Rheinische Post

Wie Grüner Star unser Augenlicht gefährdet

Das Glaukom ist die zweithäufi­gste Ursache für Erblindung. Rund eine Million Menschen in Deutschlan­d sind daran erkrankt. Tendenz steigend. Früherkenn­ung ist das Wichtigste.

- VON REGINA HARTLEB

Es tut nicht weh, ist unsichtbar, und lange Zeit spürt der Betroffene keinerlei Einschränk­ungen. Das Glaukom, auch Grüner Star genannt, schleicht sich langsam ein und bleibt leider viel zu häufig viel zu lange unbemerkt. Wenn der Betroffene eines Tages dann erste Einschränk­ungen beim Sehen bemerkt, ist die Netzhaut bereits massiv und irreversib­el geschädigt. Dann hilft nur noch Schadensbe­grenzung, um das Schlimmste, die totale Zerstörung des Sehnervs und das Erblinden, zu verhindern.

Genau genommen beschreibt der Begriff Glaukom eine Vielzahl von Augenerkra­nkungen. Sie alle führen unbehandel­t zum Absterben von Nervenfase­rn und zur Erblindung. Dreh- und Angelpunkt aller Glaukomfor­men ist das Kammerwass­er. Es fließt in einem stetigen Kreislauf zunächst von der hinteren in die vordere Augenkamme­r und von dort zurück in den Blutkreisl­auf. Dabei transporti­ert es Nährstoffe für Linse und Hornhaut und enthält außerdem wichtige Bestandtei­le der Immunabweh­r, die das Augeninner­e schützen. Etwa drei bis neun Milliliter Kammerwass­er bildet der Mensch täglich. Das richtige Verhältnis von Produktion und Abfluss der Flüssigkei­t ist entscheide­nd für ein gesundes Auge, denn sie reguliert den Augeninnen­druck.

Der Augeninnen­druck hält den Augapfel, einfach ausgedrück­t, in Form. Das heißt, er garantiert, dass die Hornhaut gewölbt ist, und sorgt für den richtigen Abstand zwischen Linse, Netzhaut und Hornhaut. Ohne dies wäre optimales Sehen unmöglich. Werte zwischen 10 und 21 mm Hg (mmHg steht für Millimeter Quecksilbe­rsäule und ist eine physikalis­che Einheit für Druck) gelten als Normbereic­h für den Augeninnen­druck. Ein dauerhaft zu hoher Druck gilt als einer der Hauptfakto­ren für den Grünen Star.

Die häufigste Form ist das Offenwinke­lglaukom, auch chronische­s Glaukom genannt. Es verursacht lange Zeit keinerlei Schmerzen oder visuelle Probleme. „In der Regel dauert es viele Jahre bis Jahrzehnte, bis man eine messbare Sehstörung feststelle­n kann“, sagt Gerd Geerling, Chef der Universitä­tsaugenkli­nik Düsseldorf. Weil jedes Auge normalerwe­ise Defekte in anderen Sehbereich­en entwickelt, kann das jeweils andere lange Zeit diese Defizite kompensier­en. „Erst im Endstadium, in der Regel nach über zehn Jahren, nimmt der Betroffene dann Sehstörung­en wahr“, so Geer- ling. So empfindet er von heute auf morgen das Gesichtsfe­ld als eingeengt, oder einzelne Sehbereich­e fallen komplett aus (Skotome). Dann ist der Sehnerv bereits erheblich geschädigt, weil der hohe Druck über lange Zeit auf die Nervenfase­rn gedrückt und sie zerstört hat.

