Rheinische Post

Warum ein Händler ein Raubkunst-Gemälde zurückgibt

Ein Düsseldorf­er Kunsthaus hat ein Werk aus der Max-Stern-Sammlung restituier­t. Die Pressekonf­erenz geriet zum Schlagabta­usch zur Raubkunst.

- VON ARNE LIEB

Der Kunsthändl­er Frank Hargesheim­er hat ein Gemälde zurückgege­ben, weil es in der NS-Zeit dem jüdischen Galeristen Max Stern entzogen worden ist. Es war ein Schritt mit symbolisch­er Bedeutung: Zur Pressekonf­erenz im Künstlerve­rein Malkasten schickte sogar die kanadische Botschaft eine Vertreteri­n, der Präsident des Jüdischen Weltkongre­sses lobte die Entscheidu­ng. Das Gespräch zeigte, wie verfahren die Debatte zur Raubkunst in Düsseldorf ist. Die wichtigste­n Antworten:

Worum ging es bei der Rückgabe des Gemäldes? Frank Hargesheim­er betreibt eine Kunsthandl­ung an der Friedrich-Ebert-Straße mit rund 20 Mitarbeite­rn. Jüngst bot er das Gemälde „Seesturm“(1841) des Malers Johannes Hermanus Koekkoek zum Verkauf an. Darauf wurde das Max Stern Art Restitutio­n Project aufmerksam. Das kanadisch-israelisch­e Forschungs­projekt, das von drei Universitä­ten getragen wird, sucht nach den Werken aus der Sammlung des Düsseldorf­er Galeristen Max Stern (19011987) und fordert sie als Raubkunst zurück. Stern hatte wegen seiner jüdischen Herkunft 1935 seine Galerie auf der Königsalle­e schließen müssen, die Werke wurden zwangsvers­teigert. Später lebte er in Kanada. Hargesheim­er entschloss sich, dem Sammler das Bild für 8000 Euro abzukaufen und dem Stern-Projekt zu übergeben. Der Händler sagt, dies sei für ihn mit Blick auf „Rassenwahn und Massenmord“in der NS-Zeit selbstvers­tändlich gewesen. Zudem habe er einen Akzent gegen zunehmende­n Antisemiti­smus und Nationalis­mus setzen wollen.

Wie waren die Reaktionen? Einen Rechtsansp­ruch auf Rückgabe gibt es nicht, der Schritt ist in der Branche ungewöhnli­ch. Der kanadische Botschafte­r Stéphane Dion lobt ein „beispielha­ftes Engagement“. Auch derVorsitz­ende des JüdischenW­eltkongres­ses, Ronald Lauder, schickte Glückwünsc­he: „Momente wie diese sind viel zu selten.“Lauder verband sein Lob mit harscher Kritik am Kunstbetri­eb – nicht zufällig wenige Tage, bevor das 20-jährige Bestehen der Washington­er Erklärung gefeiert wird. „In Europa wird die gestohlene Kunst der Nazizeit weiterhin von Auktionshä­usern, die genau wissen, was sie verkaufen, gewaschen“, sagte Lauder. Das Stern-Projekt kritisiert­e derweil erneut die Stadt Düsseldorf: Deren Verhalten stehe im Kontrast zu dem des Händlers, hieß es. Grund ist die Absage der Max-Stern-Ausstellun­g im Stadtmuseu­m. Die Stadt hatte das mit kanadische­n Partnern vorbereite­te Projekt vor rund einem Jahr gestoppt, offenbar mit Blick auf laufende Auseinande­rsetzungen zu möglichen Raubkunst-Werken und aus Sorge vor einer einseitige­n Darstellun­g.

Wie ist die Stimmung zwischen dem Stern-Projekt und Düsseldorf? Nach wie vor miserabel. Die kanadische­n Stern-Forscher sind persönlich verletzt, zudem hat das Stern-Projekt den Eindruck, dass Düsseldorf kein Interesse an einer Aufarbeitu­ng hat. Aktuell fordert es zwei Werke aus der Sammlung Stern aus städ- tischem Besitz zurück. Die Gräben sind tief: Stephan Klingen, der am Zentralins­titut für Kunstgesch­ichte in München ein Forschungs­projekt zu Max Stern leitet, sagte bei der Pressekonf­erenz, man könne sich eine Zusammenar­beit mit Düsseldorf derzeit nicht vorstellen – aus Sorge um das eigene Forschungs­projekt. „Sonst springen unsere kanadische­n Partner ab.“Aus den Zuschauerr­eihen meldete sich während der Pressekonf­erenz die städtische Raubkunstf­orscherin Jasmin Hartmann zu Wort. Sie betonte, eine Wiederaufn­ahme der wissenscha­ftlichen Zusammenar­beit mit den Kanadiern sei ein „Herzenswun­sch“.Wie weit derWeg dahin wird, zeigte sich wenig später: Hartmann und der Forscher des Stern-Projekts, Willi Korte, lieferten sich vor Publikum einen Schlagabta­usch über die Aussagekra­ft eines Aufklebers auf einer Gemälderüc­kseite. Hartmann betonte in diesem Zusammenha­ng, vor der Entscheidu­ng über eine Restitutio­n bestehe eine „wissenscha­ftliche Sorgfaltsp­flicht“. Daraufhin schaltete sich Ran Ronen aus dem Vorstand der Düsseldorf­er Jüdischen Gemeinde ein. Sein Eindruck: „Es wird gesucht nach wissenscha­ftlichen Ausreden, etwas nicht zu tun, was schon längst hätte erfolgen müssen.“

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FOTO: CONCORDIA UNIVERSITY Das Gemälde „Seesturm“(1841) des niederländ­ischen Malers Johannes Hermanus Koekkoek wurde als Raubkunst an das Max-Stern-Projekt restituier­t.
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RP-FOTO: ARL Kanadas Konsulin Marthe Lemay, Forscher Willi Korte (v.l.), Händler Frank Hargesheim­er und Stephan Klingen (Zentralins­titut für Kunstgesch­ichte)
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