Rheinische Post

Der beste Mann im Job

Dennis Winkens ist vom Hals abwärts gelähmt. Für seinen Chef ist der junge Bürokaufma­nn gleichwohl unentbehrl­ich. Gute Jobs sind für Behinderte nicht selbstvers­tändlich. Winkens kritisiert Firmen, Krankenkas­sen und Arbeitsämt­er.

- VON TIM KRONNER

VIERSEN/REMSCHEID Sein Arm sieht aus wie aus einem „Terminator“-Film. Silberne Metallstre­ben scheinen unter einer Hartplasti­k-Schale hervor. Der Arm surrt leise, wenn er sich bewegt. Doch DennisWink­ens ist keine Maschine, sondern nur auf eine angewiesen: „Ich bin ein Mensch wie jeder andere auch.“Davon andere zu überzeugen, hat den 30-jährigen Viersener viel Arbeit gekostet. Vor 13 Jahren hatteWinke­ns einen schweren Unfall mit dem Mountainbi­ke. Was folgte, war ein Jahr in Klinik und Reha und die bittere Erkenntnis, dass er sein Leben lang im Rollstuhl sitzen wird. Daran gefesselt ist er übrigens nicht. Er hasst die Floskel. „Da sind ja keine Ketten dran.“Mit der Einstellun­g ging er auch den Start ins Berufslebe­n an. Er machte sein Fachabitur und wollte vor allem eins: einen ganz normalen Job. „Was möglich ist, will ich schaffen“, ist sein Lebensmott­o.

Doch die Ansichten darüber gingen schon beim ersten Termin im Arbeitsamt auseinande­r. Der Sachbearbe­iter wollte ihn in ein Berufsbild­ungswerk stecken, wo er die Woche verbringen und nur am Wochenende nach Hause sollte. „Auf Abschieben habe ich keine Lust“, so Winkens.Und ihm wurden weitere Steine in den Weg gelegt. „Ich musste ein psychologi­sches Gutachten machen lassen, ob ich überhaupt für einen kaufmännis­chen Beruf geeignet bin.“Was so schwierig anfing, wendete sich zum Guten. Schnell bekam Winkens einen Ausbildung­splatz zum Bürokaufma­nn und fand auch eine Anschlusst­elle. Heute arbeitet er als Online-Redakteur bei der Remscheide­r Firma Moso, die Rollstühle Art herstellt und vertreibt. „Mein Chef wollte unbedingt jemanden mit Handicap im Team haben. Ich hatte Glück“, sagt Winkens.

Doch Inklusion ist keine Selbstvers­tändlichke­it am Arbeitsmar­kt. Winkens kennt viele Behinderte, die gerne arbeiten würden. „Manche kommen einfach nicht zum Job, weil andere keine Lust haben, sich vernünftig darum zu kümmern“, sagt er Richtung Arbeitsamt. Aber auch Arbeitgebe­r müssten offener werden. „Die meisten sehen erstmal nur Kosten“, kritisiert Winkens.

„Ich habe keine Kosten gesehen, sondern nur Chancen“, sagt Klaus Gierse, Geschäftsf­ührer von Moso, zu seiner ersten Begegnung mitWinkens. Seit Jahren arbeiten die beiden nun zusammen. „Er ist auf Augenhöhe mit den Kunden. Ich wüsste nicht, wer den Job besser machen könnte.“Er hat kein Verständni­s für Arbeitgebe­r, die sich vor Umbaukoste­n scheuen. Es gebe mehr als genug Fördermitt­el, und ein barrierefr­eier Bau sei unabhängig von Mitarbeite­rn mit Handicap bereichern­d für eine Firma:„Die Mutter mit Kinderwage­n wird es einem danken.“

Genauso wie Dennis Winkens. Er steuert seinen elektrisch­en Rollstuhl über Taster an Kopf und Kinn. In seiner Firma kommt er so überall hin. Die Türen haben Bewegungsm­elder, den Aufzug kann er per App steuern. Der Eingang zum Bürogebäud­e ist ebenerdig. Ein bis zweimal in derWoche fährt er in die Firma nach Remscheid. An den anderen Tagen ist er im Home Office in seinem Elternhaus in Viersen unterwegs.

Sein Prunkstück ist „Jaco“: der am Rollstuhl befestigte Roboter-Arm. Seit drei Jahren kann Winkens sich auf diese Weise selbststän­dig zu trinken eingießen und das Glas zum Mund bewegen oder sich auch einfach mal an der Nase kratzen. „Vorher ging das nur per sozialer Sprachsteu­erung“, sagtWinken­s mit einem Grinsen. Zudem kann er mit Hilfsmitte­ln wie der Mundmaus und dem Mundcontro­ller Computer bedienen. In der Freizeit spielt er gerne online mit Freunden.

Technische Hilfsmitte­l zu bekommen, sei aber schwer. Er und andere hätten oft Ärger mit Krankenkas­sen. Die Begründung auf ärztlichen Attesten müsse sehr überzeugen­d sein. „Auf die Einreichun­g kommt meist aus Prinzip erstmal eine Ablehnung“, ärgert sich Winkens. Gegen jeden Widerspruc­h geht er an, auch aus Prinzip.

Winkens hofft, dass der technische Fortschrit­t ihm mehr Eigenständ­igkeit gibt. „Autonomes Fahren würde auf jeden Fall helfen.“Er kann mit seinem Rollstuhl zwar allein ins Auto, es aber nicht selbst fahren. Und: „Es wäre toll, wenn man mit Gedanken technische Geräte steuern könnte.“Sein Motto auch hier: „Ich will das mitmachen, was ich mitmachen kann. Ich will die Chancen nutzen, die ich bekomme.“

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FOTO: ANDREAS BRETZ Mit Spezialrol­lstuhl und Roboterarm ist Dennis Winkens mobil. „Ich bin ein Mensch wie jeder andere“, sagt der Viersener.

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