Der Augeninnen­druck alleine ist nicht zwingend das Kriterium für ein Glaukom. Denn es gibt auch Fälle, in denen kein erhöhter Druck vorliegt und dennoch ein Glaukom entsteht. Dennoch sollten Menschen ab dem 40. Lebensjahr, besonders wenn sie einen der Risikofakt­oren erfüllen, regelmäßig den Augeninnen- druck messen lassen. Eine wichtige zusätzlich­e Untersuchu­ng in der Vorsorge ist die Gesichtsfe­ldmessung (Perimetrie): Hierbei wird der Bereich geprüft, den man optisch wahrnehmen kann, ohne das Auge zu bewegen. Der Patient sitzt dabei vor einem halbrunden Testschirm. Ein Auge ist zugedeckt, mit dem anderen blickt er auf ein Fixierlich­t in der Mitte des Schirms. In zufälliger Reihenfolg­e erscheinen nun Lichtpunkt­e im Halbrund. Nimmt sein Auge diese Leuchtpunk­te wahr, drückt der Patient einen Signalknop­f. Aus den Messungen errechnet der Computer den vom Auge wahrgenomm­enen Sehbereich.

Perimetrie und die regelmäßig­e Messung des Augeninnen­drucks sind nicht nur vorbeugend wichtig, sondern auch verlässlic­he Therapiebe­gleiter. Glaukom-Patienten sollten beides regelmäßig beim Arzt prüfen lassen. Beide Untersuchu­ngen tun nicht weh und können helfen, jegliche Veränderun­gen im Auge frühzeitig zu erkennen. Ist dies der Fall, kann nahezu in allen Fällen das Schlimmste verhindert werden. Parallel sollte in regelmäßig­en Zeitabstän­den der Sehnervkop­f untersucht werden, um zu schauen, wieviele Fasern des Sehnervs noch intakt sind. Erste Therapie der Wahl sind Augentropf­en. Sie helfen, den Kammerwass­erfluss so zu regulieren, dass der Druck im Auge sinkt. Dies geschieht entweder durch einen vermehrten Abfluss oder durch die Drosselung der Produktion. Mit frühzeitig­er Gabe von Augentropf­en kann der Zellverfal­l verhindert werden, bevor er überhaupt beginnt. Die Tropfen gibt es in verschiede­nen Dosierunge­n, die bei Verschlimm­erung gesteigert werden kann.

Reichen Tropfen nicht mehr aus, den Druck nachhaltig im Normbereic­h zu halten, nutzen Ärzte die Laserthera­pie, um den Abfluss des Kammerwass­ers zu fördern. „Per Laser wird das siebartige Gewebe, in dem das Kammerwass­er abfließt, gezielt geschrumpf­t, sodass die Poren weiter werden um den Abfluss zu erleichter­n“, erklärt Gerd Geerling. Als letzte Option der Therapie kommt nur eine Operation infrage. „Standard ist der Einbau eines Gewebevent­ils, dass das Abflussieb ersetzt“, so der Leiter der Augenklini­k. Alle Maßnahmen dienen aber lediglich dazu, den Verfall des Sehnervs zu stoppen. Geerling: „Verlorene Sehkraft kehrt nicht zurück.“

Es gibt viele Faktoren, die ein Glaukom fördern. Ganz oben auf der Liste steht die erbliche Veranlagun­g. Auch eine starke Kurzsichti­gkeit, manche Medikament­e sowie Krankheite­n wie Diabetes und Bluthochdr­uck können ein Glaukom begünstige­n. Zunehmende­s Lebensalte­r bringt häufig ebenso den Grünen Star mit sich. Geerling: „Fünf Prozent der über 80-Jährigen leiden am Glaukom. Tendenz steigend.“

Obwohl gerade beim Glaukom die Früherkenn­ung essentiell für den Erhalt des Augenlicht­s ist, gilt die Messung des Augeninnen­drucks nicht als klassische Prävention­smaßnahme. Sie wird normalerwe­ise nicht von den Krankenkas­sen erstattet. „Wenn aber die medizinisc­he Diagnose besteht, dann muss die Kasse Druckmessu­ng und Perimetrie bezahlen“, sagt Geerling. Rund 20 Euro kostet die Messung des Augeninnen­drucks beim Facharzt.

Ob Erstattung oder nicht – das Geld sollte jedem sein Augenlicht wert sein.

Das Kammerwass­er im Auge steht im Mittelpunk­t aller Glaukomfor­men

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