„Uns droht kein zweites Lipobay“
Bayer steckt in der Krise: Konzernchef Werner Baumann erklärt beim Wirtschaftsgipfel, warum er 12.000 Stellen abbaut. Und beteuert, das habe nichts mit der Monsanto-Übernahme zu tun.
DÜSSELDORF Als Werner Baumann im Mai 2016 das Steuer beim Bayer-Konzern übernahm, versprach er, dass es bei den Leverkusenern Evolution, aber keine Revolution geben werde. Zwei Jahre später ist bei Bayer nichts mehr, wie es war: Der Kurs ist nach der Übernahme von Monsanto abgestürzt, Tausende Kläger ziehen den Konzern wegen des Unkrautvernichters Glyphosat vor Gericht. Nun versucht Baumann mit dem Abbau von 12.000 Stellen den Befreiungsschlag. Beim Wirtschaftsgipfel, zu dem 120 Leser in das Konferenzzentrum der Rheinischen Post gekommen waren, stellte er sich den Fragen von Lesern und von Antje Höning, Leiterin der Wirtschaftsredaktion.
Monsanto-Übernahme Bayer hat den US-Konzern Monsanto für 59 Milliarden Euro übernommen. Das war die teuerste Übernahme, die ein deutscher Konzern je gewagt hat. Zugleich hat Monsanto ein schlechtes Image wegen seiner Produkte und seines Umgangs mit Farmern. Aber auch wirtschaftlich läuft es nicht rund: Erst gab es langes Gezerre mit den Kartellbehörden, jetzt gibt es die Klagewelle wegen des glyphosathaltigen Unkrautvernichters Roundup. Hat Bayer die Risiken unterschätzt, fragen sich viele Investoren. Baumanns Antwort: „Wir haben dieses hohe Prozessrisiko nicht gekannt. Bei den ersten Gesprächen mit Monsanto lagen 21 Klagen vor, nicht wie zuletzt in den USA 9300.“Aber es habe dann unerwartet einen Erfolg eines Klägers gegeben, was weitere Verfahren nach sich gezogen habe. „Wir haben die größtmögliche Sorgfalt aufgewandt, um alle Risiken bei Monsanto zu bewerten“, beteuerte der Bayer-Chef.
Baumann hält an Glyphosat fest. Und er reagiert scharf auf Vorwürfe, es sei bewiesen, dass Glyphosat krebserregend sei: „Es gibt keine einzige Regulierungsbehörde weltweit, die festgesellt hat, dass es ein Krebsrisiko durch Monsanto gibt.“Anwälte und Umweltschutzorganisationen würden sehr einseitig aus internen Dokumenten zitieren. Bayer selbst trete für eine möglichst hohe Transparenz ein, so der Vorstandsvorsitzende: „Wir haben nichts zu verbergen.“
Andererseits: Vor 17 Jahren hat Bayer schon mal Ähnliches erlebt. Damals musste der Leverkusener Konzern den Cholesterinsenker Lipobay vom Markt nehmen, der für Todesfälle verantwortlich gemacht wurde, und Milliarden an Schadenersatz zahlen.
Aktien-Absturz Ein Argument für die Monsanto-Übernahme war es, die Übernahmegefahr zu senken. Als mittelgroßer Pharmakonzern drohte Bayer, in die Krallen eines globalen Pharmariesen zu geraten. Doch binnen eines Jahres ist der Börsenwert von Bayer um ein Drittel abgestürzt. Gegenüber dem Höchstkurs von 144 Euro im Jahr 2015 hat sich der Wert sogar halbiert. Ist Bayer nicht jetzt erst recht Übernahmekandidat? Baumann gibt sich zuversichtlich:„Wir haben beim Aktienkurs von 60 Euro jede Menge Potenzial nach oben. Der Börsenwert spiegelt unseren Wert nicht wirklich wieder.“Aber die aktuellen Verfahren in den Vereinigten Staaten führten zu einer„erheblichen Belastung an der Börse“, räumt er ein. Sein Ziel: „Wir arbeiten mit allen Kräften daran, denWert, den das Unternehmen hat, wieder darzustellen.“
Der erste aggressive Investor hat offenbar schon Witterung aufgenommen. Am Freitag wurde bekannt, dass der amerikanische Fonds Elliott bei Bayer eingestiegen sein soll – wenn auch die Beteiligung unter drei Prozent liegt und noch nicht öffentlich gemacht werden musste. Der Fonds, hinter dem der Investor Paul Singer steckt, soll auf eine Aufspaltung des Konzerns drängen. Was ist dran an der Gerüchten und gab es schon Kontakte? Nein, sagt Bumann, er kenne das Thema nur aus der Zeitung. Baumann weist aber auch darauf hin, dass Elliot lange bei Monsanto Aktionär war und bei vielen Unternehmen Aktien hält, die für unterbewertet gehalten werden. Und wie würde es dem Bayer-Chef gefallen, Elliott im Kreis seiner Investoren zu haben? „Wir würden immer einen Aktionär begrüßen, der unsere Wachstumsstrategie unterstützt“, lautet die salomonische Antwort des Managers.
