt er. „Da muss er sich auf andere Dinge konzentrie­ren. Bei seinem Bruder Mischa konnte es schon eher mal im Terminkale­nder passen. Mal sehen, was noch so kommt.“

Irmler zieht weiter die Strippen. Es findet sich ja kein anderer.

„Es war schnell klar, dass da etwas Großes heranwachs­en kann“

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FOTO: AP Im Konfetti-Regen: Alexander Zverev nimmt die Trophäe für den Sieg bei den ATP-Finals entgegen.
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