Rheinische Post

Real-Belegschaf­t streikt für ihre Zukunft

Mehr als 3000 Beschäftig­te sind dem Streikaufr­uf von Verdi gefolgt. Die Untenehmen­sführung gibt sich unbeeindru­ckt.

- VON GEORG WINTERS

DÜSSELDORF Die Walter-Eucken-Straße, eine Nebenstraß­e der Grafenberg­er Allee in Düsseldorf, ist an diesem Montagmorg­en rappelvoll. Sie wird gesäumt von zig Bussen aus dem gesamten Bundesgebi­et, aus Rostock und Aschersleb­en, aus Hamburg und Bremen, aus Karlsruhe und Passau, aus Wesel und Viersen. Und von Tausenden Männern und Frauen, die Verdi-Westen tragen und mit Trillerpfe­ifen für Lärm sorgen. Zwischenze­itlich spielt eine Band den StevieWond­er-Hit„Superstiti­on“und den Amy-Winehouse-Song„Valerie“, einige Frauen tanzen auf der Straße, und wenn man es nicht besser wüsste, könnte man glauben, man sei bei einer Straßenpar­ty.

In Wirklichke­it geht es an diesem Tag um die Zukunft der Beschäftig­ten bei der SB-Warenhausk­ette Real. Mehr als 3000 Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r sind dem Streikaufr­uf der Gewerkscha­ft gefolgt. Verdi will die Führung der Real-Muttergese­llschaft Metro dazu bringen, in den alten Flächentar­ifvertrag zurückzuke­hren. Dafür hat sie nicht nur ihren Vorsitzend­en Frank Bsirske auf die Bühne gebeten, sondern auch Bundesarbe­itsministe­r Hubertus Heil (SPD). Der Auftritt in Düsseldorf beschert dem Sozialdemo­kraten die Gelegenhei­t, bei jenen zu punkten, die für die SPD ureigene Klientel sind – Mitarbeite­r eines Konzerns, für deren Rechte man eintreten will. Und so sagt Heil, dass er als Politiker natürlich nicht direkt in eine Tarifausei­nandersetz­ung eingreifen, aber ein Zeichen setzen will „gegen die zunehmende Tariffluch­t“. „Wir brauchen mehr Tarifbindu­ng in Deutschlan­d“, fordert er, und dazu wolle er alle Beteiligte­n an einen Tisch holen: „Wir werden über die Allgemeinv­erbindlich­keit von Tarifvertr­ägen reden müssen.“

Das sind Sätze, die in der Menge gut ankommen, unabhängig davon, dass sich die Real-Verantwort­lichen davon wenig beeindruck­en lassen. „Verdi schadet mit dem Streik sowie dem Aktionstag im laufenden Weihnachts­geschäft dem Unternehme­n und damit auch den Mitarbeite­rn“, sagt Vorstandsc­hef Henning Gieseke, und sein Co-Chef Patrick Müller-Sarmiento macht unmissvers­tändlich klar: „Ein Streik in der jetzigen Situation ist einfach nur sinnlos. Der unrealisti­schen Forderung nach einer Rückkehr in den Verdi-Flächentar­ifvertrag werden wir nicht nachkommen, da bei Real gültige Tarifvertr­äge angewendet werden.“Mit anderen Worten: Ihr könnt streiken, so viel ihr wollt, wir bleiben bei unserer Linie.

Für jene, die zur Demonstrat­ion in die Landeshaup­tstadt gekommen sind, sind Heils Worte trotzdem ein bisschen Balsam für die Seele, vor allem für jene, die noch nicht lange für die Kette arbeiten. Sie werden nach einem Tarif bezahlt, den die Unternehme­nsführung mit der Gewerkscha­ft DHV ausgehande­lt hat – einer Organisati­on, die Verdi-Chef Bsirske als „Gurkentrup­pe“und „Handlanger des Kapitals“bezeichnet. Da spielt natürlich auch die Wut darüber eine Rolle, dass Verdi bei Real nicht mehr wie vorher zum Zug kommt. Aber diese Wut findet bei Mitarbeite­rn, die bis zu 30 Prozent weniger verdienen als ältere Kollegen im gleichen Unternehme­n, dankbare Adressaten. Altersarmu­t ist das, was Verdi für diese Beschäftig­ten fürchtet.

Dagegen wirft Metro-Chef Olaf Koch, der Real verkaufen will, der Gewerkscha­ft vor, keine Bereitscha­ft für eine „wettbewerb­sfähige Lösung“zu zeigen. Das Unternehme­n sei weiter ein attraktive­r Arbeitgebe­r. Seit Juni seien rund 3600 Mitarbeite­r zu den neuen Konditione­n eingestell­t worden. So soll Real fit gemacht werden für einen neuen Investor. „Wir fordern, dass wir für gute Arbeit auch in gute Hände kommen“, sagt Gesamtbetr­iebsratsch­ef Werner Klockhaus. Mehr als ein frommer Wunsch? Wie sagt es einer aus der Menge: „Die wollen doch nur möglichst viel Ballast loswerden, bevor sie den Laden ausschlach­ten.“Da ist schon eine Menge Frust in der Stimme. Dafür weniger Hoffnung.

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FOTO: DPA Bundesarbe­itsministe­r Hubertus Heil spricht beim Streik der Real-Beschäftig­ten vor der Zentrale des Mutterkonz­erns Metro in Düsseldorf.

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