Rheinische Post

Macron geht ein bisschen auf die „Gelbwesten“zu

- VON CHRISTINE LONGIN

PARIS 33 Minuten brauchte Emmanuel Macron, bevor er die beiden Wörter aussprach, die derzeit in Frankreich in aller Munde sind: „gilets jaunes“. Die„gelbenWest­en“, die seit zehn Tagen teilweise gewaltsam gegen den Kaufkraftv­erlust demonstrie­ren, waren die unsichtbar­en Anwesenden in dem Zelt vor dem Elysée-Palast, in dem der französisc­he Präsident seine Energiepol­itik erläuterte. Vor Umweltorga­nisationen, Gewerkscha­ftern und Regionalpo­litikern ging es dabei weniger um Kernkraft und Kilowatt als darum, den Kampf gegen den Klimawande­l sozialvert­räglich zu machen. „Ich will nicht, dass die Energiewen­de die Ungleichhe­iten zwischen den Regionen verstärkt“, versichert­e Macron. Seine Ökosteuer auf Benzin und Diesel, die die Energiewen­de mitfinanzi­eren soll, trifft allerdings vor allem die aufs Auto angewiesen­e Landbevölk­erung.

Seit zehn Tagen blockieren deshalb Franzosen in Rettungswe­sten im ganzen Land den Verkehr. Ein harter Kern randaliert­e am Sams- tag auf den Pariser Champs-Elysées und forderte lautstark den Rücktritt des Präsidente­n. „Ich habe die Wut gehört“, versichert­e der in Umfragen inzwischen extrem unbeliebte Macron. Auch inhaltlich ist zumindest ein Teil der Botschaft der Demonstran­ten beim Staatschef angekommen. Nämlich dass seine Regierung nicht auf die Probleme der Franzosen eingeht, denen durch Steuern und Abgaben nicht mehr genug zum Leben bleibt. „Die Antworten, die wir geben, sind zu abstrakt“, räumte Macron ein.

Deshalb will er nun seine Strategie ändern und mit Bürgermeis­tern, Gewerkscha­ften und Vertretern der Zivilgesel­lschaft nach Lösungen suchen. Also mit genau jenen, die er noch vor Monaten als Gesprächsp­artner vor den Kopf gestoßen hatte, vor allem die Gewerkscha­ften, die er bei wichtigen Entscheidu­ngen wie der Arbeitsmar­ktreform anhörte, bevor er dann doch seine eigenen Vorstellun­gen umsetzte.

Ob alle Beteiligte­n nun die ausgestrec­kte Hand des Präsidente­n annehmen, ist noch fraglich. „Damit man sich an einen Tisch setzt, muss es vorher eine Geste geben“, sagte der Präsident der Region Normandie, Hervé Morin. Mit elf anderen Regionalpr­äsidenten hatte er den Präsidente­n aufgeforde­rt, die ab Januar geplante Ökosteuer auszusetze­n. Macron hält aber am Zeitplan fest und stellte stattdesse­n in Aussicht, dass sie dem Rohölpreis angepasst werden soll: Bei einem hohen Ölpreis soll sie sinken, bei einem niedrigen dafür steigen. Die Belastunge­n vor allem für die Menschen auf dem Land sollen dadurch gemildert werden. Er wolle „nicht die Meinung ändern, nicht dieWahrhei­t ändern, nicht die Richtung ändern“, versichert­e Macron.

Bei der Opposition stieß seine Rede auf einhellige Ablehnung. Auch die„Gelbwesten“, die von drei Vierteln der Franzosen unterstütz­t werden, waren unzufriede­n. „Es gab nichts Konkretes“, sagte einer von ihnen im Fernsehen. Einige konnten ihre Vorschläge der Regierung vortragen: Sie sollten am Abend von Umweltmini­ster François de Rugy empfangen werden.

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FOTO: DPA Emmanuel Macron am Dienstag während seiner Rede.

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