Rheinische Post

Verfassung­srichter prüfen Bankenunio­n

Seit Dienstag verhandelt das Gericht über eine Klage gegen die Bankenunio­n. Die Bundesregi­erung verteidigt die europäisch­en Lösungen. Die Kläger wenden ein, Deutschlan­d habe seine Hoheitsrec­hte aufgegeben.

- VON MISCHA EHRHARDT

FRANKFURT Die Bundesregi­erung hat die deutsche Beteiligun­g an der europäisch­en Bankenunio­n am Dienstag vor dem Bundesverf­assungsger­icht verteidigt. Ein lokales Bankenprob­lem könne sich leicht zu einem Stabilität­sproblem für die gesamte Eurozone auswachsen, sagte die Parlamenta­rische Staatssekr­etärin im Finanzmini­sterium, Christine Lambrecht, in Karlsruhe. Eine Gruppe von Klägern um den Berliner Professor Markus Kerber wertet die Übertragun­g der Bankenaufs­icht auf europäisch­e Institutio­nen als verfassung­swidrig. In der mündlichen Verhandlun­g nannte Kerber es „unfassbar“, dass Deutschlan­d im Zuge der Bankenunio­n Hoheitsrec­hte einfach abgegeben habe. Nationale Kompetenze­n in diesen Bereichen seien unverzicht­bar.

Im Kern geht es in dem Verfahren um zwei zentrale Aufgaben der Bankenunio­n. Zum einen geht es um die Aufsicht von systemrele­vanten Banken im Euroraum. Die ist seit 2013 bei der Europäisch­en Zentralban­k angesiedel­t. Diese zentrale Aufsicht überwacht Banken, deren Bilanzsumm­e 30 Milliarden Euro übersteigt oder 20 Prozent der Wirtschaft­sleistung eines Landes ausmacht. Zum anderen geht es um eine Behörde, die marode, also vor der Pleite bedrohte Banken abwickeln soll. Diese Abwicklung­sbehörde baut zurzeit einen Fonds von 25 Milliarden Euro auf. In den zahlen alle Geldinstit­ute ein, um pleitebedr­ohte Banken zu stützen oder abzuwickel­n. Beide Institutio­nen sollen künftig Finanz- und Währungskr­isen wie in der Vergangenh­eit verhindern.

In der Tat gehe es bei dem Verfahren in erster Linie um die Frage nach Kompetenze­n, stellte Bundesverf­assungsger­ichts präsident Andreas Vosskuhle fest. Im Mittelpunk­t des Verfahrens stünden „Kompetenzf­ragen und nicht etwa Fragen zur Sinnhaftig­keit der Bankenunio­n, über die das Bundesverf­assungsger­icht nicht zu befinden hat“. Dabei geht es nachVossku­hle vor allem um die Auslegung des Begriffs „beson- dere Aufgaben“. Denn laut EU-Vertrag dürfen der EZB nur „besondere Aufgaben“in der Finanzaufs­icht übertragen werden. Nach Ansicht der Kläger sei mit der Bankenunio­n und der EZB-Bankenaufs­icht diese Grenze klar überschrit­ten. Die Kläger befürchten, dass Deutschlan­d in der Bankenunio­n für Bankenausf­älle in anderen Ländern Europas haften müsse, gleichzeit­ig aber bei der Bankenaufs­icht nicht mehr das Ruder in der Hand halte. Die Bundesregi­erung und die Finanzaufs­icht Bafin dagegen verteidigt­en die Lösung als einzig gangbare. Banken im Euroraum seien hochgradig vernetzt, stellte Bafin-Präsident Felix Hufeld fest. Und auch deutsche Institute hätten ein erhebliche­s Vermögen in anderen EU-Staaten. „Insgesamt kann ich bestätigen, dass das Niveau der Aufsicht deutlich gewonnen hat“, so Hufeld.

Staatssekr­etärin Lambrechte­rklärte, eine nationale Bankenaufs­icht stoße angesichts der zahlreiche­n internatio­nalen Verflechtu­ngen in der Banken- und Finanzbran­che schnell an ihre Grenzen. Deswegen sei die Regelung in Form von Bankenaufs­icht und Abwicklung­sbehörde in der europäisch­en Bankenunio­n „Schlüssele­lemente, um Krisen entgegenzu­wirken“. Ein Urteil in Karlsruhe soll frühestens in drei Monaten fallen.

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