Kulturelle Teilhabe kann jeder
Igor Martynov geht mehrmals im Monat ins Theater oder ins Kino. Das kann er sich aber nur leisten, weil es die Kulturliste Düsseldorf gibt.
Igor Martynov strahlt, als er gemeinsam mit seiner Frau aus dem Theater-Saal des Düsseldorfer Schauspielhauses kommt. DieVorstellung war unterhaltsam, gemeinsam mit vielen anderen Düsseldorfern hat er sich sehr amüsiert. Dass er diese und viele andere kulturelle Vorstellungen aber überhaupt besuchen kann, verdankt er dem gemeinnützigen Verein Kulturliste Düsseldorf, der sich seit fünf Jahren für die kulturelle Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger in der Landeshauptstadt einsetzt.
Eigentlich kann Igor Martynov (65) sich nämlich keinen Besuch im Theater, in der Tonhalle oder auch im Fußballstadion leisten. Der gebürtige Ukrainer wächst in Lettland auf, wo er Elektromechanik studiert und viele Jahre als Ingenieur arbeitet. Vor 26 Jahren kommt Martynov aber nach Deutschland, unter anderem aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Situation in seiner Heimat. In Deutschland verspricht er sich ein besseres Leben. Und obwohl sein Diplom vollständig anerkannt wird, muss Martynov sich anfangs mit Praktikanten-Stellen zufriedengeben und eine zusätzliche Ausbildung absolvieren.
Sein erster richtiger Job als Service-Techniker wird ihm 2011 schließlich gekündigt, seither sucht Martynov wieder mühevoll nach einer neuen Arbeit. „Ich habe insgesamt 500 Bewerbungen rausgeschickt. Ich bekam drei Vorstellungsgespräche. Niemand wollte wissen, wie gut ich bin.“Jetzt arbeitet der 65-jährige studierte Ingenieur als Ein-Euro-Jobber und bezieht Sozialhilfe. Während er davon erzählt, ist ihm die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben. Martynov ge- hört nun zum erschreckend großen Anteil von über 17 Prozent aller Düsseldorfer, die sich mit ihrem Einkommen unter der Armutsgrenze befinden (Quelle: Armutsbericht 2017 des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes).
An kulturelle Teilhabe war für Igor Martynov vor etwa neun Jahren deshalb kaum zu denken. Das Geld für einen Besuch im Theater oder im Kino war einfach nicht übrig. Dann erfuhr er von der Kulturliste Düsseldorf. Seit 2012 setzt sich der gemeinnützige Verein dafür ein, dass alle Menschen in der Stadt kulturelle Veranstaltungen besuchen können. Das Konzept ist einfach: Institutionen stellen Freikarten zur Verfügung, anschließend werden diese von den 34 ehrenamtlichen Mitarbeitern der Kulturliste an die rund 1000 registrierten Kulturgäste weiter vermittelt. Bis heute wurden bereits über 20.000 Karten vergeben.
Zu den Partnern des Vereins gehören aber nicht nur Kultur-Institutionen – auch Besuche bei Sportveranstaltungen sind für die Gäste möglich. So gibt es seit 2018 auch Karten für Heimspiele der Fortuna Düsseldorf.
Für Stephanie Hartmann vom Vorstand der Kulturliste Düssel- dorf ist ihre ehrenamtliche Arbeit ein voller Erfolg: „Das Konzept geht auf. Wir erleben täglich, dass Menschen, die am kulturellen Leben teilhaben, sich einfach mehr als Teil der Gesellschaft fühlen“.
Trotzdem sei da noch viel Luft nach oben, der Verein könne noch viel mehr bewirken. Hauptberuflich arbeitet Hartmann als Kulturmanagerin, und weiß deshalb: Mit einer höheren finanziellen Unterstützung könne man mehr potenzielle Gäste erreichen und Hauptamtler einstellen, um bessere Vereinsstrukturen zu schaffen, findet Hartmann. „Es scheitert manchmal an den kleins-
ten Dingen“. Sie wünscht sich deshalb mehr Unterstützung seitens der Stadt, die den Verein bislang nicht direkt finanziell unterstützt. „Kulturelle Teilhabe ist kein Luxus, sondern ein grundlegendes Menschenrecht“, erklärt sie dazu. „Wir übernehmen eine soziale Verantwortung, die eigentlich beim Staat liegt.“Ein Anfang: Oberbürgermeister Thomas Geisel unterstützt den Verein als Schirmherr.
Igor Martynov ist vom Angebot der Kulturliste jedenfalls mehr als begeistert. Seit vier Jahren ist er bereits Kulturgast, und wird es wohl noch lange bleiben. „Es ist eine fantastische Idee“, findet der 65-Jährige. Ob Kino, Salsa-Festival oder Theater, im Durchschnitt besucht Martynov drei- bis viermal pro Monat verschiedenste kulturelle Veranstaltungen – und das am liebsten gemeinsam mit einem anderen Kulturgast: seiner Frau.