Stellenabbau In der Bayer-Belegschaft wachsen nach der Ankündigung des Jobabbaus Angst undWut. Viele fürchten, dass nun die Mitarbeiter die Zeche für den Monsanto-Deal bezahlen sollen. Baumann versucht zu besänftigen: „Ich kann sehr gut verstehen, wenn die Belegschaft verunsichert ist. Aber wir treffen eine solche Entscheidung nur, wenn sie für das Unternehmen und auch die Mitarbeiter langfristig am besten ist.“So werde das Unternehmen zukunftssicherer. Baumanns Versprechen: „Für die Mitarbeiter, die uns verlassen werden, machen wir das mit einer hohen Verantwortung. Wir kommunizieren offen. Das Schlimmste, was wir tun können, wäre, nicht ehrlich zu sein.“Aber festlegen, wo konkret Arbeitsplätze wegfallen, will sich Baumann nicht: „Jeder Mitarbeiter will erst einmal wissen, ob er betroffen ist.Wir können noch nicht genau sa- gen, wie sich die Zahl der wegfallenden Stellen aufteilt nach Ländern, Regionen und Funktionen.“
Viel Kritik ist daran laut geworden, dass Bayer auch in der Forschung in Deutschland kräftig einsparen will. Baumann verteidigt die Entscheidung: „Wir haben in die Forschung hierzulande erheblich investiert in den letzten Jahren. Wir geben nächstes Jahr als eines der forschungsintensivsten Unternehmen in Deutschland rund sechs Milliarden Euro für Forschung aus.“Aber es solle weniger in eigene Projekte gesteckt werden und mehr Geld in Kooperationen mit Partnern: „Wir müssen feststellen, dass der Weg, den viele Wettbewerber gingen, teilweise erfolgreicher war.“Dass das Faktor-VIII-Werk in Wuppertal geschlossen werde, bedaure er sehr: „Das ist eine ganz traurige Geschichte. Das war eine sehr schmerzhafte Entscheidung.“Aber er weist darauf hin, das Werk in Wuppertal habe längst nicht so gute Perspektiven, wie man das vor einigen Jahren habe erwarten können. Die Anlage werde entkernt, erklärte Baumann. „Aber das Gebäude wird stehen bleiben.“
Baustellen Wenn Monsanto nicht die Ursache für den Stellenabbau war, bleibt doch die These: Die Übernahme hat so viel Energie bei Bayer gebunden, dass an vielen anderen Stellen Baustellen aufgebrochen sind. Hat Bayer sich mit der Übernahme möglicherweise wirtschaftlich verhoben? Für Baumann kein Thema. Der Manager hält Bayer trotz der teuren Übernahme für solide finanziert. Ein Vergleich zur früheren Krise mit Lipobay, als Bayer die Zahlungsunfähigkeit drohte, sei falsch: „Uns droht kein zweites Lipobay. Wir sind komplett durchfinanziert mit 40 Prozent Eigenkapitalquote. Unsere Finanzierung ist sehr langfristig ausgerichtet. Das was wir für Schuldentilgung ausgeben, können wir aus dem laufenden Geschäft finanzieren. Wir werden dieses Jahr neun Milliarden Euro verdienen als bereinigtes Ebitda (Gewinn vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen, d. Red.). Nächstes Jahr werden wir 11,5 bis zwölf Milliarden Euro verdienen. Das gibt uns genügend Spielraum.“
Der Börsenwert spiegelt unseren Wert nicht wirklich wieder“Werner Baumann
Bayer-Chef