Rheinische Post

Hier entsteht ein Ort für alle

Die Künstlerin Ute Reeh arbeitet mit Förderschü­lern an einem inklusiven Begegnungs­zentrum in Garath.

- VON DOMINIK SCHNEIDER

Ein Erlebnis aus ihrer inzwischen fünfjährig­en Arbeit am Wiesencafé ist Ute Reeh besonders in Erinnerung geblieben: Ein Architektu­rstudent und ein Junge von einer Förderschu­le beugen sich über Grundrisss­kizzen. „Häuser sind normalerwe­ise eckig“, kommentier­t der Student den Entwurf. „Ich finde rund besser“, antwortet der Junge. „Warum willst du rund bauen?“, fragt der Student. Die Antwort: „Weil dann niemand in der Ecke stehen muss.“Das fertige Modell, dass bei Ute Reeh im Atelier auf seine Umsetzung wartet, ist rund.

Die 60-jährige Düsseldorf­er Künstlerin Ute Reeh hat bei einem Projekt mit der Alfred-Herrhausen-Förderschu­le in Garath erkannt, wie viel Potential in Menschen steckt, von denen man Kreativitä­t nicht erwartet. „Die Gesellscha­ft ist darauf ausgericht­et, Inhalte von außen nach innen in die Menschen zu transporti­eren“, sagt Reeh, „aber es kann auch wirklich schön sein,

Inhalte aus den Menschen heraus in die Gesellscha­ft zu bringen.“Die Arbeit mit den Förderschü­lern war dabei besonders ertragreic­h: „Meine Erfahrung ist:

Wo es Probleme gibt, gibt es auch Energie, und daraus kann etwas Schöpferis­ches entstehen“, erklärt die Künstlerin.

Aus dieser Erkenntnis entstand auch das Projekt Wiesencafé: „Ich habe mit Kindern und Jugendlich­en gesprochen, was sie sich für ihr Viertel Garath wünschen“, erzählt die Künstlerin. Das Ergebnis: Zum einen fehle Nahversorg­ung, zum anderen ein Treffpunkt. Für Ute Reeh ist damit die Idee eines inklusiven Begeg- nungsortes am Wittenberg­er Weg geboren. „Bauen ist in Deutschlan­d ein Hoheitsrec­ht. Ich finde, man muss den Mut haben, selber zu bauen“, so die Künstlerin. Im Sommer 2013 begann sie mit den Förderschü­lern die Planung. Die Aktion Mensch und verschiede­ne Stiftungen kamen als Förderer dazu, die Entwürfe der Schüler wurden mit Architektu­rstudenten verfeinert. „Die Kinder und Jugendlich­en geben ihre Ideen nicht an die Profis ab, sondern arbeiten mit ihnen zusammen“, erklärt Reeh zufrieden.

Die Planung und Umsetzung gehen schrittwei­se voran: Aktuell sind die Fliesen fertig, auch die Möbel, es gibt Pläne und Modelle, auf dem Gelände am Wittenberg­er Weg selbst findet sich jedoch nur eine Bodenplatt­e. „Da ist aber bereits etwas Tolles passiert“, freut sich die Künstlerin, „die Menschen haben begonnen, sich die Platte anzueignen. Kinder spielen dort, sie ist Treffpunkt für Jugendlich­e geworden.“

2019 soll es weiter gehen mit dem Projekt, dass bei der Stadt inzwischen unter „Kommunikat­ionszentru­m Wittenberg­er Weg“geführt wird. „Verschiede­ne Namen geben dem Ort schon ein ganz anders Image, nicht wahr?“, scherzt die Künstlerin. Die Bauphase soll offen gestaltet werden: Nicht nur die Schüler der Alfred-Herrhausen-Schule helfen den Arbeitern, auch andere Schulen und Kitas sind eingeladen, sich zu beteiligen. Aus- grenzung bestimmter Gruppen sei immer eineVersch­wendung von Potential.

Auch die Lehrer unterstütz­en das Projekt. „Wir erarbeiten im Unterricht Skizzen, Ideen und Modelle“, erklärt Schulleite­r Peter Zerfaß. Vor allem für die Förderschü­ler sei das Wiesencafé nicht nur ein Begegnungs­ort, wenn es einmal fertig ist, sondern die Bauphase eine Möglichkei­t, sich und ihre Ideen sinnvoll in die Gesellscha­ft einzubring­en. Es sind Aussagen wie diese, die Ute Reeh motivieren, weiter Arbeit in das Projekt zu stecken: Für die Künstlerin ist der Prozess, in dem etwas entsteht, genauso wichtig wie das Ergebnis – und diese Meinung dürften die Förderschü­ler teilen.

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FOTO: NAEMI REYMANN Die Bodenplatt­e, auf der das Café errichtet werden soll, wird bereits von Kindern und Erwachsene­n als Spielplatz und Treffpunkt genutzt.
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FOTO: BRETZ Künstlerin Ute Reeh zeigt das Modell des Wiesencafé­s

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