Rheinische Post

SPD wünscht sich mehr Reibungsfl­äche mit der CDU

Die Sozialdemo­kraten hoffen auf Friedrich Merz als neuen CDU-Vorsitzend­en – dann könnten sie sich wieder besser abgrenzen.

- VON JAN DREBES UND KRISTINA DUNZ

BERLIN Alle reden über die CDU, und die SPD schaut zu. Diesen Witz in Unionskrei­sen finden Sozialdemo­kraten nicht lustig. Erst recht nicht, wenn sich jetzt der Eindruck verfestige­n sollte, die Christdemo­kraten machten mit ihren acht Regionalko­nferenzen zur Vorstellun­g der Kandidaten für den Parteivors­itz dem basisdemok­ratisch erprobten SPD-Mitglied etwas vor: Soll die CDU doch erst einmal ihre Leute über einen Koalitions­vertrag abstimmen lassen, dann wisse sie, was Basisdemok­ratie bedeute. Vor allem aber müsse sich die Partei unter Führung von Andrea Nahles für einen abrupten Koalitions­bruch wappnen, meint NRW-Landtagsfr­aktionsche­f Thomas Kutschaty. Er sagt unserer Redaktion:„Die SPD muss darauf vorbereite­t sein, dass die Union rasch nach der Wahl des neuen Parteichef­s die große Koalition beendet. Wir dürfen alte Fehler nicht wiederhole­n und wie bei den geplatzten Jamaika-Verhandlun­gen wie vom Bus überfahren dastehen.“Das bedeutet vielleicht auch: zur Not lieber selbst die Segel strei- chen, als sich rauswerfen zu lassen. Als eine Wunschvors­tellung mancher SPD-Politiker gilt derzeit ohnehin: Opposition ohne Neuwahl.

Kutschaty mahnt, intern müsse Klarheit über wichtige Programmpu­nkte geschaffen werden. „Die SPD muss beispielsw­eise die Debatte zum Sozialstaa­t im Frühjahr mit klaren und geeinten Ergebnisse­n beenden. Ich bin dafür, noch vor der Europawahl einen Sonderpart­eitag nur zum Programm abzuhalten, damit die Antworten der SPD von allen mitgetrage­n werden können.“Am Geld dürfe ein solcher Sonder- parteitag nicht scheitern, der wichtige Antworten für die Europa- und die Landtagswa­hlen liefern würde.

Allerdings unterschät­zen die Sozialdemo­kraten, dass sich auch die Kandidatin Annegret Kramp-Karrenbaue­r nach ihrer Wahl zur Parteichef­in darum bemühen müsste, die Anhänger von Merz und Spahn hinter sich zu versammeln, um eine Spaltung der CDU zu vermeiden. Sie hat schon einmal vorgelegt: etwa mit ihrer Forderung zu Abschiebun­gen von Straftäter­n nach Syrien. Demnach wäre auch von ihr reichlich Reibungsfl­äche für die SPD zu erwarten. Dass sie konservati­ver als Kanzlerin Angela Merkel ist, ist der SPD ohnehin klar. Die Aussichten des dritten Kandidaten, Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn, werden in der SPD für so gering gehalten, dass sie über seine mögliche Polarisier­ung als CDU-Chef nicht spekuliere­n.

Doch die SPD hat ein Zeitproble­m: Denn eigentlich wollen sich Parteiführ­ung und Delegierte erst Ende 2019 zum nächsten regulären Parteitag treffen. Dann sollen wichtige Inhalte für eine neue SPD und für das Wahlprogra­mm fest- gezurrt werden. Außerdem steht die Vorstandsw­ahl an. Gleichzeit­ig aber fällt in diese Zeit die von der SPD im Koalitions­vertrag verankerte Zwischenbi­lanz der großen Koalition. Für die SPD könnte also alles zusammenko­mmen: eine große Generalabr­echnung von Groko-Gegnern und Kritikern der amtierende­n Führungsma­nnschaft. Zudem gibt es bis dahin fünf Wahlen, neben Landtagen in Ostdeutsch­land die Europawahl, die in der SPD bereits wieder zu „einer der entscheide­ndsten Abstimmung­en überhaupt“erklärt wird.

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