Für Frust sorgt bei zwei in Mexiko aufgewachsenen Geschwistern die Entscheidung des Goethe-Gymnasiums und der Schulbehörden, ihnen in der Oberstufe einen Leistungskurs im Fach Spanisch zu verweigern. Der Vater will klagen.
Wer ganz genau hinhört, kann erahnen, dass Ian (17) und Iana (18) mit der Muttermilch etwas anderes aufgesogen haben als die deutsche Sprache. „Wir sind in Mexiko, der Heimat unserer Mutter aufgewachsen, haben dort bis vor zehn Jahren gelebt und fast ausschließlich Spanisch gesprochen“, sagen die beiden Teenager. Ein kleiner, charmanter Akzent aus dieser prägenden Zeit ist geblieben. Doch nun sorgt ausgerechnet diese besondere Gabe, Spanisch perfekt zu sprechen, bei den beiden Schülern für jede Menge Frust.
„Als Muttersprachler dürfen wir nicht in den Spanisch-Leistungskurs, das ist doch verrückt“, sagt Ian. Sein Vater Steffen Blumenrath sieht das genauso. Viele Jahre arbeitete der heute 57-Jährige in dem mittelamerikanischen Land, unter anderem als Finanzchef von Mercedes Benz Mexiko. „Auch ich habe damals mit unseren Kindern fast nur spanisch gesprochen“, sagt er. Dutzende Mails und Briefe hat der Vater geschrieben, um seinen Kindern das zu ermöglichen, was die gesamte Familie als Selbstverständlichkeit empfindet. Korrespondiert und teilweise auch gesprochen hat er mit dem Schulleiter, dem Oberstufen-Koordinator, der Fach-Lehrerin, den Fachdezernenten der Bezirksregierung und dem Schulministerium. Die klare Ansage der Beteiligten: Weil die Kinder vor Beginn des in Stufe 11 beginnenden Leistungskurses (LK) erst ein Jahr Spanisch-Unterricht hatten, dürfen sie keinen LK belegen.„Am Ende musste ich stattdessen Erdkunde wählen. Dieses Fach macht mir nicht nur weniger Spaß, ich werde darin voraussichtlich auch nicht so gut sein wie in Spanisch“, sagt Ian. Der 17-Jährige befürchtet nun, dass der Abi- Schnitt bei ihm und seiner Schwester schlechter ausfällt als erhofft.
Ralf Schreiber, Leiter des Düsseltaler Goethe-Gymnasiums, kann die Enttäuschung der Familie, die seit ein paar Jahren in der Landeshauptstadt lebt, verstehen. „Spielraum haben wir aber keinen“, sagt er. In enger Abstimmung mit der Schulaufsicht der Bezirksregierung sei der Fall „sorgfältig und ausführlich“geprüft worden, auch auf Sonderoder Ausnahmegenehmigungen hin. „Der Erlass und die dazu gehörenden Kommentare sind eindeutig: Schüler, die erst ein Jahr Unterricht in einer Sprache hatten, dürfen nicht in Leistungskurse wechseln.“Nach Schreibers Einschätzung steckt hinter diesen Vorschriften mehr als bürokratische Regelungswillkür. Im Kern gehe es nicht um das Sprechen an sich, sondern um die Anwendung der Sprache in bestimmten didaktischen Zusammenhängen. „Und dafür braucht man mehr als ein Unterrichtsjahr vor Beginn eines Leistungskurses“, findet Schreiber. Steffen Blumenthal kennt diese Argumente, gelten lassen will er sie nicht. Das Ganze widerspreche dem gesunden Menschenverstand. „Ich bereite eine Klage für das Verwaltungsgericht vor“, sagt er. Seinen Recherchen zufolge gibt es im Bundesgebiet durchaus Ausnahmen für Menschen, die lange in anderen Ländern gelebt haben. „Soweit ich weiß, wurde einigen Schülern mit russisch- sowie mit türkischsprachigem Hintergrund ermöglicht, auch ohne mehrjährigen Vorlauf in einen Leistungskurs zu gehen“, sagt Blumenthal.
Verletzt fühlt sich die Familie nicht zuletzt in ihrem Gerechtigkeitsempfinden. Vor ihrem Wechsel an das Goethe-Gymnasium besuchten Ian und Iana die Realschule Friedrichstadt an der Luisenstraße. „Meine Kinder konnten erst nach dem Wechsel an das Goethe-Gymnasium Spanisch belegen, daraus darf doch jetzt kein Nachteil erwachsen“, sagt der Vater und gibt sich entschlossen. „Wir werden alle juristischen Mittel ausschöpfen.“