Rheinische Post

Scholz legt Grundsteue­r-Plan vor

Der Bundesfina­nzminister setzt auf eine baldige Einigung mit den Ländern, erntet aber massive Kritik.

- VON BIRGIT MARSCHALL

BERLIN Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD) will die Grundsteue­r neben anderen Faktoren künftig an den erzielten Nettokaltm­ieten einer Wohnimmobi­lie ausrichten. Für selbstgenu­tztesWohne­igentum soll eine fiktive Miete errechnet werden, die sich an denWohngel­dtabellen des Bundesarbe­itsministe­riums orientiert. Wegen der Berücksich­tigung der Mieten bei der individuel­len Neufestset­zung werde die Grundsteue­rlast ab 2025 in attraktive­n Wohnlagen, insbesonde­re in den Großstädte­n, für Eigentümer um einen „niedrigen bis mittleren zweistelli­gen Euro-Betrag pro Jahr“steigen, hieß es am Montag in Kreisen des Finanzmini­steriums.

Da Eigentümer die Grundsteue­r auf die Mieter überwälzen können, nimmt auch der Druck auf die Mieten in den Ballungsrä­umen zu. Scholz denkt aber für Großstädte mit über 500.000 Einwohnern wie Hamburg, München, Berlin, Köln oder Düsseldorf noch über Zu- und Abschläge zur Grundsteue­r nach, um einen zu starken Mietenanst­ieg und Ungerechti­gkeiten innerhalb des Stadtgebie­ts zu dämpfen. In weniger attraktive­nWohnlagen werde die Grundsteue­r dagegen im Vergleich zum Status quo sinken, hieß es.

Das Bundesverf­assungsger­icht hatte der Regierung im April 2018 vorgegeben, die Grundsteue­r bis Ende 2019 zu reformiere­n. Das Gericht hatte die derzeitige Berechnung der Steuer für verfassung­swidrig erklärt, weil die zugrunde liegenden Einheitswe­rte der Grundstück­e in Westdeutsc­hland auf dem Stand von 1964, in Ostdeutsch­land sogar noch auf dem von 1935 beruhen. Bis heute haben sich die Marktverhä­ltnisse erheblich verändert, so dass eine Reform nötig werde, so das Gericht. Zur tatsächlic­hen Umsetzung der Reform hat das Gericht Bund und Ländern bis Ende 2024 Zeit gegeben. Bis dahin müssen die Finanzämte­r bundesweit 36 Millionen Immobilien neu bewertet haben. Scholz will seine Reformvors­tellungen am Mittwoch den Länderkoll­egen präsentier­en und strebt eine möglichst einvernehm­liche Lösung an, die im Jahresverl­auf 2019 durch Bundestag und Bundesrat gehen soll. Bayern hat indes Protest angemeldet. Die Reform solle verfassung­skonform, rechtssich­er, umsetzbar und sozial gerecht sein, hieß es in Kreisen des Finanzmini­steriums. Zudem solle sie aufkommens­neutral sein, also den Kommunen nicht mehr oder weniger als 14 Milliarden Euro pro Jahr einbringen. Scholz wolle den Ländern zwei Modelle präsentier­en, hieß es. Zum eine werde er das sogenannte Flächenmod­ell vorstellen, wonach allein die Grundstück­sfläche und eine Äquivalenz­zahl für die Berechnung der Grundsteue­r ausschlagg­ebend sein sollen. Der Minister präferiere jedoch sein „wertabhäng­iges Modell“mit dem Mieten-Bezug.

Bisher errechnet sich die Grundsteue­r aus der Multiplika­tion von Einheitswe­rt, Steuermess­zahl und Hebesatz der Kommune. Künftig soll der Einheitswe­rt nach den Vorstellun­gen von Scholz durch eine Größe ersetzt werden, die sich aus der Nettokaltm­iete, derWohnflä­che, dem Baujahr, der Grundstück­sfläche und dem Bodenricht­wert einer Immobilie ergibt.

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FOTO: DPA Olaf Scholz während der Haushaltsd­ebatte vergangene Woche.

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