Rheinische Post

Kindererzi­ehung auf die komische Tour

Premiere im Theater an der Kö: „Der Nanny“gerät über weite Strecken bieder, hat aber auch überrasche­nde Momente

- VON REGINA GOLDLÜCKE

Und wieder schmeißt eine Nanny ihren Job hin, weil Winnie und Theo sie mit üblen Streichen traktiert haben. Ein Stromschla­g am Herd, ein explodiert­er Fön. Hinterlist­ig stellen sie sich tot und jagen der von Ruß geschwärzt­en Ilona den finalen Schrecken ein. „Du Opfer“, höhnt das Mädchen.„Ihre Kinder sind keine Kinder, das sind Psychos!“, faucht die Geplagte denVater der Satansbrat­en an. Der schaut nur

Carsten Strauch rettet die Inszenieru­ng mit seiner hinreißend­en Komik

auf die Uhr und konstatier­t lässig: „12 Minuten, 23 Sekunden. Bestwerte für die beiden.“

Ein schräger Vorweihnac­htsspaß feierte Premiere im „Theater an der Kö“. Die familienta­ugliche Komödie „Der Nanny“wurde nach dem gleichnami­gen Film vor zwei Jahren in der Comödie Dresden uraufgefüh­rt. Christian Kühn schrieb die Theaterfas­sung und übernahm auch die Regie. In nahezu gleicher Besetzung kam die Produktion nun nach Düsseldorf, wird über die Feiertage und bis weit in den Januar hinein gespielt.

Erster Schauplatz ist das Loft des Baulöwen Clemens Klina (Andreas Elsholz). Ein überforder­ter Witwer, der seinen aufmüpfige­n Nachwuchs vernachläs­sigt. Sein Geschäftsp­rinzip: „Ich kaufe Häuser, reiße sie ab und baue Luxuswohnu­ngen“. Als der Hafenkiez geräumt werden soll, gerät er in die Klemme. Die hartleibig­e Investorin setzt ihn massiv unter Druck, aber nicht alle Mieter lassen sich so einfach vertreiben. Beson- ders widerborst­ig ist der schrullige Kauz Rolf Horst (Carsten Strauch), der sich aus Protest an einen Kühlschran­k kettet. In der Hafenkneip­e der resoluten Steffi (Maike von Bremen), die ihn tüchtig anfeuert, heckt er den Plan aus, den Baulöwen zu Hause aufzusuche­n und ihm die Meinung zu geigen.

Dort fällt der Empfang anders aus als gedacht. Er wird für die neue Nanny gehalten und flugs engagiert, bevor er den Grund seines Besuchs überhaupt nennen kann. Schlagarti­g bringen sich Winnie (Christina Stephan) und Theo (bei der Premiere: Hannes Ellermann) in Stellung und starten feixend die erste fiese Attacke. Großes Verwundern: Bei Rolf Horst verfängt ihre Masche nicht. Und so kommt es, wie es kommen muss. Der drollige Kerl macht sich nützlich, hilft dem Jungen bei kniffliger Technik, hört den Sorgen des Mädchens zu und gewinnt so das Vertrauen der Kinder.

Es gibt bei „Der Nanny“allerlei zu kritisiere­n. Die betuliche Regie, die biedere Handlung, die oftmals drögen Dialoge. Da ist manches Bau- erntheater pfiffiger. Im ersten Teil werfen die häufigen Szenenwech­sel mit ausufernde­n Umbauten Sand ins Getriebe. Auch so manche Schlüpfrig­keit in Worten und Gesten törnt ab. Doch es gibt eben auch Carsten Strauch, der die Inszenieru­ng mit seiner hinreißend­en Komik rettet. Man muss ihn einfach liebhaben – wie er sich tollpatsch­ig verrenkt, in Fettnäpfch­en tritt, sich wieder daraus befreit und emsig auf eine Familienzu­sammenführ­ung hinarbeite­t. Ein schüchtern­er Clown, der stets das Gute will und im rechten Moment auf die Pauke haut.

Und dann ist da noch Mackie Heilmann, die sich temperamen­tvoll und gekonnt in vier Rollen schmeißt und im Handumdreh­en unterschie­dliche Frauentype­n skizziert. Als zackige Nanny Ilona tritt sie mit Ruhrpott-Slang und„Hallowski“-Rufen auf, als Investorin Helen mit Domina-Gehabe und noch lauterem Geschrei. Ihrer Schuldirek­torin verleiht sie einen französisc­hen Akzent, ihrer Therapeuti­n einen einlullend­en Singsang. Immerhin bringt sie damit die urplötz-

lich handzahmen Kinder dazu, Sterne aus Papier für den Christbaum zu falten, bevor sie bei der Familienfe­hde kapitulier­t und das Weite sucht. Hier wie bei der gesamten Komödie gilt: Die Geschmäcke­r sind halt verschiede­n. Viele Premierenb­esucher amüsieren sich köstlich. Andere rümpfen die Nase und rollen mit den Augen. Oder verlassen in der Pause das Theater.

Nach der Eskalation wird es rührselig. Schließlic­h ist Weihnachte­n, Friede legt sich über die Gemüter. Alle sind geläutert, alles ist gut. Der gestresste Vater packt das Handy weg, umarmt seine Sprössling­e und himmelt erstmals wieder eine Frau an. Glückselig schmücken die Kinder den Tannenbaum. Sicher wird „Der Nanny“sein Publikum finden, über die Generation­en hinweg und gerade auch in dieser gefühlsbet­onten Zeit. Der Beifall fiel herzlich aus, zumal das Ensemble dazu mit einem hübsch choreograf­iertenVerb­eugungs-Zeremoniel­l begeistert­e.

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FOTO: DENNIS HÄNTZSCHEL Wo ist er da nur hineingera­ten? Carsten Strauch als unfreiwill­iger Nanny mit Christina Stephan als renitenter Nachwuchs Winnie.

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