Es ist nicht, wie du denkst
Bei einer Projektwoche lernten Schülerinnen und Schüler des St. Ursula Gymnasiums mehrere Obdachlose in Düsseldorf kennen, ließen sich aus ihrer Sicht die Stadt zeigen und sprachen mit ihnen.
Das St.-Ursula-Gymnasium in Düsseldorf hat eine Projektwoche veranstaltet. Es gab verschiedene Angebote, für die sich die Schüler einschreiben konnten. In einem der Projekte ging es um Obdachlose und ihr Leben. Die Schüler, die an diesem Projekt teilnahmen, hatten Kontakt zu den Obdachlosen und konnten einen Einblick in ihr Leben bekommen. Das führte dazu, dass sie plötzlich eine völlig neue Sichtweise auf ihr eigenes Leben entwickelten.
Auch wenn den Schülern im Rahmen dieses Projekts vielleicht imVergleich zum eigenen Alltag nur vorübergehend bewusst wurde, wie gut es ihnen in Wirklichkeit geht, sind es bestimmt die Bilder und die kurzen Geschichten der Obdachlosen, die sich in ihr Gedächtnis einprägen und nachwirken werden.
Der Wahrheit näherkommen
Die Obdachlosen, die die Schülerinnen und Schüler trafen, hatten keine Familien, die sie unterstützen, kein Geld, auch keine Freunde, kein eigenes Zuhause, eigentlich nichts von dem, was anderen Menschen ganz selbstverständlich zur Verfügung steht. Ihr Leben wird nicht nur dadurch erschwert, dass es an manchen Tagen zu kalt oder zu heiß draußen ist oder dass sie an anderen Tagen hungern müssen, weil sie einfach kein Essen auftreiben können. Es wird trauriger, wenn sie von ihren Mitmenschen herablassend angeschaut oder gar nicht erst wahrgenommen werden.
„Obdachlos? Selbst schuld!“, mögen einige denken. Denn dieVorstellung, die man von diesen Menschen hat, ist oft klischeehaft: Das seien Menschen, die keine Lust hätten, zu arbeiten, deshalb lieber auf der Straße leben würden. Und das bisschen Geld, was ihnen zur Verfügung steht, würden sie sowieso für Alkohol und Drogen ausgeben.
Doch ist das wirklich so? Die Schüler des St. Ursula Gymnasiums konnten lernen, dass es verschiedene Gründe dafür gibt, warum manche Menschen auf der Straße gelandet sind und keine Chance bekommen, dort wegzukommen.
Ein Mann erzählt, dass er zwei Lehren gemacht habe. In dieser Zeit habe er ein ganz normales Leben geführt. Zwei Unfälle im Straßenverkehr haben dazu geführt, dass er sein ganzes Geld verloren hat und er somit gezwungen war, auf der Straße zu leben.
Notunterkünfte, in denen Obdachlose vorübergehend unterkommen können, sind leider auch keine wirkliche Alternative zur Straße. Viele wissen nicht, dass es dort auch nicht viel besser ist als draußen. Denn man ist dort mit den anderen Obdachlosen nicht wirklich befreundet. Hier wird gestohlen und gestritten und zudem verbreiten sich Krankheiten auf dem engen Raum besonders gut.
Auch wenn Obdachlose versuchen, zurück ins„normale“Leben zu finden, sich beispielsweise um einen Job oder eine Wohnung bemühen, holt sie das Klischee schnell wieder ein. Arbeitgeber würden sicherlich einen Menschen mit festem Wohnsitz dem Obdachlosen vorziehen und bei der zurzeit herrschenden Wohnungssituation in Deutschland sieht es für Obdachlose schlecht aus.
Eine andere Sicht auf die Stadt
Zwei Obdachlose, die für die Zeitung „50:50“arbeiten, organisierten für die Schüler des St. Ursula Gymnasiums eine Stadtführung. Sie zeigten ihnen Düsseldorf aus ihrer eigenen Sicht: die Suppenküche, den Straßenstrich, eine Notunterkunft. Sie sprachen mit anderen Obdachlosen. Im Nachhinein ein erschreckendes und bestürzendes Bild für die Schüler, denn so hatten sie ihre Stadt bisher noch nicht wahrgenommen.
Aber so unterschiedlich das Bild war, so unterschiedlich waren auch die Obdachlosen, die sie kennenlernen durften. Da waren einige, denen es unangenehm war zu betteln, andere, die erzählten, dass der Alkohol sie nicht nur betäuben, sondern auch warm halten würde.
Einige, die einen Hund halten, erzählten, dass dies ihr einziger Freund sei und dass die Gesundheit des Tieres ihnen wichtiger sei als die eigene. Die Schüler trafen Obdachlose, die seit fast 50 Jahren auf der Straße leben und sich damit irgendwie abgefunden haben, und andere, die wiederum gern ein „normales“Leben führen würden.
Die Eindrücke, die die Schüler durch dieses Projekt sammeln konnten, werden ihnen in Zukunft bestimmt dabei behilflich sein, ihre eigenen Sorgen und Probleme mit einem kritischeren Blick zu betrachten, und das Schicksal der Menschen, die sie durch das Projekt kennenlernen durften, wird ihnen hoffentlich so sehr am Herzen liegen, dass sie für sich entscheiden, von dem Vorurteil der Gesellschaft über Obdachlose Abstand zu nehmen.