Rheinische Post

NRW ist Rückzugsor­t der italienisc­hen Mafia

Die Mafia ist in Nordrhein-Westfalen stark verbreitet. Besonders im Ruhrgebiet und im Rheinland ist die organisier­te Kriminalit­ät aktiv. NRW gilt als Transitlan­d für Drogenkuri­ere.

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

DUISBURG Die weltweite Großrazzia gegen die ’Ndrangheta am Mittwoch ist beispiello­s – nicht einmal nach den sogenannte­n Duisburger Mafiamorde­n vor elf Jahren mit sechs Toten hat es so einen Schlag gegen das Organisier­te Verbrechen gegeben. Damals wurden die Opfer von einem Killerkomm­ando der kalabrisch­en Mafia vor dem Restaurant „Da Bruno“, einem damaligen Nobel-Italiener am Duisburger Hauptbahnh­of, mit 54 Schüssen ermordet. Und auch elf Jahre später ist die ’Ndrangheta weiterhin fest verwurzelt in Duisburg. Nach Informatio­nen unserer Redaktion soll ein Mitglied der damaligen Opferfamil­ie im Zuge der Großrazzia am Mittwoch in Duisburg festgenomm­en worden sein.

Die Duisburger Morde waren in dem Ausmaß eine Ausnahme. Da sind sich die Fahnder der Organisier­ten Kriminalit­ät sicher. Das Massaker bedeutete für die Mafia selbst eine Zäsur. Denn dadurch wurde der öffentlich­e Fokus auf die Mafia gerichtet, die gerne im Verborgene­n arbeitet. „Die Mafiosis bleiben bewusst im Dunkeln, wollen nicht auffallen. Da passen die Morde natürlich nicht hinein“, so ein Ermittler.

Die Mafia ist laut LKA sehr aktiv in Nordrhein-Westfalen. Wie viele Anhänger hingegen die Mafia in NRW habe, kann das LKA nicht seriös sagen. Die Mafia bewegt sich in vielen Kriminalit­ätsfeldern. Im Raum Köln ist etwa die Cosa Nostra als „Baustellen-Mafia“aktiv, im östlichen Ruhrgebiet die Camorra und im westlichen Ruhrgebiet/Niederrhei­n die ’Ndrangheta. Die Organisati­onen kommen sich in der Regel nicht ins Gehege bei ihren Geschäften, auch nicht mit Rockern, Russen und Libanesen. Ausgangspu­nkt der Organisier­ten Kriminalit­ät ist immer das Streben nach Geld und dem maximalen Profit – und das möglichst unauffälli­g. NRW ist für die Mafia so attraktiv, weil es ein prosperier­endes Land sei mit einer guten Infrastruk­tur und Nähe zu den Niederland­en. NRW gilt für die Mafia als Rückzugsor­t, als Operations­ort für ihre Geschäfte und als Transitlan­d, um etwa Drogen aus den Niederland­en zu schmuggeln.

In Europa ist das Kokain-Geschäft fest in der Hand der italienisc­hen ’Ndrangheta. Aus einem Lagebild des Landeskrim­inalamtes geht hervor, dass in mehr als der Hälfte aller Verfahren der Organisier­ten Kriminalit­ät die Hauptaktiv­itäten der kriminelle­n Gruppierun­gen im Kriminalit­ätsbereich des Rauschgift­handels und -schmuggels liegen. Das weiße Pulver, das in Europa verkauft wird, stammt zu größten Teilen aus Südamerika. Nach Angaben des Bundeskrim­inalamtes (BKA) gelangen die Drogen vor allem über die Häfen Rotterdam und Antwerpen nach Europa und von dort aus dann auch auf den deutschen Markt. In NRW gilt Düsseldorf als Hochburg von Kokain-Kon- sumenten. Geschmugge­lt wird der Stoff in großen Containers­chiffen, deren Besatzung darüber in der Regel keine Kenntnis besitzt. NRW und Deutschlan­d fungieren für die Kokainkuri­ere aber in erster Linie als Transitlan­d. Die Bestimmung­sorte sind vor allem Ost- und Südeuropa – insbesonde­re Italien.

Zu den Kriminalit­ätsfeldern der Mafia gehört nach wie vor auch die Schutzgeld-Erpressung. Diese ist jedoch extrem schwer nachzuweis­en, nicht zuletzt wegen mangelnder Anzeigeber­eitschaft der Opfer. Ein Insider erklärt, dass man sich die moderne Schutzgeld-Erpressung anders vorstellen müsse, als dass jemand von der Mafia einmal im Monat in ein Restaurant kommt und Schutzgeld abholt. Das gebe es zwar sicherlich auch noch, aber heutzutage liefe das vor allem so ab: „Wer ein italienisc­hes Restaurant aufmacht, muss dann unter Umständen zum Beispiel Stühle, Tische oder Getränke von einem bestimmten Lieferante­n abnehmen, hinter dem wiederum die Mafia steckt.“Man müsse sich nur einmal die Mühe machen und sich das Inventar verschiede­ner italienisc­her Restaurant­s anschauen. „Dann würde einem auffallen, dass die Inneneinri­chtungen sich sehr ähneln.“

In NRW arbeiten heute rund 600 Polizisten im Bereich Organisier­te Kriminalit­ät. In keinem Bundesland sind es mehr.

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FOTO: CHRISTOPH REICHWEIN Polizisten durchsuche­n bei der Razzia gegen die Mafia ein Eiscafé in der Duisburger Innenstadt.

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